Verschwiegene Kindheitsbelastung?…Du bist nicht allein!

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Auffällig unauffällig, perfekt, im Inneren toben Gefühle, die Sie haltlos überfordern? Sie fühlen sich manchmal einsam, allein unter Menschen? Dann gehören sie womöglich zur Gruppe der Kinder, deren Kindheitsbelastung verschwiegen wurde…

Viele Kindheitsbelastungen werden verschwiegen: über Jahre, Jahrzehnte, manchmal sogar bis auf dem Sterbebett und sogar darüber hinaus. Kinder von Suchtkranken etwa, von psychisch erkrankten ober missbrauchenden Eltern (um nur einige zu nennen) haben oft unfassbares Leid erlebt: da dieses Leid so groß war und tabuisiert wurde, wird es familiär als nicht vorhanden, als nicht existent gehandelt. Über das Erlebte Stillschweigen zu wahren, wird zur Eintrittskarte in die familiäre Zugehörigkeit – Sprechen bedeutet hier „Ausgeschlossen werden“ aus dem inneren familiären Zirkel – für Kinder ein existenzielles Risiko, das sie in ihrer kindlichen Hilflosigkeit nicht eingehen können. Für die Zugehörigkeit zahlen sie den Preis der Isolation, sie sind oft über Jahrzehnte in ihrer Einsamkeit gefangen (in Anlehnung an Barnowski-Geiser Vater, Mutter, Sucht 2021).

 

Die Folgen und das Leid der Kinder

In der Folge halten betroffene Kinder ihre gefühlsmäßige Isolation für selbstverschuldet, sie halten sich nicht für wertvoll genug, dass jemand sich mit ihnen beschäftigt. Irgendwann verlieren sie das Zutrauen zu ihrer Wahrnehmung und in der Folge das Zutrauen zu sich selbst. Diese Gefühle begleiten sie über die Kindheit hinaus. Menschen sind soziale Wesen, das heißt sie werden das, was sie sind, vor allem durch andere Menschen: im Guten wie im Schlechten. Je größer das familiäre Tabu war, umso mehr brauchen Betroffene Menschen, die ihre Wahrnehmung bezeugen, die zu und hinter ihnen stehen, Menschen, die sie aufbauen und stärken.  Wenn dies in der Kindheit nicht möglich war, so ist es im Erwachsenenalter nicht zu spät, nach diesen anderen Menschen zu suchen. Für manche Menschen ist die Therapie der erste Ort, an dem sie eine Würdigung ihrer Kindheitsbelastung, eine Würdigung ihrer eigenen Wahrnehmung erfahren. Es reicht dabei nicht, wie Betroffene beschreiben, nur über die Belastung zu reden, sie zu verstehen, sondern es braucht gefühlsmäßige Anteilnahme, Mitgefühl, Anteilnahme, Trost und Resonanz. Um wieder fühlen zu können, brauchen Betroffene fühlende TherapeutInnen.

Oftmals sind diese Kinder als Erwachsene überrascht, wenn sie bemerken, dass sie ihr Kindheitsleiden mit anderen Menschen teilen. Sie sind erstaunt, dass die familiären Strukturen sich ähneln, die Tabus, die Isolation. Wenn Erwachsene es dann schaffen, sich anderen mitzuteilen, Verbindungen herzustellen, Netzwerke zu bilden, sich Selbsthilfe in Gruppen zu suchen, dann passiert meist etwas Wunderbares: das Leiden findet Worte, es findet Resonanz, es findet Echo, Ausbruch aus dem uralten inneren Gefängnis wird möglich. Das Ende der Flucht vor dem eigenen Inneren rückt in greifbare Nähe.

Ich wünsche Ihnen wertschätzende Andere und die Kraft nach diesen Menschen zu suchen, wenn Sie sie noch nicht gefunden haben: Sie sind nicht allein mit Ihrer Belastung!

Wärmendes durch den sonnigen März

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

 

Verschwiegene Kindheitsbelastung?…Du bist nicht allein!

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Auffällig unauffällig, perfekt, im Inneren toben Gefühle, die Sie haltlos überfordern? Sie fühlen sich manchmal einsam, allein unter Menschen? Dann gehören sie womöglich zur Gruppe der Kinder, deren Kindheitsbelastung verschwiegen wurde…

Viele Kindheitsbelastungen werden verschwiegen: über Jahre, Jahrzehnte, manchmal sogar bis auf dem Sterbebett und sogar darüber hinaus. Kinder von Suchtkranken etwa, von psychisch erkrankten ober missbrauchenden Eltern (um nur einige zu nennen) haben oft unfassbares Leid erlebt: da dieses Leid so groß war und tabuisiert wurde, wird es familiär als nicht vorhanden, als nicht existent gehandelt. Über das Erlebte Stillschweigen zu wahren, wird zur Eintrittskarte in die familiäre Zugehörigkeit – Sprechen bedeutet hier „Ausgeschlossen werden“ aus dem inneren familiären Zirkel – für Kinder ein existenzielles Risiko, das sie in ihrer kindlichen Hilflosigkeit nicht eingehen können. Für die Zugehörigkeit zahlen sie den Preis der Isolation, sie sind oft über Jahrzehnte in ihrer Einsamkeit gefangen (in Anlehnung an Barnowski-Geiser Vater, Mutter, Sucht 2015).

 

Die Folgen und das Leid der Kinder

In der Folge halten betroffene Kinder ihre gefühlsmäßige Isolation für selbstverschuldet, sie halten sich nicht für wertvoll genug, dass jemand sich mit ihnen beschäftigt. Irgendwann verlieren sie das Zutrauen zu ihrer Wahrnehmung und in der Folge das Zutrauen zu sich selbst. Diese Gefühle begleiten sie über die Kindheit hinaus. Menschen sind soziale Wesen, das heißt sie werden das, was sie sind, vor allem durch andere Menschen: im Guten wie im Schlechten. Je größer das familiäre Tabu war, umso mehr brauchen Betroffene Menschen, die ihre Wahrnehmung bezeugen, die zu und hinter ihnen stehen, Menschen, die sie aufbauen und stärken.  Wenn dies in der Kindheit nicht möglich war, so ist es im Erwachsenenalter nicht zu spät, nach diesen anderen Menschen zu suchen. Für manche Menschen ist die Therapie der erste Ort, an dem sie eine Würdigung ihrer Kindheitsbelastung, eine Würdigung ihrer eigenen Wahrnehmung erfahren. Es reicht dabei nicht, wie Betroffene beschreiben, nur über die Belastung zu reden, sie zu verstehen, sondern es braucht gefühlsmäßige Anteilnahme, Mitgefühl, Anteilnahme, Trost und Resonanz. Um wieder fühlen zu können, brauchen Betroffene fühlende TherapeutInnen.

Oftmals sind diese Kinder als Erwachsene überrascht, wenn sie bemerken, dass sie ihr Kindheitsleiden mit anderen Menschen teilen. Sie sind erstaunt, dass die familiären Strukturen sich ähneln, die Tabus, die Isolation. Wenn Erwachsene es dann schaffen, sich anderen mitzuteilen, Verbindungen herzustellen, Netzwerke zu bilden, sich Selbsthilfe in Gruppen zu suchen, dann passiert meist etwas Wunderbares: das Leiden findet Worte, es findet Resonanz, es findet Echo, Ausbruch aus dem uralten inneren Gefängnis wird möglich. Das Ende der Flucht vor dem eigenen Inneren rückt in greifbare Nähe.

Ich wünsche Ihnen wertschätzende Andere und die Kraft nach diesen Menschen zu suchen, wenn Sie sie noch nicht gefunden haben: Sie sind nicht allein mit Ihrer Belastung!

Wärmendes durch den Winter sendet

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

 

Leere-ueber einen heimlichen Beziehungskiller und wie Sie ihm auf die Spur kommen

Verzweifelte Paare, die in die Therapie kommen, haben manchmal Schwierigkeiten zu beschreiben, was ihr eigentliches Problem ist: der Kern der Probleme ist dann oftmals wenig mit Worten auszumachen. Irgendwie ungreifbar erscheinen ihre Beziehungsprobleme: Man streite sich wenig, es gäbe aber auch wenig Höhen, wenig Tiefen… aber irgendwie sei die Luft raus, heißt es dann. Stumm und verzweifelt, meist resigniert, wirken die derart Betroffenen. Arbeitet man als Therapeutin mit der eigenen Resonanz zum Geschehen, so wird ein ungeliebtes Gefühl spürbar, von dem die Paarthematik dominiert wird: Leere. Leere kann ein Beziehungskiller sein, der unerkannt, im Verborgenen sein Unwesen treibt.

Gar nicht schlimm?

Leere – wenn dieses Gefühl vorherrschend ist, klingt das für Menschen, die mit diesem Gefühl wenig anfangen können (da sie noch kaum Berührung damit hatten oder auch wenig darum wissen und es somit auch nicht wahrnehmen), wenig schlimm. „Leer“, das ist für sie nah an „Es ist doch nichts“, oder auch nah an einem Zustand, den es doch laut Meditations-und Kontemplationsformen gerade zu erreichen gilt. Der erstrebte Geisteszustand der Versenkung ist hier jedoch nicht am Werk, sondern etwas quälend Anderes, das offenbar schwer zu beschreiben ist -. Leere als „Nichts-Ist“. Wenn „nichts ist“, wie kann man dann darunter leiden? Leere kann, wie wir noch sehen werden, tatsächlich sehr unterschiedliche Qualitäten haben. Leere ist alles andere als „nichts“: wie wird quälend erlebt, versetzt in Starre, stumm machend, verbunden mit tiefen Einsamkeitsgefühlen, gepaart mit Antriebs- und Hoffnungslosigkeit, nah an dem, was man landläufig mit „depressiv“ verbindet. So und ähnlich beschrieben Betroffene nach allmählicher Annäherung ihr Tal der Leere. Oft überdeckt Leere andere starke Gefühle, betäubt, anästhetisiert, wie es in der Fachsprache heißt.

Das Drama der Leere im Dopelpack: Beziehungsleere

Die hier beschriebene Form der Leere möchte ich als biografisch verwurzelte Beziehungsleere bezeichen. Betroffene kennen Beziehungsleere dann seit Kindheitstagen: sie sind als Kinder bei ihren Eltern  ständig ins Leere gelaufen, wurden in der Leere stehen gelassen (zum Beispiel nach Trennungen der Eltern oder mit schweren Erkrankungen, hier oftmals nur für Stunden des Tages, aber auch hier mit nachhaltigen Verlust- und Ohnmachtserfahrungen gekoppelt), oder/und erfuhren kaum Resonanz auf ihnen wichtige Gefühle und Ereignisse. Diese Grunderfahrung der Leere, insbesondere in ersten wichtigen Beziehungen, kann dazu führen, dass diese Kinder als Erwachsene weiter suchen, um endlich einen Menschen zu finden, bei dem es eine Auflösung gibt für die in der Kindheit so schmerzlich erfahrene Leereerfahrung. Besonders schwierig wird es, wenn beide Partner als Kinder Leereerfahrungen gemacht haben – und zugleich keine angemessenen Auflösungen gefunden haben. Im ungünstigen Falle verstummen und erstarren dann beide Partner, beide „Kinder der Leere“. Trotz bester Absichten, trotz eigentlich vorhandener Liebe, steckt dann die Liebe im Leere – Drama fest. Oft endet dies mit Trennung und wiederholt sich tragischer Weise, wird der Prozess nicht erkannt, mit neuen Partnern, nur in anderer Besetzung.

Gefangen in der Leere- wenn ungute Beziehungen kein Ende finden

Menschen mit existenziellen Beziehungsleereerfahrungen treffen aud wundersam anmutende Weise immer wieder  auf andere Menschen, die ähnliche Kindheitserfahrungen gemacht haben und bei näherem Betrachten in Bindungsmustern starke Ähnlichkeit mit ihren Eltern zeigen. Die neuronalen Prägungen ziehen in Resonanz magnetisch Vertrautes an: nur unter jeweils anderen Gewändern. Wenn die Partner-Wahl auf jemanden gefallen ist, an dem ungute Erfahrungen wiederholt werden (etwa mit Suchtkranken oder bindungsunfähhigen Partnern), dann ist der Beziehungsalltag meist massiv belastet,  dann mutet es für Außenstehende wundersam an, dass Betroffene ihre Partner, trotz fortwährend beschriebener negativer Erfahrungen, nicht verlassen oder wie sie es selber erleben, nicht verlassen können. Für die Betroffenen selbst ergibt ihr Verhalten auf einer tieferen Ebene durchaus Sinn: sie hoffen, dass die Geschichte diesmal doch endlich einmal gut ausgehen möge. Es ist in ihnen etwas offen geblieben, in der Gestalttherapie spricht man von der offenen Gestalt, die geschlossen werden muss. Bei Trennungshemmung trotz unzumutbarem Beziehungsgeschehen sind oft kindliche Leereerfahrungen wirkmächtig: da auch die mit Trennungen einhergehende befürchtete Leere  unaushaltbar erscheint, wirkt Trennen letztlich schlimmer als Bleiben, ebenso wie die Hoffnung, dass es doch noch gut ausgeht und die offene Gestalt sich schließen kann, ebenso. Oftmals kehren diese Betroffenen auch nach ersten Trennungsschritten wieder um, da die sich ihnen auftuende Leere als unüberwindbarer Abgrund erscheint: Allein-Sein löst  beängstigende Leeregefühle aus, fällt auf traumatisch besetzten Boden. Betroffene haben noch keinen Weg gefunden, wie ihr Leben, abseits einer Beziehungsfixierung, erfüllt sein könnte: eine Wüste der Leere muss durchschritten werden, mit vielen Tälern von Einsamkeits- und Sinnlosigkeitsgefühlen, die neben anderen massiven Gefühlen unter der Leere verborgen sind. Kann dieses Leere – Erleben verwandelt werden, ist manchmal auch eine Partnerschaft wieder möglich – und erfüllt. Damit dies möglich wird, müssen beide Partner aktiv werden.

Kreativ-Coaching: Wege aus der Leere

Selten ist es Betroffenen bewusst, unter „Leere“ zu leiden…Betroffene beschreiben mehrheitlich Diffuses und nicht Greifbares, Leere tritt erst allmählich zutage. Wenn Sie sich mit Ihren Leeregefühlen stärker auseinandersetzen möchten, können das kreative Tun im Kreativ-Coaching der Woche ein erster Anstoß für Ihren Prozess sein. Wenn Ihr Partner dazu bereit ist, kann es bereichernd sein, zusammen zu gestalten und anschließend darüber zu sprechen. Auf kreativem Weg können Sie auf ungewöhnliche Weise etwas über sich erfahren, indem Sie vertraute Wege verlassen und neue Gehen…die Veränderung passiert unmerklich, spielerisch, je mehr Sie sich einfach von Ihrer Aufgabe mitreißen lassen.

Für die heutige Übung brauchen Sie mindestens 30 Minuten Zeit, ein großes Blatt und ein paar alte Zeitschriften, die Sie nicht mehr benötigen, mit Bildern, die sie ausschneiden können sowie ein paar Stifte.

Beginnen Sie nun mit dem Gestalten einer Collage: Knicken Sie zunächst ein größeres Blatt in drei gleich große Teile, sodass drei senkrechte Spalten entstehen. Gestalten Sie auf die linke Seite ein Bild, das die Überschrift „Leere“ trägt…

….auf die äußerst rechte Seite nun ein Bild, das für Sie das Gegenteil darstellt.

Betrachten Sie beides und gestalten nun in die Mitte Verbindungen zwischen beiden Seiten. Finden Sie auch für diese beiden Seiten eine Überschrift.

Wenn Sie gern weiterarbeiten möchten, gehen Sie nun noch einen Schritt weiter: stellen Sie sich vor, dass Ihre Collage Schauplatz eines Märchens ist. Lassen Sie diese Geschichte auf der linken Seite beginnen. Starten Sie mit dem Satz „Das hatte sie nicht erwartet“… Was ist davor passiert? Schreiben Sie einfach los und lassen Sie die Geschichte sich weiterentwickeln bis sie gedanklich auf der rechten Seite Ihrer Collage angekommen sind.

Welche hilfreichen Aspekte können  Sie aus Ihrer Collage gewinnen,  und  welche aus Ihrer Geschichte?

Sprechen Sie mit Ihrem Partner, wenn möglich…

Wenn Ihnen die kreative Arbeit Freude macht, liefert das Buch von Nick Bantock weitere Anregungen. Wenn Sie sich näher mit abhängigen Beziehungen beschäftigen möchten, ist sicher  Ich will mein Leben zurück von Jens Flassbeck interessant.

Du bist ein Künstler - Nick BantockBuchdeckel „978-3-608-86045-0

Gute Ostertage und Raum für Neues wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Familientragik:gemeinsam einsam

Corona veraendert unsere sozialen Beziehungen. Die Krise pointiert,verschaerft,spitzt zu. Die Zahl der erwachsenen Kinder, die sich in der Herkunftsfamilie einsam und fremd fuehlt,sich von ihren Eltern nicht verstanden fühlt, scheint groß zu sein. Eine große Rolle spielen in diesem Prozess  Hören und Begegnen. Dabei scheint vielmehr „Nebeneinanderher“als  „Miteinander“ verbreitet gewesen zu sein….und sich teils tragisch im Jetzt zu wiederholen.

Zuhoeren-eine Beziehungsvoraussetzung

Nicht nur Ehen und Partnerschaften scheitern  an mangelndem Zu-Hören, auch Freundschaften, Kollegialität und nicht zuletzt Beziehungen zwischen Kindern und Eltern zerbrechen, interpretiert als scheinbar nicht vorhandenes Interesse. Hören und Begegnen meint hier nicht, Wortinhalte aufzuschnappen und diese für die eigene Erzählung oder für das Weitererzählen zu nutzen, (um etwa Erziehungsbotschaften an das Kind scheinbar gekonnt einzuflechten oder das Kind zu verbessern), sondern Zu-Hören meint,  Worte und das Erleben des Anderen ganz in sich aufzunehmen. Je weniger Eltern Beziehung zu ihrem eigenen Innenraum hatten und haben, zu ihren Gefühlen und Stimmungen etwa, umso weniger sind sie oft in der Lage, wirkliche Begegnung zu ihren Kindern zu ermöglichen. Süchte und manche psychische Erkrankung verstellen Eltern teils den Weg zu ihrem eigenen Innenraum ( oder sie werden süchtig, weil der Weg schon früh verstellt war). Das Kind interpretiert dieses mangelnde auf es Eingehen, elterliches nicht wirklich Zuhören und in Resonanz gehen Können, in der Regel als seinen eigenen Fehler: Das Kind glaubt, nicht interessant oder nicht gut genug zu sein, damit Eltern ihm zuhörten. Es idealisiert in diesen Fällen die Eltern als „richtig und kompetent“ und sich selbst als „defizitär“. Oftmals stellt es sich bei genauerer Untersuchung der Beziehungsverlaufes aber genau anders herum dar: dann haben Eltern Probleme mit Hören und Begegnen, da ihnen der Kontakt zur eigenen Innenwelt verloren gegangen ist.

Nicht gehoert- weniger Selbstwert

Nun könnte man meinen, dass diese Kausalität nicht so wesentlich ist: die Praxis zeigt jedoch, dass die angenommene Begründung wesentlich ist für die Weise, wie das Kind sich in der Welt bewertet, für seinen Selbstwert: dauerhaft nicht richtig gesehen und verstanden Fühlen geht meist mit niedrigem Selbstwert einher. Und sie drohen als Erwachsene selbst zu Eltern zu mutieren, die ihren Kindern ungewollt Ähnliches antun:siechaben Probleme,wirklich,aufrichtig und offen,zuzuhoeren. Viele Eltern der Neuzeit scheinen das Zu-Hören nicht gelernt, verlernt oder seine Bedeutung vergessen zu haben.

Einsam unter Menschen:gemeinsam einsam

Je höher der Leistungsdruck, je mehr wir vor allem „weiterkommen“ müssen und uns kaum spüren dürfen, umso größer ist die Gefahr, dass wir anderen nicht mehr wirklich zuhören und selbst von ebensolchen anderen nicht mehr gehört werden. Wir stülpen anderen vielleicht unsere Ideologie über, benutzen sie, um unser Wissen „loszuwerden“, zu glänzen vielleicht: aber der Beziehungsraum im Dazwischen droht zu verarmen. In der Folge fühlen wir uns dann selbst unter Menschen, die wir eigentlich lieben und schätzen, allein und verlassen: einsam unter Menschen… ein Gefühl, das vielen erwachsenen Kindern aus belasteten Familien nur allzu bekannt ist.

Ich werde nicht geliebt…die unendliche Beziehungsgeschichte

Diese kindliche Erfahrung droht in den erwachsenen Beziehungen wiederholt zu werden: „Er hört mir nicht zu!“  Wie oft diese Aussage, durchaus auch geschlechtsunterschiedlich, geäußert wird…oftmals ist diese Aussage mit der Steigerung: „Sie interessiert sich nicht für mich!“ gekoppelt, eine katastrophale Überzeugung, die oft vorausgeht, wenn Beziehungen endgültig zu scheitern drohen.

Überlegen Sie doch einmal, wann Sie sich zuletzt von einem Menschen völlig verstanden gefühlt haben? Wie ist dieses Gefühl entstanden, was hat der andere genau getan, was hat es bei Ihnen ausgelöst?

Der Weg zum Du fuehrt ueber das Ich

Der Weg aus der Einsamkeit und Isolationsgefühlen muss uns immer auch zu uns selbst führen. Dazu bietet die Coronakrisen,neben den schweren Belastungen auch Chancen. Der Weg nach Innen, zu uns selbst und in die Ruhe, ist eine wesentliche Voraussetzung, um Hören und begegnen zu können: uns selbst und anderen.  Nur wenn wir uns von unseren eigenen Gedanken und Gefühlen distanzieren können, wenn wir unser eigenes „Ding“ loslassen können, erst dann können wir wirklich hören und begegnen. Für viele Erwachsene aus belasteten Familien ist das Nicht-Gehört-Werden das Vertraute: oftmals suchen sie sich Partner und Freunde, bei denen ihnen dieses NichtgehörtWerden neuerlich „passiert“. Ein erster Schritt hinaus aus diesem Käfig des Nichtgehört Werdens ist der Weg, sich selbst zuzuhören. Was erzählt Ihr Körper, Ihr inneres Kind, welche Gefühle haben Sie gerade jetzt? Manche Menschen warten verzweifelt auf die nächsten Ferien, den nächsten Urlaub, das Ende der Corona Shutdowns, damit sie endlich etwas erleben könnten:  doch dazu muss nicht hektisch in die Ferne gereist werden, spannende Abenteuer liegen nahe: Ihr Inneres haelt diese Abenteuer für Sie bereit. Und von Ihrem Inneren ist es nur ein Schritt zum Partner im Jetzt.

Einen guten Start (oder auch Fortsetzung) in die Schul- und Arbeitszeit wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Gute Worte in schwierigen Zeiten – ein Perspektivwechsel

„Der Not ist jede Lust entsprossen, und unter Schmerzen nur gedeiht
 Das Liebste, was mein Herz genossen.
Der holde Reiz der Menschlichkeit. (Hölderlin)

 

Kennen Sie das auch, dass Sie in diesen Tagen verzweifelt auf der Suche nach Inhalten sind, die nichts mit Corona zu tun haben? Fernseher anstellen und verzweifelt zappen, die Tageszeitung durchforsten…die Infolage ist bestimmt von Dauer-Kriseninfos. Wenn Sie auch zu den Suchenden nach Gutem gehören, ist diese Suche wahrscheinlich ein probater Rettungsversuch von Leib und Seele: ein versuchter Perspektivwechsel. Somit eine gesunde Regung! Denn: Eine grundlegende Fähigkeit, um eine Krise gut zu überstehen, scheint die Fähigkeit zu sein, eine andere Sichtweise einzunehmen, einen Perspektivwechsel vollziehen zu können. Diesen Perspektivwechsel möchte ich Ihnen heute als kleinen verbalen Kurztrip durch resümierende Gedanken, die ich bei SchriftstellerInnen und FachkollegInnen fand, anbieten.

Allein-Sein als Chance

Einsamkeit ist ein Corona-Thema. In der augenblicklichen Krise wird zur sozialen Distanzierung aufgefordert, bis hin zur einsamen Quarantäne genötigt. Das Thema Isolation hat immer schon eine Rolle in menschlichen Leben gespielt. So soll der Dichter Hölderlin dreißig Jahre allein in seinem Turm zugebracht haben, um sich so ganz seinen Betrachtungen hinzugeben und pointiert „Es ist nichts so klein und wenig, dass man sich nicht begeistern könnte“. Eine Vielzahl an Texten sind entstanden, Quellen der Inspiration aus dem „mit sich Sein“. Pascal Blaise sieht vor einigen Jahrhunderten die Zimmerflucht gar als Wurzel allen Übels. „Alles Elend der Menschheit entspringt einem einzigen Umstand, nämlich dem, nicht ruhig in einem Zimmer bleiben zu können.“ Der französische Schriftsteller Xavier de Maistre (er verweilte nach einem Duell einen Monat in Hausarrest) verwandelte Isolation in einen Reisebericht, der im ungewöhnlichen Buch Reise um mein Zimmer mündete. Vielleicht haben auch Sie in Ihren Kindheitstagen Ihr Zimmer, wenn Sie denn ein eigenes hatten, bereist, mit Fantasie gefüllt, es nicht als Begrenzung, sondern vielmehr rettend erlebt…

Warum Erinnern heilen kann...

Vielleicht mögen Sie sich an diese Zeit nicht mehr gern erinnern, aber wie auch andere Spezialisten aus dem Feld der Kindheitsbelasteten, schreibt Ursula Lambrou in ihrem viel gelesenen Klassiker „Familienkrankheit Alkoholismus.Im Sog der Abhängigkeit“  dem Prozess des Erinnerns Sinnhaftigkeit zu :

„Erwachsene Kinder, die sich Klarheit über sich selbst verschaffen, haben gute Chancen, die Wunden der Kinderzeit, deren Folgen sie noch heute spüren, heilen zu lassen.“

Finnja Stauff, Wiener Fachbuchautorin, fokussiert aus der Perspektive der ontologischen Kinesiologin: „Erst das Verständnis, warum wir in unserem Leben so gelitten haben, ermöglicht uns die wahre Liebe zu uns selbst:“ ( Stauff, F.: Durch Bewusstsein zur Selbstliebe). Und immer ist da die Angst, wenn wir unsere Perspektive ändern und uns  mehr um uns selbst kümmern, die anderen zu sehr aus dem Blick zu verlieren. Sucht-Psychotherapeut und Autor Jens Flassbeck pointiert: „Allen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann. Es ist zum Scheitern verurteilt. Nutzen Sie Ihre Freiheit und handeln Sie so, wie Sie es für richtig halten.“ ( Flassbeck, J.: Ich will mein Leben zurück).  Sich selbst vertrauen ist eine schwieirge Kunst, insbesondere für  Kindheitsbelastete. „Selbstvertrauen ist nicht gleichbedeutend mit Selbstsicherheit. Wer sich selbst vertraut, findet den Mut, sich dem Ungewissen zu stellen, statt vor ihm zu fliehen. Der findet im Zweifel, in Tuchfühlung mit ihm, die Kraft sich aufzuschwingen.“ (Pepin, C.: Sich selbst vertrauen. Kleine Philosophie der Zuversicht)

Suchttherapeut und Autor Heinz-Peter Röhr schaut auf die Weitergabe der Probleme durch die Generationen und resümiert: „Kinder lieben, wie sie sind, können nur Eltern, die selbst reif geworden sind und zu Selbstliebe gefunden haben. Einzig so ist es möglich, dass sie nicht ihre eigenen Probleme zu denen ihrer Kinder werden lassen.“ (Röhr, H.P.: Ich traue meiner Wahrnehmung. Sexueller und emotionaler Missbrauch)

Begreifen- nicht werten- ändern

Mir fehlen die Worte!… Es hat mir die Sprache verschlagen! Diese und ähnliche Sätze sind in Zusammenhang mit der Corona-Krise zu hören. Stumm Werden, nicht mehr sprechen geht manchmal mit Krisen einher. Worte können uns weiterbringen, da wo wir feststecken.Worte sind unser Werkzeug, die Welt zu begreifen. Wir müssen erst begreifen, bevor wir etwas in Worte fassen können.  Zweifel seien, so wurde mir von einer lieben Klientin unbekannt zitiert, nicht Unwissen, sondern „das Gütesiegel der Erkenntnis“. Vielleicht haben die Worte der Denker und Schreibenden Sie heute bei Ihrem persönlichen Perspektivwechsel unterstützt. So mag ich für heute mit Worten von Neurobiologe und Erfolgsautor Gerald Hüther enden: „An Ihrem Gehirn liegt es jedenfalls nicht, wenn Sie auch in Zukunft glauben, so weitermachen zu müssen wie bisher.“ (Hüther, G.: Was wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher)

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Haben Sie schon Worte…oder hat es Ihnen die Sprache verschlagen? – Tabu und Wort in Eltern-Kind-Beziehungen

Viele erwachsene Kinder aus belasteten Familien haben nie mit jemandem über ihre schwierige Lage Daheim gesprochen. Sie hätten eigentlich wenig darüber nachgedacht als Kind, heißt es oft, es sei eben einfach so gewesen , wie es nun mal war… und manch Betroffener bemerkt beim genaueren Hinschauen, wenn die Familie längst verlassen wurde, dass es ein Sprechverbot gab, über das Belastende zu sprechen, ja, teils sogar überhaupt darüber nachzudenken. Nehmen wir ein Beispiel: Die Familie hat die Sucht des erkrankten Elternteils tabuisiert, darüber wird nicht gesprochen, es wird bagatellisiert und verharmlost. Oft ist es für die betroffenen Kinder ein großes Ereignis, wenn sie ihre damit einhergehende Belastung erstmalig mit Worten belegen, sie vor sich selbst und in der Folge vor anderen benennen. Manche fühlen sich dann schlecht, fühlen sich als Verräter oder Denunzianten der Eltern. Philosoph Peter Bieri beschreibt dies im Zusammenhang der verlorengehenden Würde  treffend: „Wenn das Wort ausgesprochen ist, gibt es keinen Spielraum mehr für Verleugnung oder Beschönigung – keine Möglichkeit mehr zu tun, als sei das Unglück nicht der Fall.“ (Bieri, Eine Art zu leben, S.232). Das ausgesprochene Wort verändere die Beziehungen, sogar, wenn es nur gedacht sei.

Es scheint entscheidend, mit welchen Worten sie ihr belastetes Elternteil belegen. Nehmen Sie sich ein paar Atemzüge Zeit: Denken Sie doch kurz einmal darüber nach, welche drei Worte Sie Ihrem belasteten Elternteil zuschreiben…was wurde für Sie persönlich zur Belastung?

Vielleicht sind Sie nun bei Diagnosen und Krankheitszuschreibungen gelandet, vielleicht steht dort: Sucht, Alkoholismus, Depression o.ä. Dann sind vielleicht gängige Diagnosen zu ihren eigenen Worten der Beschreibung geworden und sie könnten noch einmal überprüfen, ob ihnen diese Kategorien, die aus medizinischen Klassifikationen abgeleitet wurden, heute noch reichen.

Unsere Worte können  Welt gestalten: sie können  etwas endlich klar scheinen lassen, sie können ebenso abstempeln und so jede Hoffnung aufgeben, sie können ebenso beschönigen wie verfremden. Auch die noch nicht gefundenen Worte gestalten unsere Beziehungen.

Eine wichtige Rolle kommt dabei den Tabus zu: Tabus können Beziehungen zersetzen, da sie ihnen die Echtheit entziehen. Authentizität geht verloren, sogar dann,wenn einer nur weiß, dass der andere sein Tabu kennt: da hat die Mutter ihren massiven Selbstverletzungsversuch in die Tabuecke gedrängt, er darf nicht mehr erwähnt werden, aber Mutter und Tochter wissen beide darum. Bleiben solche Tabus unbesprochen, werden keine Worte gefunden, sind die Eltern-Kind-Beziehungen schwer belastet – insbesondere die Kinder tragen dann ein schweres stummes Paket, an dem sie oft lebenslang leiden und oft selbst nicht mehr wissen, warum: auch aus ihrem Bewusstsein musste das Schreckliche dann verdrängt werden..

Weit verbreitet ist es auch, wenn endlich ein Wort gefunden wurde, dieses als alleiniges Beschreibungsmerkmal für das belastete Elternteil zu verwenden…Meine Mutter ist Alkoholikerin!…ein großer wichtiger Schritt, wenn das Kind erstmals dies aussprechen kann und es gilt mit der Zeit zugleich, mehr Worte zur Beschreibung zu finden. Manchmal hilft es Erwachsenen neben dem großen Schatten auch das Licht, die positive Seite, noch einmal in den Blick zu nehmen und so das elterliche Bild authentischer zu komplettieren.

  Die gewählten Worte zur Beschreibung der eigenen Eltern genauer anzuschauen, förmlich mit der Lupe zu sezieren, kann ein lohnenswerter Akt sein: tut sich doch unsere Seele als Spiegel vor uns auf. Manchmal wehren sich Kinder gegen  Zuschreibungen an die Eltern, sie befürchten ungute Etikettierungen…und auch dies kann sinnvoll sein: „Alkoholiker- das klingt wie eine Gattungsbezeichnung und damit wie etwas, was einer unwiderruflich ist. Das nimmt ihm die offene Zukunft. Einer, der nur zuviel trinkt, kann aufhören. Ein Alkoholiker hat keine Chance mehr, es nicht zu sein.“ (Bieri ebenda)

In ihren Worten über ihre Eltern spiegeln sich Wünsche, Verzweiflungen und Hoffnungen der belasteten Kinder: diese Worte wollen gesprochen, gelebt oder auch geschrieben sein. Zur Sprache zurückzufinden über das Belastende, in der passenden, stimmigen Weise, kann ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Heilung sein, insbesondere, wenn es Betroffenen in der Kindheit die Sprache verschlagen hat(te). Denn: in einem belasteten System wird die Wahrheit oftmals zum Feind: man stempelt sie zur Lüge. Mitlügen wird zum Preis für Zugehörigkeit, nicht Sehen, Nicht Hören, nicht Sprechen die Eintrittskarte in den „Club“. Allein ist einem solchen System meist schwer beizukommen: es braucht Helfer, Beistand, aufrechten Widerstand und Allianzen, die meist erst auf einem längeren Lebensweg gefunden werden. Worte können solche Begleiter sein und werden, Worte Finden für Unausgesprochenes kann so ein Akt des Begreifens und Verstehens werden, der leibliche Spuren nachhaltig verändern kann.

So mag es manch einem Betroffene so ergehen, wie es Roger Willemsen in „Wer wir waren“  als Zeitphänomen des 3.Jahrtausends klug beschrieben hat: „Nicht wissen im Wissen zu behaupten; nicht gewusst zu haben werden, während man doch wusste“.

Einsam unter den Liebsten – Wenn Eltern mit sich selbst nicht in Kontakt sind…sind sie es schwerlich mit ihren Kindern

Die Zahl der erwachsenen Kinder, die sich von ihren Eltern nicht verstanden fühlt, scheint groß zu sein. Eine große Rolle spielen in diesem Prozess  Hören und Begegnen.

Nicht nur Ehen und Partnerschaften scheitern  an mangelndem Zu-Hören, auch Freundschaften, Kollegialität und nicht zuletzt Beziehungen zwischen Kindern und Eltern zerbrechen oftmals an scheinbar nicht vorhandenem Interesse. Hören und Begegnen meint hier nicht, Wortinhalte aufzuschnappen und diese für die eigene Erzählung oder für das Weitererzählen zu nutzen, (um etwa Erziehungsbotschaften an das Kind scheinbar gekonnt einzuflechten oder das Kind zu verbessern), sondern Zu-Hören meint,  Worte und das Erleben des Anderen ganz in sich aufzunehmen. Je weniger Eltern Beziehung zu ihrem eigenen Innenraum haben, zu ihren Gefühlen und Stimmungen etwa, umso weniger sind sie in der Lage, wirkliche Begegnung zu ihren Kindern zu ermöglichen. Süchte und manche psychische Erkrankung verstellen Eltern teils den Weg zu ihrem eigenen Innenraum ( oder sie werden süchtig, weil der Weg schon früh verstellt war). Das Kind interpretiert dieses mangelnde auf es eingehen, elterliches nicht wirklich Zuhören und in Resonanz gehen Können, in der Regel als seinen eigenen Fehler: es glaubt, nicht interessant oder nicht gut genug zu sein, damit Eltern ihm zuhörten. Es idealisiert in diesen Fällen die Eltern als „richtig und kompetent“ und sich selbst als „defizitär“. Oftmals stellt es sich bei genauerer UNtersuchung der Beziehungsverlaufes aber genau anders herum dar: dann haben Eltern Probleme mit Hören und begegnen, da ihnen der Kontakt zur eigenen Innenwelt verloren gegangen ist. Nun könnte mam meinen, dass diese Kausalität nicht so wesentlich ist: die Praxis zeigt jedoch, dass die angenommene Begründung wesentlich ist für die Weise, wie das Kind sich in der Welt bewertet, für seinen Selbstwert: dauerhaft nicht richtig gesehen und verstanden Fühlen geht meist mit neidrigem Selbstwert einher. Und sie scheinen als Erwachsene selbst zu Eltern zu mutieren, die ihren Kindern ungewollt Ähnliches antun, das ihnen selbst widerfuhr. Viele Eltern der Neuzeit scheinen das Zu-Hören nicht gelernt, verlernt oder seine Bedeutung vergessen zu haben.

Je höher der Leistungsdruck, je mehr wir vor allem weiterkommen müssen und uns kaum spüren dürfen, umso größer ist die Gefahr, dass wir anderen nicht mehr wirklich zuhören und selbst von ebensolchen anderen nicht mehr gehört werden. Wir stülpen anderen vielleicht unsere Ideologie über, benutzen sie, um unser Wissen „loszuwerden“, zu glänzen vielleicht: aber der Beziehungsraum im Dazwischen droht zu verarmen. In der Folge fühlen wir uns dann selbst unter Menschen, die wir eigentlich lieben und schätzen wollen, allein und verlassen: einsam unter Menschen… ein Gefühl, das vielen erwachsenen Kindern aus belasteten Familien nur allzu bekannt ist.

Diese kindliche Erfahrung droht in den erwachsenen Beziehungen wiederholt zu werden: „Er hört mir nicht zu!“  Wie oft diese Aussage, durchaus auch geschlechtsunterschiedlich, geäußert wird…oftmals ist diese Aussage mit der Steigerung: „Er interessiert sich nicht für mich!“ gekoppelt, eine katastrophale Überzeugung, die oft vorausgeht, wenn Beziehungen endgültig zu scheitern drohen.

Überlegen Sie doch einmal, wann Sie sich zuletzt von einem Menschen völlig verstanden gefühlt haben? Wie ist dieses Gefühl entstanden, was hat der andere genau getan, was hat es bei Ihnen ausgelöst?

Der Weg aus der Einsamkeit und Isolationsgefühlen muss uns immer auch zu uns selbst führen. Der Weg nach Innen, zu uns selbst und in die Ruhe, ist eine wesentliche Voraussetzung, um Hören und begegnen zu können: uns selbst und andere.  Nur wenn wir uns von unseren eigenen Gedanken und Gefühlen distanzieren können, wenn wir unser eigenes „Ding“ loslassen können, erst dann können wir wirklich hören und begegnen. Für viele Erwachsene aus belasteten Familien ist das Nicht-Gehört-Werden das Vertraute: oftmals suchen sie sich Partner und Freunde, bei denen ihnen dieses NichtgehörtWerden neuerlich passiert. Ein erster Schritt hinaus aus diesem Käfig des Nichtgehört Werdens ist der Weg, sich selbst zuzuhören. Was erzählt Ihr Körper, Ihr inneres Kind, welche Gefühle haben Sie gerade jetzt? Manche Menschen warten verzweifelt auf die nächsten Ferien, den nächsten Urlaub, damit sie endlich etwas erleben können:  doch dazu muss nicht hektisch in die Ferne gereist werden, spannende Abenteuer liegen nahe, hält Ihr Inneres für Sie bereit.

Ansonsten noch etwas zur Orga der Seiten: ich versuche, wie Sie vielleicht schon gesehen haben, diese für Sie noch übersichtlicher zu gestalten, damit Sie zu den unterschiedlichen Aspekten des AWOKADO-Konzeptes, zur Kreativen Selbsterfahrung etc. noch schneller fündig werden.

Einen guten Start in die Schul- und Arbeitszeit wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Co-Abhängigkeit

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CO-Abhängigkeit: dieser Begriff schwirrt durch die Szene. Lange Zeit wurden Angehörige von Suchterkrankten tragischer Weise, wenn Sie denn überhaupt in den Blick genommen wurden, vor allem als Verursacher von Suchterkrankung wahrgenommen: paradoxerweise wurden die, denen etwas angetan wurde, hier vorschnell als Schuldige identifiziert. Angehöriger eines Suchtkranken zu sein bedeutet vieles: vor allem ein Leben lang an den Folgen der Erkrankung zu leiden. Das Bemühen, die Krise irgendwie zu meistern, führt  bei Kindern von Erkrankten zum frühzeitigen  „Selbstverlust im Anderen“. Dieses Beziehungsmuster wird oft in den Beziehungen, die Betroffene als Erwachsene führen, wiederholt. (Nach Barnowski-Geiser, 2015/2009: Vater, Mutter, Sucht/Hören, was niemand sieht;s.a. Flassbeck, J.: Co-Abhängigkeit; Ich will mein Leben zurück!).