Corona-Auszeit: Die Begegnung mit unserer inneren Heimat

Vor der Corona-Krise haben sich viele Menschen teils sehnsüchtig gewünscht: endlich einmal Ruhe haben, niemanden hören und sehen müssen. Und nun ist plötzlich von einem Tag auf den anderen alles anders. Die Kontaktvermeidung ist staatlich angeordnet, viele Menschen sind vom Arbeiten auswärts freigestellt, alte Menschen sitzen allein in ihren Häusern. Manche von unseren LeserInnen sitzen, wie mir geschrieben wurden, in Ländern fernab der Heimat in Quarantäne, wissen noch nicht, wann sie diese verlassen dürfen und auch nicht, wann und wie sie zurück in die Heimat gelangen können. Schlimm, besonders für Kindheitsbelastete! Von hier ersteinmal mein herzliches Mitgefühl. Die augenblickliche Situation lässt, wie ich schon in den letzten Tagen beschrieben habe, alte Erfahrungen hochkommen: allein, mit existentiell erscheinenden Unsicherheiten konfrontiert, stehen wir plötzlich vor uns selbst: für Menschen mit Kindheitsbelastungen oftmals eine mehr als große Herausforderung. Warum fühlt es sich im inneren Zuhause quälend, leer, verloren an…andere scheinen unter der neuen Situation doch förmlich aufzublühen? Ein erster Schritt ist nach meinen Erfahrungen, uns selbst besser zu verstehen, nicht vor dem Inneren davon zu laufen, sondern erst einmal anzuschauen, was uns dort begegnet. Wird es greifbar, wandelt es sich.

Wie wir unser Elternhaus der Kindheitstage erlebt haben, hat Einfluss darauf, wie wir unser Inneres empfinden. Haben wir diese erste Heimat  als blühende Landschaft erfahren, dann haben wir diese so als guten „Wohnraum“ in uns abgespeichert. Wohlig fühlen wir uns meist von Grund aus, heimelig, gewärmt und geborgen vielleicht. Ebenso kann es, um im Bild zu bleiben, die eiskalte einsame Fjordlandschaft sein, die uns permanent ein Frösteln in die Seele treibt, ein verloren Fühlen, wie heimatlos, auf der Flucht: Stimmungsfarben, Narben und Spuren des Gestern bestimmen Ihre innere Heimat, Ihre innere Erlebenslandschaft, maßgeblich mit. Wie sieht Ihre innere Heimat  aus?…Versuchen Sie es doch einmal mit einer Landschaftsbeschreibung in einigen Sätzen…ist Ihnen diese Vorstellung zu unangenehm, starten Sie erst mit der Wohlfühl-Landschaftsimagination am Ende dieses Beitrags.

Welcher Ton in unserer inneren Heimat vorherrscht, die Weise, wie wir mit uns sprechen, das „Klima“, das hier herrscht, die Weise, wie wir in uns zu Hause sind, wie wir in uns wohnen, hängt nachhaltig mit unseren ersten Beziehungen, meist zu unseren Eltern, zusammen. Wie wir uns im Zusammensein mit unseren ersten wichtigen Bezugspersonen erlebt haben, prägt die Weise, wie wir heute in uns leben und erleben. Das hat Einfluss auf unser Selbstbild, unsere Identität und wie wir mit uns selbst umgehen.

Unsere Kindheitserfahrungen  prägen also unsere innere Heimat,aber: nicht unveränderbar in dem Sinne, dass diese nicht mehr zu gestalten und verändern wäre! Das Fundament, eine architektonische Grundanlage, Stimmung und Färbung, werden uns im Zusammenleben mit uns wichtigen Bezugspersonen als Grundsteinlegung mit auf den Weg gegeben. Denn: Menschliche Gehirne sind nutzungsabhängig („Plastitzität“), auch und gerade bei Kindern: Wie Sie sich als Kind alltäglich gefühlt haben, bildete neuronale Netzwerke, das Hirn speicherte Erlebtes als Gefühlslandschaften: es gestaltete sich Ihre innere Welt. Die Summe der vergangenen Erfahrungen und der aktuellen im Jetzt bilden Ihre innere Welt, die Welt, von der aus Sie losgehen in die äußere Welt hinein. Diese innere Welt ist vorgestaltet und doch nie vollendet: Sie lässt sich immer weiter neu gestalten, auch und gerade „Jetzt“!. Ein Schritt der Veränderung ist die Innenschau aus der Sicht des inneren Beobachters: achtsam den eigenen Stimmungen zu folgen kann eine spannende Reise sein…gerade jetzt in diesen schwierigen Tagen eine lohnenswerte Reiseform. Ich wünsche Ihnen den Mut, sich selbst zu begegnen. Sie sind nicht mehr das kleine, hilflose Kind von damals, auch wenn es sich in diesem Moment, heute zur Coronazeit, vielleicht exakt so anfühlt. Also: ein 1. Schritt kann sein, die Gewissheit zuzulassen, dass heute etwas anders ist als zu Kindheitszeiten und Sie erwachsen etwas tun können- vor allem entscheiden Sie, wie Sie die aktuelle Situation bewerten und einordnen. Sie haben vermutlich schon so Vieles in Ihrem Leben geschafft, auch das werden Sie bewältigen. Ihr heutiges Mantra könnte also lauten: „Ich weiß, dass ich mir selbst helfen kann!“ und „Ich werde heute zuversichtlicher denken!“ Auf diesem Weg können Sie Ihre inneren Bilder, Imaginationen, Ihre innere Weisheit ( ja, ich bin sicher, über diese verfügen Sie) unterstützen:

Corona-Auszeit-KreativChallenge: Stellen Sie sich eine Landschaft vor, in der Sie sich gut fühlen, malen und gestalten  Sie diese…wenn Sie noch an den Strand, in den Garten etc dürfen, sammeln Sie doch für Sie passende Materialien, gleich bei einem Spaziergang…

Wie ist es Ihnen mit der Arbeit mit Musik gestern ergangen? Noch nicht angegangen? Das „Nichts-Tun“ ist evt Teil der alten Überzeugung, dass sich eh nichts ändern wird, ihr innerer Sabboteur am Werke? Dann kann das für Sie im Augenblick noch nicht der richtige Zeitpunkt sein oder: Probieren Sie es doch heute einfach mal für einen Tag anders!

Ich wünsche Ihnen einen Tag, mit kleinen Glücksmomenten – Sie müssen zulassen, diese dennoch wahrzunehmen.

Alles Liebe, besonders auch in die weiten Fernen und in die „strengen“ Quarantänen, wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Lasst eure Seele nicht zer-„Trump“-eln…und die Welt bleibt draußen

Dinge, die in der Welt draußen passieren, können uns ( und im Moment beschreiben das viele Menschen) fassungslos machen. Bei vielen kommen verzweifelte Gefühle auf, Ohnmacht, Hilflosigkeit bestimmen die aktuelle Tagesordnung. Für diese Gefühle sind gerade Menschen mit belasteten Kindsheitserfahrungen besonders empfänglich. Es gibt sicher viele Möglichkeiten mit diesen äußeren Krisen umzugehen: Ein wichtiger Weg für Menschen mit Kindheitsbelastungen kann sein, sich in sich selbst gut zu beheimaten: gerade , wenn die Kindheit innere Heimatlosigkeit oder Verlorenheit bedeutete. Dann ist der Weg nach Innen fremd und wichtig zugleich: einmal am Tag für eine Zeit die äußere Welt draußen lassen, Gedanken kommen und gehen lassen, nicht mehr um diese Probleme draußen, nicht mehr  nur um einen Menschen kreisen, sondern einfach „sein“. Aktuelle Forschungen belegen die Wirksamkeit der geübten und gelebten Achtsamkeit ( MBSR nach Kabat-Zinn, im AWOKADO-Konzept der Verfasserin usw.), jahrtausende alte Religionen empfehlen ebenso Übungswege der inneren Einkehr und der Abkehr von der Welt für einen begrenzten Zeitraum auf unterschiedliche Weise (Buddhistische Praktiken, christliche Kontemplation, Praxis im Yoga etc.). Bei regelmäßiger Übung wirkt diese Praxis: sie ist nicht Selbstzweck, sondern Menschen gehen anders in die Welt, anders durch sie hindurch und bekommen, gestärkt vom inneren Heimathafen ( manchmal von einer Macht, die größer ist als sie selbst und über sie hinausreicht) ein neues Lebens-Gefühl: dem Negativen etwas Gutes, Liebevolles entgegensetzen zu können, etwas zu tun, dass anderen gut tut: eben von einer inneren Heimat aus, in die wir jederzeit zurückkkehren können.

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

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