Besser leben? Warum ein Atemzug, der Mount Everest und ein ungewöhnliches Früchtchen Ihre Helfer sein können.
Von Waltraut Barnowski-Geiser
Jetzt besser leben – das wollen die meisten Menschen! Vor allem natürlich wünschen das all jene, die in ihrer Kindheit Schweres erlebt haben. Oftmals haben aber gerade diese Menschen ihre Hoffnung auf ein besseres Leben aufgegeben. Soviel Enttäuschung, so viele leere Versprechungen haben sie bereits erlebt! Jetzt besser leben: „Wie könnte das gehen?“ fragen sie sich, und vor allem: „Wie sieht mein Weg zu einem besseren Leben aus?“ Denn: jede und jeder hat eine andere Vorstellung davon, was ein Leben zu einem besseren macht
…Vielleicht wollen Sie auf kreativem Weg etwas über Ihre persönliche Vorstellung erfahren.Dann könnte die folgende Übung hilfreich sein. Wenn Sie gerade Zeit nehmen wollen, dann starten Sie jetzt in die Übung. Sie können diese auch jetzt überspringen und später nach dem Lesen machen!
ÜbungMEINE Besser-Leben-Landschaft
Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit: schließen Sie, wenn Sie mögen, die Augen…nehmen Sie Ihren Atem wahr…wenigstens drei Atemzüge wahrnehmen: wie Sie ein und wieder ausatmen…
Nun lassen Sie vor Ihrem inneren Auge langsam eine Landschaft entstehen, in der Sie sich gut und glücklich fühlen. Wie duftet es hier, wie schmeckt es, welche Farben sehen Sie. Wie klingt es, welche Geräusche hören Sie? Lassen Sie sich ein wenig Zeit…vielleicht wollen Sie diese Landschaft später malen.
Kommentar zur Übung: Bilder können helfen, etwas zur Sprache zu bringen, für das wir noch keine Worte haben. Indem wir unsere Sinne aktivieren, aktivieren wir auch Potenziale, Sehnsüchte und Wünsche,die vielleicht längst vergessen schienen.
Flucht aus dem Jetzt Viele Menschen mit Kindheitsbelastungen pendeln sich mehr schlecht als recht auf einem sie wenig befriedigenden Level ein: zwischen Vergessen und Verdrängen, zwischen Trauer und Zorn. Sie beschreiben, nichts mehr zu fühlen, oftmals allenfalls Leere. Das Fühlen des Unangenehmen wurde unbewusst aufgehoben, unglücklicher Weise aber auch das Fühlen von Schönem. Andere leben ständig im Gestern, wälzen schlimme Ereignisse von damals. Sie werden bis zum heutigen Tag von der Vorstellung gequält, an den Ereignissen der Kindheit Schuld zu tragen:
Ein trinkender Vater? Das erwachsene Suchtkind denkt, es hätte damals ein besseres Kind sein müssen, dann wäre der Vater nicht unglücklich gewesen und hätte folglich auch nicht trinken müssen.
Die Mutter, die in Depressionen aus dem Leben schied? Bestimmt hätte der Sohn vielmehr für sie Dasein müssen, ihr mehr Freude bereiten sollen, mehr und Besseres leisten sollen.
In diesen und anderen Gedankenketten sitzen Menschen fest.
Andere nehmen die Flucht nach vorn: sie leben in der Zukunft. Sie träumen, nicht nur ein bisschen und manchmal, sondern eigentlich immer und überall. Träumen hat sie als Kind gerettet, um dem Schlimmen zu entfliehen. Diesem Mechanismus können sie nun bis heute schwer entfliehen (manche haben bereits die Diagnose ADS/Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität erhalten): So träumen sie auch heute… von einem Traumprinzen, der so ganz anders ist als der enttäuschende Mann jetzt an ihrer Seite, anders als der Vater früher. Sie träumen von einer Zeit, in der sie endlich glücklich sind, weil sie zum Beispiel materiell unabhängig sein werden. Morgen, irgendwann in ferner Zukunft. wird alles besser sein. Und so warten sie und warten und warten, während das Leben an ihnen ungelebt vorbeizieht.
Mit einem Atenzug ins Jetzt Bei all diesen Arten der Lebensbewältigung verpassen die Menschen etwas sehr Wesentliches: nämlich das Jetzt. Auch Glück findet immer gerade jetzt statt. Wenn keine Achtsamkeit für das Jetzt vorhanden ist, dann gehen kostbare Momente einfach verloren, dann rauscht das Glück vorbei, da es nicht einmal wahrgenommen wird.
Das Zurückerobern des Lebensglückes bedeutet, sich in das Jetzt zurückzutrauen. Ein wichtiger Helfer in das Jetzt ist unser Atem: wahrnehmen, ohne jede Absicht und ohne jede Bewertung, wie der Atem einfließt und wie er wieder den Körper verlässt: Das ist die Brücke in die Gegenwart. Das klingt so einfach: und ist doch gerade für Menschen aus schwierigen Elternhäusern so schwer. Da damals das Jetzt so unangenehm war, haben sie, um ihre Seele zu retten, begonnen aus dem Jetzt zu fliehen. Und damals viel Lebensqualität verloren. Diese gilt es heute wieder zurückzugewinnen: und diesen Schritt können nur Sie selbst für sich tun. Vielleicht sagen Sie jetzt: „Ich habe viel zu tun, wann das noch?“ oder „Das fühlt sich so unangenehm an, wenn alles ruhig ist und ich mich spüre!“
Meditation ohne Geheimnnis
Es gibt viele Wege zur Achtsamkeit und Meditation. Als eine weise Lehrerin giltie buddhistische Nonne Ayya Khema (leider ist sie inzwischen längst verstorben, aber ihre Ausführungen sind auf youtube abrufbar) Ayya Khema vermittelt Meditation ohne Geheimnis, aus der ich hier nur sehr vereinfachend Wichtiges zusammengefasst und sehr gekürzt darstelle. Eine Einsicht lautet, dass alle Empfindungen vergehen, wenn man sie einfach nur beobachtet: so wie alles vergeht! Auch Gedanken lassen sich demnach beobachten, sie werden in dieser Praxis etikettiert – die vorbeiziehenden Gedanken erhalten gleichsam einen Karton, in den man sie steckt. So merkt der Meditierende, welche Kartons er meistens benutzt, sprich, womit er sich meist beschäftigt und lernst sich dabei selbst bestens (er)-kennen. Erwachsene Kinder aus Suchtfamilien beschreiben, mit ihren Gedanken ständig um einen ihnen wichtigen Menschen zu kreisen. Ihr Wohl hängt dann, so erleben sie es, von diesem einen Menschen ab – Abhängigkeit entsteht. Im Sinne der Lehre des Buddhas lässt sich hier als Methode anwenden: Etikettieren und Ersetzen. Eine spannende Idee! Probieren sie es aus: Wenn Sie an einen bestimmten Menschen denken, förmlich um ihn kreisen, sagen Sie innerlich „Stop!“ Ersetzen Sie diese Gedanken an den anderen, indem Sie zu sich selbst zurückkehren: Achten Sie auf Ihren Atem, nehmen Sie wahr, was Sie gerade spüren. Und in einem weiteren Schritt erspüren Sie, was sie selbst jetzt gerade brauchen. Es gibt viele unterschiedliche Verfahren und Wege, um Achtsamkeit zu erlernen. Neben alten Lehren wie dem Buddhismus (hier auch Thich Nhat Hanh), unterschiedlichen Formen im Yoga usw. gibt es diese Ansätze auch in modernen Therapieverfahren, wie etwa dem MBSR nach Kabat-Zinn, der Hypnotherapie nach Milton Ericson oder auch im Integrativen und Hypnosystemischen Therapieverfahren. Suchen Sie im Vertrauen auf sich selbst den für Sie passenden Weg. Es gibt viele Cds und Bücher zu diesem Feld, die Ihnen Hilfe anbieten können.
AWAOKADO…was für ein Früchtchen! In meinen Befragungen von Erwachsenen und Kindern aus Suchtfamilien (Barnowski-Geiser 2009) beschrieben Menschen neben der Achtsamkeit sechs weitere Faktoren, die Ihnen auf dem Weg zu einem besseren Leben geholfen haben: A chtsamkeit lernen W ürdigung der Kindheitsbelastungen, aber auch der eigenen Stärken O rientierung finden, einen eigenen Standpunkt K reativität und Ausdruck leben A nklang und Beziehung finden D eckung und De-Parenting ( Sicherer Raum und Kind sein dürfen, etwa das Spielen entdecken) O ffenheit und Öffnung Sie haben es wahrscheinlich schon gesehen: die Anfangsbuchstaben ergeben in der Vertikalen das Wort AWOKADO und erinnern somit an eine kleine sehr heilsame Frucht. Ihre große Wirkung entfaltet diese Frucht, so wird es von Betroffenen beschrieben, indem man sie dosiert einsetzt. Das gilt auch für Sie und den Beginn Ihrer Veränderung hin zu einem besseren Leben. Dosiert sollten Sie, vertrauen wir den Erfahrungen, beginnen: der erste Baustein ist Achtsamkeit (vgl. Das AWOKADO-Hilfe-Konzept in Barnowski-Geiser/2015:Vater,Mutter,Sucht. Wie erwachsene Kinder suchtkranker Kinder trotzdem ihr Glück finden). Achtsam ist gleichsam die Mutter der Heilung!
Jetzt starten…schließlich haben Sie schon den Mount Everst bestiegen! Alle große Veränderung, auch in Ihrem Leben, beginnt mit einem kleinen Schritt. Diesen können Sie gerade heute tun. Atmen Sie sich für Augenblicke ins Jetzt und steigern Sie diese Zeit innerhalb der nächsten Tage, wenn wir uns hier wieder treffen. Ich bin sicher: Wenn Sie den Weg auf diese Seite gefunden haben, dann haben Sie in ihrer Kindheit viel zu früh Großes geleistet. Sie haben wahrscheinlich schon ganz früh, um einen Vergleich zu wählen, den Mount Everest bestiegen. Nur: Das hat Ihnen niemand gesagt, man hat Ihnen erst recht nicht gedankt, weil vielleicht die Probleme ihrer Eltern, um die sie sich viel zu früh kümmern mussten, angeblich gar nicht vorhanden waren. Tabuisieren war dann der Weg ihrer Eltern; Ihre Eltern haben es nicht anders geschafft. Es ist wichtig, aus dieser familiären Negativkette auszusteigen, damit Sie Neues an ihre Kinder und Partner weitergegeben können. Mit nur einem Atemzug kann Neues in ihr Leben und das Leben Ihrer Familie treten.
Einführung in die Meditation, Teil 1/4 – Ayya Khema
Vielen Betroffenen hilft zu Beginn das mit der Wahrnehmung verbundene Loslassen, wie es
Thich Nhat Hanhhier vorführt
Kabat-Zinn/MBSR
Sie möchten sich selbst endlich besser verstehen?
Auf den Spuren der eigenen Identität begegnen uns auch Menschen, an die wir uns nicht gern erinnern…
Viele Erwachsene aus belasteten Familien entdecken irgendwann an sich selbst Verhaltensweisen oder Stimmungslagen, in denen sie sich nicht verstehen. Sie fühlen sich etwa grundlos traurig, wertlos, obwohl sie eigentlich viel leisten, sie beobachten an sich Suchtverhalten, dass sie doch so unbedingt vermeiden wollten, in dem Anspruch, bloß nicht so zu werden wie Vater oder Mutter. Tragisch zu beobachten, wie sich Belastungen in bestimmten Familien verdichten und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Kinder aus Suchtfamilien haben ein um sechsfach erhöhtes Risiko selbst an einer Suchterkrankung zu erkranken gegenüber Kindern nichtsüchtiger Eltern. So sehen wir, dass oftmals Großvater, Vater und Sohn Alkoholiker sind etc. Ebenso gibt es ein hohes Risiko für andere psychische Eigenerkrankungen, so etwa für Töchter von Alkoholikern ein hohes Risiko für Essstörungen. Jeder Erwachsene aus einer belasteten Familie bewegt sich zwischen Chance und Risiko: die Kette der Weitergabe der Sucht (Transmission) unhinterfragt fortzusetzen oder die Weitergabe der familiären Dynamik zu durchbrechen. Dies gelingt u.a. dadurch, dass familiäre Tabus, verleugnete Gefühle und die spezifische Dynamik endlich zur Sprache kommen können. Meist können diese erwachsenen Kinder sich selbst in ihrem „So-Sein“ erst dann verstehen, wenn sie es gewagt haben, in den Ihnen wie ein Abgrund erscheinenden familiären Kontext ihrer Kindheitstage zu blicken. Oft erst dann, wenn die Spuren dieser Tage verstanden und entdeckt sind, wird Veränderung möglich.
Leichtigkeit und Schwere haben sich zusammengefügt!“ oder wie Frau N.`s Leben besser gelingt
Menschen mit belasteten Kindheiten warten, nicht nur im Advent: sie warten auf Heilung, auf ein besseres Leben – oft ist diese Besserung für sie gekoppelt an Veränderung erkrankter Elternteile oder Partner. Sie denken, dass ihr Leben nur besser sein könne, wenn etwa die Mutter aufhört zu trinken, der Vater nicht mehr so depressiv ist u.ä. Damit einher geht meist der verständliche Wunsch, für all die schlechten Erfahrungen der Kindheitstage doch noch entschädigt zu werden, endlich Ruhe und Frieden zu finden; andere möchten endlich eine Beziehung erleben, in der sie so geliebt werden wie sind – anders als damals.
Wie haben Menschen es geschafft, die mächtigen Spuren des Gestern hinter sich zu lassen und heute besser zu leben? Dazu möchte ich Ihnen hier immer wieder mal Menschen vorstellen, die ich auf kreativen Wegen interviewt habe und die auf ihre Weise ihren Weg zu einem besseren Leben schildern. Soviel vorab: Meist hatte das als besser empfundene Leben weniger mit der Veränderung des Angehörigen zu tun…
Beginnen wir mit einer jungen Frau, die ich hier Frau N. nennen möchte. Frau N. hat einen sozialen Studiengang abgeschlossen und ist aus ihrem Elternhaus erst kürzlich ausgezogen. Das war ein großer Schritt für sie. Ihr Vater ist Alkoholiker mit Dauerkonsum, „heimlich und heftig“, wie sie sagt, „mit allen Ausbrüchen und Auswüchsen, die man sich vorstellen kann“. Auch wenn er immer noch arbeite und ein bekannter Jurist in seiner Heimatsatdt sei: sein Alkohol-Doppelleben sei für die meisten Menschen wohl nicht vorstellbar, auch nicht seine heimische Cholerik. Um ihren Weg von der Zeit vor der Therapie bis heute zu schildern, wählt Frau N. Kunstdrucke, denen sie selbst Namen gibt.
Vor der Therapie „Stürzen“ (Kunstdruck von Frida Karlo)
„Ich war stumm und drohte zu erstarren. Ich hatte lauter ungute Männerbeziehungen und war nicht aus meinem Elternhaus abgelöst, fühlte mich für alles dort zuständig, während mir die Atmosphäre gar nicht gut tat. Ich hatte wenig Selbstbewusstsein, es fühlte sich an, als würde ich demnächst tief stürzen.“
Jetzt:„Dem Gipfel nahe“ (Kunstdruck v. C.D. Friedrich)
„Ich habe sehr viel geschafft, ich bin ausgezogen und viel selbstbewusster. Ich achte auf mich und spüre mich – ich schaue vom Gipfel in eine andere Welt, von der ich früher nur eine Ahnung hatte. Ich freue mich, dass ich das jetzt auch mit einem Partner, der mich achtet, teilen kann. Das ist neu. Ich fühle mich sehr leicht, Leichtigkeit und Schwere haben sich zusammengefügt. Ich habe eine eigene Familie und lebe in einer liebevollen Atmosphäre mit viel Zärtlichkeit, die mir so fremd war. Ich traue mich heute, mich auf mir liebe Menschen einzulassen. Ich habe einen Blick für meinn Leben – früher war ich nur mit meinen Eltern beschäftigt. Ich weiß jetzt, dass ich sie nicht ändern kann und auch nicht zuständig bin. Mir half, dass ich in der Therapie ernst genommen und so wieder achtsam für mich selbst wurde. Ich fühlte mich geschützt und unterstützt – in meiner eigenen Wahrnehmung- das hatte gefehlt.“ (zit. in Anlehnung an Barnowski-Geiser, W. :Hören, was niemand sieht).
Wie gelingt Frau N ihr neues Leben: sie musste etwas zurücklassen, in diesem Fall ihr Elternhaus und die damit verbundene ungute Dauernähe zum Suchtkranken und seinen Ausbrüchen. Sie musste Abstand zu ihrer eigenen Überverantwortlichkeit gewinnen und demütig einsehen, dass sie die Situation der Eltern nicht wirklich ändern kann. Sie musste einen Blick für die Leichtigkeit neben der Schwere finden, achtsam für Leichtes werden und wirklich leichter leben.
Gern empfehle ich an dieser Stelle das Online-Angebot einer Kollegin
Einen guten Start in eine Woche mit kleinen wunderbaren Momenten wünscht
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Berechtigte Hoffnung oder Irrglaube: Ist es wirklich nie zu spät für eine glueckliche Kindheit?
In dieser Woche möchte ich mit Ihnen einer wichtigen Fragestellung folgen: Kann man eine glückliche Kindheit als Erwachsener nachholen? Diese Versprechung soll zumindest den Versprechungen einiger Autoren und Seminarleitern zufolge, zu jeder Zeit einzulösen sein. Ben Furmann benannte sein Buch nach dieser Aussage…und wollte wohl vor allem Hoffnung machen. Jedoch: Wenn es möglich wäre, glückliche Kindheit nachzuholen, dann beinhaltete das doch unendliche Möglichkeiten…Vergangenes Leid wäre demnach in der Gegenwart zu verwandeln, Glück wäre machbar. Ist es wirklich nie zu spät für eine glückliche Kindheit? Machen Sie etwas falsch, wenn Sie sich aktuell nicht gut fühlen? Die Beantwortung unserer Ausgangsfrage scheint nicht leicht.
Perspektivwechsel
Ist jeder einfach seines Glückes Schmied? Betroffene mit Kindheitsbelastungen ( im Folgenden kurz Bel-Kids genannt) gewinnen den Eindruck, einfach falsch zu denken, unfähig zu sein…oder zu sensibel…einfach „zu“: die Kette der Selbstbeschuldigungen kann unendlich fortgesetzt werden… und mündet dann oft in der Frage: Mache ich etwas falsch in meinem Leben? Oftmals stellt sich in therapeutischer Arbeit heraus, dass Eltern oder andere Menschen viel falsch gemacht haben, ihrer Sucht gefolgt sind etwa: und nicht der Belastete selbst. Um dies herauszufinden, benötigen Menschen oft Krisen: alles bricht zusammen, die alte Weise zu denken, das Wertsesystem, womöglich wichtrige Beziehungen…und nun wird die Krise zum Wendepunkt. Und damit oft zur Chance..
Auf das Maß kommt es an…
Ob „Einfach glücklich sein“ durch einen Entschluss möglich ist, ist zumindest auch maßgeblich vom Schweregrad der kindlichen Belastung abhängig. Je früher die Kindheitsbelastung einsetzte und dort womöglich frühe Traumata (tiefgreifende seelische Verletzungen) hinterließ, umso weniger können sich Menschen ausschließlich durch eine bloße Einstellungsänderung in glücklichere Menschen verwandeln. Dies zu behaupten (und das ist in bestimmten Szenen durchaus verbreitet), stellt eine große Ignoranz traumatisierten Menschen gegenüber dar. Wenn die Belastung keine tiefgreifenden seelischen Spuren hinterlassen hat, ist die Palettte des Einflußnahme größer: dann ist über den Einsatz des Willens und sogenannte kognitive Umstrukturierung (vereinfacht gesagt ein Wandeln der Denkmuster) oft ein zufriedenes und glücklicheres Leben möglich. Bei Menschen mit schweren Kindheitstraumatisierungen ist eine längerfristige Therapie meist unumgänglich: und auch diese ist längst kein Garant für ein glückliches Leben. Auch Therapieprozesse sind dann von Höhen und Tiefen gezeichnet- aber die Gesamtbilanz fällt für Betroffene in der Regel glücklicher aus.
Was bedeutet Glück?
Nehmen Sie ein paar Atemzüge Zeit… was bedeutet für Sie Glück?…Wann haben Sie sich glücklich gefühlt zuletzt?…und als Kind?…Ist Glück für Sie erstrebenswert?
Was Glück bedeutet, ist für jeden etwas anderes. In der Glücksforschung hat man herausgefunden, dass materielles Glück sich schnell verflüchtigt: wer also etwa einen großen Geldbetrag gewinnt, der kann kurzfristig mehr Glück erleben- nach kurzer Zeit pendelt sich der Gewinner jedoch auf Normalniveau ein.
Schauen wir aus philiosophischer Perspektive, so wird Glück sowohl als etwas Individuelles und als etwas Flüchtiges beschrieben. Um nach dem Glück zu suchen, muss man demnach zunächst benennen können, was glücklich macht. Als Glücksuchende brauche ich also eine Vorstellung davon, was denn Glück für mich genau ist. Um diese Vorstellung überhaupt entwickeln zu können, muss jemand glückliche Zustände erlebt haben und sie auch erinnern – das setzt voraus, Glücksmomente auch als eben solche wahrgenommen zu haben. Manchmal wissen Menschen mit Kindheistbelastungen schlicht nicht, wie sich Glück anfühlt – sie haben es wenig erlebt.Damit fehlt ihnen eine wichtige Voraussetzung, glücklich zu werden: sie müssen also im Jetzt achtsam sein, was Sie angenehm, schön, bereichernd empfinden. Oft ist die kurzfristige Beglückung wenig hilfreich: ist etwas zugleich in Übereinstimmung mit dem eigenen Lebenssinn, mit dem eigenen Wesen, wird es dann besonders „glücklich“ erlebt.
Im Buddhismus geht man davon aus, dass man erst Freude und Glück empfinden sollte, bevor man sich dem Leiden zuwendet. Wenn jemand krank ist, muss erst gestärkt werden, bevor er Schweres erfährt (etwa das Ausmaß seiner Erkrankung). Die alltägliche Praxis der Meditation soll den Menschen darin unterstützen. Buddha leitete an, wie man zu Freude und Glück kommt durch die Praxis der Meditation. Es muss erst Stärke gefunden werden, imdem man sich um Freude und Glück kümmert. Wenn man zu schwach ist, kann das Ansehen des Leides zu früh sein. Wie bei einer OP: auch hier muss das Kräftig Werden im Blick sein bevor operiert wird. Wenn man noch schwach ist, so nimmt man an, sei das Ansehen der Sorgen zu schwierig.
„Ich achte auf mich“ statt „Ich bin für dein Glück verantwortlich“ – Loslassen, Betrauern und Selbstachtsamkeit als heilsamer Weg
Gefühle von Freude und Glück aufzubringen ist für manche alltägliche Praxis. Wie geht das? Folgt man buddhistischen Lehrern (Thich Nhat Hanh, Buddha) und christlichen Kontemplationspraktitken hat dies viel mit Loslassen zu tun. Der Buddha sagt, dass Glück hänge eng zusammen mit der Fähigkeit, loszulassen und nicht anzuhaften. Wenn man an Beziehungen und Ideen festhalte, bereite das Schmerzen. Etwas sehr Bekanntes für Menschen mit KIndheitsbelastungen: oft kreisen sie lebenslang um ihre Eltern, in der Hoffnung, dass diese doch endlich glücklich werden sollen. Von vielem denken wir demzufolge, dass wir es nicht loslassen können, weil wir glauben, das wäre unabkömmlich für unser Glück. Oft ist gerade diese Idee loszulassen. Für Bel-Kids bedeutet dies oftmals die Aufgabe der Idee: wenn ich meine Eltern glücklich gemacht habe, werden sie mich lieben: dann werde ich selbst glücklich sein. Je mehr sie diese Vorstellung loslassen statt sie festzuhalten, um so besser scheint dann ihr eigenes Leben. Sie haben dann die Vorstellung losgelassen, das sie die Verantwortung für das Lebensglück ihrer Eltern tragen. Sie bemerken erst als Erwachsene, dass sie ein Recht auf ein gutes Leben haben; auch wenn es jemand anderem ( etwa dem erkrankten Elternteil) noch schlecht geht. Dann können eigene Bedürfnisse endlich Raum bekommen, auch kindliche Wünsche können durch den Erwachsenen, der sie im Jetzt sind, erfüllt werden. Oftmals setzt das glücklich Sein eine Zeit des Betrauerns voraus: was war nicht möglich früher, was ist nicht nachholbar?… erst dann können Betroffene achtsam für sich selbst sorgen und sich auf einen glücklicheren Weg mit ihren verletzten kindlichen Anteilen begeben : um unsere Frage aufzugreifen. Es ist oftmals nicht zu spät für eine gute Kindheit: je schwerer die KIndheitsrefahrungen waren, umso weniger einfach ist das Nachholen.
Ich wünsche Ihnen eine erfüllte Woche mit glücklichen Momenten
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
„Du musst vergeben!“- Fragwürdiges rund um elterliche Schuld und Vergebung
In einigen Szenen ist es en vogue: als Lösung zu jedwedem Problem, vor allem auch zu Kindheitsproblemen, wird das Verzeihen angepriesen. So lautet es vollmundig „Du musst verzeihen!“ oder „Vergib und Deine Heilung erfolgt!“, „Verneigen Sie sich vor den Tätern!“ etc. Gerade Menschen mit schwierigen Kindheitserfahrungen scheinen dabei gefährdet, in den Dunstkreis von Szenen zu geraten, in denen scheinbar einfache Heilsversprechen propagiert werden. In der Praxis zeigt sich jedoch: Heilung und Hilfe bei negativen Kindheitserfahrungen ist in der Regel nicht durch einen einzigen Akt machbar, noch weniger „einfach“ und schnell“, noch weniger ohne jede Aufarbeitung und Differenzierung – im Gegenteil birgt dies die Gefahr, neuerlich zu verletzen, zu traumatisieren, zu übergehen und gerade diejenigen zu schmälern, denen ohgnehin ( oft über Jahrzehnte) etwas angetan wurde… Wie beispielsweise soll etwas verziehen werden, das es laut der familiären Erzählung gar nicht gegeben haben soll, was also unter den Mantel des Tabus getarnt wurde oder wird. Ein großes Thema…
Einen differenzierten Weg der eigenen Bewältigung zeigt Svenja Plasspöhler in ihrem BuchVerzeihen. Vom Umgang mit Schuld. Auf wunderbare Weise gelingt ihr ein eindrücklicher Brückenschlag zwischen selbst Erlebtem in der Kindheit (die Mutter verlässt die Familie wegen eines neuen Partners, als die Autorin 14 Jahre alt ist) und kollektiv erfahrener Schuld. Auf ihrer Spurensuche geleitet uns die Autorin durch vielschichtige Schuldlandschaften: zwischen Erkundungen im Nachhall eines Amoklaufs etwa und anderen monströsen Abgründen reflektiert sie die Schuldfrage immer wieder neu anhand ihres eigenen Leides, das sie mit ihrer Mutter durchlebte. So konnte ein Kaleidoskop des Verzeihens entstehen, das sich zwischen verstehen, lieben, vergessen (müssen) bewegt, mehrperspektivisch aufbereitet zwischen Philosophie, Ethik und biografischer Familiengeschichte.
Ein Buch, das ich Kindheitsbelasteten, die sich mit Schuldfragen und Vergeben ( müssen) plagen, sehr ans Herz lege.
Bei Menschen mit Kindheitsbelastungen mache ich die Erfahrung,dass das,was im Gestern passiert ist,mitgefuehlt,anerkannt und bezeugt werden musste…all das war noetig,um verzeihende Gedanken auf den Weg zu bringen.Verzeihen ohne Reue,ohne Eingestehen auf elterlicher Seite,bedeutete fuer Menschen mit Kindheitsbelastungen eine n
euerliche Wunde:sich selbst,die eigene Wahrnehmung zu uebergehen,sich stehen zu lassen-einmal mehr.
Eine gute Woche, mit Sonnenmomenten im Regen, Wärmendem in der Kälte wünscht
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Von der belasteten Kindheit zum besseren Leben-„…neu laufen lernen
Wie besprochen soll es in dieser Woche weiter um Menschen gehen, die von sich sagen, dass es ihnen nach einer schwierigen Kindheit heute besser geht; in Befragungen schildern sie ihren persönlichen Weg. Heute möchte ich Ihnen Frau L. vorstellen, eine Enddreißigerin, die ihren Beruf als Sozialarbeiterin aufgrund von Erschöpfungszuständen aufgeben musste. Ihre Mutter ist inzwischen trockene Alkoholikerin. Frau L. trifft diese etwa alle zwei Monate.
Vorher „Im Hamsterrad“
„…wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir selbst daran die Schuld.“
Jetzt: „Frieden“
„Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen…Ich musste ja bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten. Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.“
Für ihre Zukunft wünscht sie sich: „Das Leben genießen“
Wie hat es Frau L. geschafft?
Wie viele Erwachsene aus belasteten Familien ist bei Frau L. im Laufe ihrer KIndheit ihre Bewertungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt worden. In Familien, in denen Werte nicht klar sind, wo „richtig“ und „falsch“ in der Sucht etwa durcheinandergehen, wo „wichtig“ nicht mehr von „unwichtig“ zu unterscheiden ist, beginnen die Kinder oftmals zu schwimmen ( übrigens auch eine nachhaltige Lernbeeinträchtigung bei Kindern, die meist übersehen wird). Die grundlegende Orientierung geht verloren. Aus „Ich weiß nicht, was wichtig ist“ wird leicht: „Ich weiß nicht , was mir wichtig ist!“ und schließlich „Ich bin nicht wichtig!“Auch als Erwachsene tun sie sich dann mit Bewertungen schwer: sie können kaum ein Maß für ihre Belastungen finden, wissen nicht mehr, was zu viel ist;jede noch so kleine Entscheidung bringt sie in existenzielle Nöte: „Bloß nichts falsch machen“ und bitte alles so perfekt, dass es keinen Fehler zu bemängeln gibt. Über diesen Prozess ist Frau L. erschöpft. Belastungen mussten reduziert, Entscheidungen unterstützt und begleitet werden ( man könnte diesen Prozess auch als kindliche Nachnährung bezeichnen, im Sinne des AWOKADO-Hilfe-Konzeptes wurde „Orientierung“ angeboten). So fand sie aus ihrer Starre und Erschöpfung in ein selbstbestimmtes Leben zurück.
Geben Sie die Hoffnung nicht auf…wenn Sie mit einem belasteten Elternteil oder Partner leben oder gelebt haben: nutzenSie das Jetzt, um Ihren Weg neu und gut zu erträumen/imaginieren und ihn vielleicht auch bald tatsaechlich zu gehen.
Herzliche Grüße
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Mein bester Freund,mein wahrhaftigster Zeuge: wie Ihr Körper vom Gestern erzählt
Er weiss, was dir gut tut und was nicht.
Keiner kennt dich so wie er.
Er folgt dir treu auf Schritt und Tritt.
Er vergisst nicht.
Er leistet unfassbar viel für dich.
So einen Freund hätten sie gern an Ihrer Seite? Sie haben Ihn schon: Ihren Körper! Ihr Körper macht all das ein Leben lang: da er jedoch auch die Gefühle und Wahrheiten zu schwierigen Familiensitutionen erzählt, bezeugt und erinnert, steht er in belasteten Familien leicht in der feindlichen Ecke: der Körper wird kurzerhand zum Verräter erklärt, gerade da wo Fassaden aufgebaut werden. Kinder aus belasteten, tabuisierenden Familiensystemen verinnerlichen diese Sicht irgendwann: sie beäugen ihren eigenen Körper kritisch, misstrauisch, vertrauen ihm nicht… Die inzwischen verstorbene Tanztherapeutin Trude Schoop nannte den Körper in diesem Sinne eine „Klatschbase“.Und der Körper kann auch dann noch,vielleicht zum ersten Mal erzählen, wenn das Belastende lange vorbei ist. Wenn der Koerper sehr lange unerhoert bleibt, Körper und Seele nicht mehr weiterwissen, kann das in Krankheit münden: auch als Spätfolge im Erwachsenenalter.
Wie man doch noch gut Freund mit dem Körper werden kann, zeigt Hanne Seemann in ihrem lesenswerten Buch.
Und was hilft mir heute, fragen Sie sich zurecht,gerade jetzt in der Coronakrise,in der mein Koerper unter Stress steht,dauerangespannt ist?…wie würden Sie einen alten verletzten Freund behandeln? Vielleicht pflegen, zuhoeren,streicheln, verstehen, was ihm wiederfuhr, trösten?…Seien Sie heute gut zu Ihrem Freund, dem Körper…fragen Sie ihn nach seinen Wuenschen…das kann Ihre heutige CoronaKrisenKreativChallenge sein:denn gerade jetzt,wo andere ferner ruecken muessen,koennen wir uns selbst naeher kommen.Einen schoenen Tag wuenscht
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Stoppen Sie Ihre Selbstabwertung…ein guter Vorsatz für 2018
Sich selbst abzuwerten, ist Menschen mit Kindheitsbelastungen seltsam vertraut. Dies lässt sich entwicklungspsychologisch nachvollziehen: wer von klein an mit schwierigen Belastungen, etwa mit psychisch oder suchterkrankten Eltern aufwächst, bezieht das Verhalten der Erkrankten oftmals auf sich. Verhalten die ihn Umgebenden sich über lange Zeit „krankhaft“, so glaubt das Kind, das sich in der Phase des Egozentrismus befindet, für dieses Verhalten verantwortlich zu sein. Erfährt es in dieser Phase keine angemessene Auflösung (hält etwa das süchtige und für das Kind wenig befriedigende Verhalten der Eltern über lange Zeit an) , so kann dies zum lebensbegleitenden Thema werden. Irgendwann ist die eigene Abwertung und sich für alles Negative verantwortlich Fühlen so vertraut, dass es Betroffenen gleichsam zur zweiten Haut wird. Oft zieht Selbstabwertung ungesunde Selbstausbeutung nach sich. Ein Um-und Neulernen wird nötig. Vielleicht Ihr bester Vorstaz für 2018?
Herzliche Grüße
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Der Anker in meinem Körper – Kreative Selbsterfahrung
Wie achtsame Leser bemerkten, fehlte in einem Blogbeitrag noch die angekündigte Übung „Der Anker in meinem Körper“ zur Arbeit mit Gefühlen. Diese nun wie versprochen hier:
Kreative Selbsterfahrung: Der Anker in meinem Körper
Diese Methode möchte ich Ihnen hier zur Selbstanwendung vorstellen. Sprechen Sie diese Arbeit ggf. mit Ihrem Therapeuten ab, machen Sie die Übung nur, wenn Sie sich gerade stabil genug für neue Erfahrungen fühlen.
Diese Übung erfordert ein wenig Zeit und einen Ort, an dem Sie ungestört sein können...setzen oder legen Sie sich nun bequem hin. Achten Sie darauf, dass Sie nicht eingeengt werden und ihr Atem frei fließen kann….
Nehmen Sie nur wahr, wie Sie aus- und einatmen…nichts ändern müssen, alles sein lassen…Denken Sie nun , wie es sich anfühlt, wenn Sie sich ganz bei sich und mit sich eins fühlen. Vielleicht erinnern Sie auch eine entsprechende Situation. Wie hat sich Ihr Körper angefühlt dabei? An welchem Punkt in Ihrem Körper ist dieses Gefühl zu Hause? Stellen Sie sich nun, wenn diese Vorstellung angenehm ist, vor, wie Sie mit jedem Ausatemzug tiefer in Ihren Körper sinken und seiner inneren Weisheit folgen. Welche Körperstelle meldet sich, bewerten Sie nicht, auch wenn Ihnen diese Stelle ungewöhnlich erscheint…. Gehen Sie mit Ihrer Achtsamkeit zu dieser Stelle: wie fühlt es sich genau an, welche Farben sind hier zu sehen, welche Klänge zu hören? Nur wahrnehmen…. Wenn diese Stelle gut mit Ihren Händen erreichbar ist, so legen Sie eine Hand über diese Stelle. Nehmen Sie die Energie wahr…verbinden Sie sich mit dieser Stelle und der Hand, so wie es angenehm für Sie ist.
Wiederholen Sie diese Übung, wenn Sie sie angenehm erleben, ab sofort täglich.
Bei aufsteigenden unangenehmen Gefühlen können auch diese, nach einiger Übung im Körper, verortet und gewandelt werden ( z. B. bemerken sie: Wut sitzt heute in meinem Kiefer). Dann mit der stabilisierenden Stelle verbinden ( Wohlfühlstelle s.o., z.B. im Herzen), indem Sie sich vorstellen, die Energie aus der Wohlfühlstelle zur unangenhemen Körperstelle fließen zu lassen- auch eine Brücke, wie in Übung 1 , kann zwischen diesen Stellen imaginiert werden. Probieren Sie aus und wandeln Sie so ab, wie es Ihnen persönlich entspricht-.
Eine gute Zeit wünscht Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Von der belasteten Kindheit zum besseren Leben-„…neu laufen lernen“
Wie besprochen soll es in dieser Woche weiter um Menschen gehen, die von sich sagen, dass es ihnen nach einer schwierigen Kindheit heute besser geht; in Befragungen schildern sie ihren persönlichen Weg. Heute möchte ich Ihnen Frau L. vorstellen, eine Enddreißigerin, die ihren Beruf als Sozialarbeiterin aufgrund von Erschöpfungszuständen aufgeben musste. Ihre Mutter ist inzwischen trockene Alkoholikerin. Frau L. trifft diese etwa alle zwei Monate.
Vorher „Im Hamsterrad“
„…wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir selbst daran die Schuld.“
Jetzt: „Frieden“
„Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen…Ich musste ja bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten. Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.“
Für ihre Zukunft wünscht sie sich: „Das Leben genießen“
Wie hat es Frau L. geschafft?
Wie viele Erwachsene aus belasteten Familien ist bei Frau L. im Laufe ihrer KIndheit ihre Bewertungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt worden. In Familien, in denen Werte nicht klar sind, wo „richtig“ und „falsch“ in der Sucht etwa durcheinandergehen, wo „wichtig“ nicht mehr von „unwichtig“ zu unterscheiden ist, beginnen die Kinder oftmals zu schwimmen ( übrigens auch eine nachhaltige Lernbeeinträchtigung bei Kindern, die meist übersehen wird). Die grundlegende Orientierung geht verloren. Aus „Ich weiß nicht, was wichtig ist“ wird leicht: „Ich weiß nicht , was mir wichtig ist!“ und schließlich „Ich bin nicht wichtig!“Auch als Erwachsene tun sie sich dann mit Bewertungen schwer: sie können kaum ein Maß für ihre Belastungen finden, wissen nicht mehr, was zu viel ist;jede noch so kleine Entscheidung bringt sie in existenzielle Nöte: „Bloß nichts falsch machen“ und bitte alles so perfekt, dass es keinen Fehler zu bemängeln gibt. Über diesen Prozess ist Frau L. erschöpft. Belastungen mussten reduziert, Entscheidungen unterstützt und begleitet werden ( man könnte diesen Prozess auch als kindliche Nachnährung bezeichnen, im Sinne des AWOKADO-Hilfe-Konzeptes wurde „Orientierung“ angeboten). So fand sie aus ihrer Starre und Erschöpfung in ein selbstbestimmtes Leben zurück.
Geben Sie die Hoffnung nicht auf, wenn Sie mit einem belasteten Elternteil oder Partner leben oder gelebt haben: nutzen das Jetzt, um Ihren Weg neu und gut zu erträumen/imaginieren und ihn vielleicht auch bald tatsaechlich zu gehen.
Herzliche Grüße
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Leichtigkeit und Schwere haben sich zusammengefügt!“ oder wie Frau N.`s Leben besser gelingt
Menschen mit belasteten Kindheiten warten, nicht nur im Advent. Advent verbinden viele mit dem Warten auf das Licht. Christlich orientierte Menschen warten in der Adventszeit auf den Erlöser, den sie in Christus verkörpert sehen.Menschen mit Kindheitsbelastungen warten auf Heilung, auf ein besseres Leben – oft ist diese Besserung für sie gekoppelt an Veränderung erkrankter Elternteile oder Partner. Sie denken, dass ihr Leben nur besser sein kann, wenn etwa die Mutter aufhört zu trinken, der Vater nicht mehr so depressiv ist u.ä. Damit einher geht meist der Wunsch, dass der kindlich erlebte Mangel, schlechte Erfahrungen doch noch entschädigt werden, endlich Ruhe und Frieden einkehre; andere möchten endlich eine Beziehung erleben, in der sie so geliebt werden wie sind – anders als damals.
Wie haben Menschen es geschafft, die mächtigen Spuren des Gestern dennoch hinter sich zu lassen und heute besser zu leben? Dazu möchte ich Ihnen in den nächsten Wochen einige Menschen vorstellen, die ich auf kreativen Wegen interviewt habe und die auf ihre Weise ihren Weg zu einem besseren Leben schildern. Soviel vorab: Meist hatte das als besser empfundene Leben weniger mit der Veränderung des Angehörigen zu tun…
Beginnen wir mit einer jungen Frau, die ich hier Frau N. nennen möchte. Frau N. hat einen sozialen Studiengang abgeschlossen und ist aus ihrem Elternhaus erst kürzlich ausgezogen. Das war ein großer Schritt für sie. Ihr Vater ist Alkoholiker mit Dauerkonsum, „heimlich und heftig“, wie sie sagt, „mit allen Ausbrüchen und Auswüchsen, die man sich vorstellen kann“. Auch wenn er immer noch arbeite und ein bekannter Jurist in seiner Heimatsatdt sei: sein Alkohol-Doppelleben sei für die meisten Menschen wohl nicht vorstellbar, auch nicht seine heimische Cholerik. Um ihren Weg von der Zeit vor der Therapie bis heute zu schildern, wählt Frau N. Kunstdrucke, denen sie selbst Namen gibt.
Vor der Therapie „Stürzen“ (Kunstdruck von Frida Karlo)
„Ich war stumm und drohte zu erstarren. Ich hatte lauter ungute Männerbeziehungen und war nicht aus meinem Elternhaus abgelöst, fühlte mich für alles dort zuständig, während mir die Atmosphäre gar nicht gut tat. Ich hatte wenig Selbstbewusstsein, es fühlte sich an, als würde ich demnächst tief stürzen.“
Jetzt:„Dem Gipfel nahe“ (Kunstdruck v. C.D. Friedrich)
„Ich habe sehr viel geschafft, ich bin ausgezogen und viel selbstbewusster. Ich achte auf mich und spüre mich – ich schaue vom Gipfel in eine andere Welt, von der ich früher nur eine Ahnung hatte. Ich freue mich, dass ich das jetzt auch mit einem Partner, der mich achtet, teilen kann. Das ist neu. Ich fühle mich sehr leicht, Leichtigkeit und Schwere haben sich zusammengefügt. Ich habe eine eigene Familie und lebe in einer liebevollen Atmosphäre mit viel Zärtlichkeit, die mir so fremd war. Ich traue mich heute, mich auf mir liebe Menschen einzulassen. Ich habe einen Blick für meinn Leben – früher war ich nur mit meinen Eltern beschäftigt. Ich weiß jetzt, dass ich sie nicht ändern kann und auch nicht zuständig bin. Mir half, dass ich in der Therapie ernst genommen und so wieder achtsam für mich selbst wurde. Ich fühlte mich geschützt und unterstützt – in meiner eigenen Wahrnehmung- das hatte gefehlt.“ (zit. in Anlehnung an Barnowski-Geiser, W. :Hören, was niemand sieht).
Wie gelingt Frau N ihr neues Leben: sie musste etwas zurücklassen, in diesem Fall ihr Elternhaus und die damit verbundene ungute Dauernähe zum Suchtkranken und seinen Ausbrüchen. Sie musste Abstand zu ihrer eigenen Verantwortlichkeit gewinnen und demütig einsehen, dass sie die Situation der Eltern nicht wirklich ändern kann. Sie musste einen Blick für die Leichtigkeit neben der Schwere finden, achtsam für Leichtes werden und wirklich leichter leben.
Einen guten Start in eine Adventszeit mit wunderbaren Momenten wünscht
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
„Nicht müde werden“-Hilde Domin
„Nicht müde werden!“…wenn Sie in dieser Woche vielleicht von Tag zu Tag die Erzählungen der Kinder aus Suchtfamilien in diesem Blog verfolgt haben, dann konnten Sie lesen und wissen womöglich aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, dieser Aufforderung nachzukommen. An das Wunder glauben, die Hoffnung nicht aufgeben: eine schwierige Kunst für Kinder aus belasteten Familien. Wer von Kindestagen an in seinen ersten Bindungen und Erfahrungen, enttäuscht, angelogen, womöglich missbraucht wird, wer massive Angriffe auf Körper und Seele verkraften muss, und das in der eigenen Familie, dem Ort, an dem eigentlich Schutz und Geborgenheit erlernt werden sollte, für den kann es sehr schwierig sein, zu hoffen. Das Hoffen wil von all diesen Kindern bis ins Erwachsenenalter mühsam erarbeitet sein: Die früh erlernten Negativsätze müssen aktiv verwandelt werden. Wie der Hochspringer seinen Flopp müssen diese Kinder aus belasteten Familien das Glauben und Vertrauen ins Leben regelrecht einüben. Dazu gehört auch, das eigene Misstrauen ernst zu nehmen und nicht flüchtend in das Gegenteil zu verfallen: allem und allen eine rosarote Brille aufzusetzen.
Aus dieser inneren Arbeit kann dann meist eine neue Kraft erwachsen, die ich in Anlehnung an Hilde Domin die „Kraft des Dennoch“ nennen möchte. Sie ist für mich eine Meisterin der Kraft des Dennoch. Als Jüdin war sie zeitlebens Verfolgte, musste Deutschland verlassen, ihre Mutter kam in Auschwitz um: sie hat unglaubliche Worte für diese Kraft des Denoch gefunden ( Leseempfehlungen s.u.). Diese Kraft nahm sie, wie sie erzählte, aus dem, was sie in ihren Kindheitstagen mit ihren Eltern an Positivem erfahren durfte. Biografische Texte auch in Fast ein Lebenslauf
Ein eindrucksvolles Porträt der Dichterin von Regisseurin Anne Ditges, aktuell in der WDR Mediathek- sehenswert. Ich will dich
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche und Achtsamkeit für kleine oder große Wunder, die Ihnen „dennoch“ begegnen.
Leseempfehlungen…mehr zu den Büchern durch klicken aufs Cover
Vergessenen Kinder eine Stimme geben- Texte zur Coa-Aktionswoche 5
Raffaela, 13 Jahre:
„Ich habe jetzt einfach andere Wichtigkeiten!“
Vor der Therapie hatte ich viele Probleme mit meiner Mutter, ich dachte, dass ich schuld an allem bin. Ich war oft sehr, sehr traurig.
Es geht mir jetzt besser, ich achte mehr auf mich. Mir geht es gut, auch, wenn es meiner Mutter schlecht geht. Ich stürze nicht ab, wenn sie abstürzt, ich bin glücklicher. Ich kann mit meinen Freunden über ganz normale Sachen reden, ich bin nicht mehr nur voller Probleme, ich lache oft. Nachdem ich in der Therapie erzählt habe, was los ist, habe ich das auch ein paar anderen aus meiner Klasse gesagt, was mit Mama los ist. Die trösten mich jetzt, wenn was ist. Das hilft.
Ich habe jetzt einfach andere Wichtigkeiten. Familie, da ist so viel los, das lass ich hinter mir: ich konzentriere mich auf Freunde und Schule, dann geht’s mir gut. An dem anderen kann ich eh nichts machen.
Mein Zukunftswunsch ist, dass Mama clean ist und ich mit ihr zusammen wohnen kann.
Dein Körper: Ratgeber und Zeuge
copyright: Barnowski-Geiser
Viele Menschen suchen Rat: bei anderen Menschen, bei Gurus und Heilern, in Seminaren und Retreats, bei Coaches und Therapeuten, in Ratgeberbüchern, Fachzeitschriften… Die Liste scheint unendlich. Gerade, wenn die Kindheit Belastendes enthielt, ist vielen der Zugang zu einem wichtigen und zuverlässigen Ratgeber jedoch abhanden gekommen: zu ihrem Körper! Der Körper, der sie schon viele Jahre sehr weise begleitet.
Wenn man Menschen mit Kindheitsbelastung über ihren Körper befragt, etwa, was ihr Körper „möchte“, sind sie zunächst irritiert. Manche antworten dann, was sie denken, was ihr Körper fühlen sollte. Der unmittelbare Zugang zur Weisheit des Körpers ist dann lange Zeit, oft seit Kindheitstagen, gekappt. Im Körper liegen jedoch die Wegweiser und Quellen zu uns selbst bereit: sie müssen erhört werden. Oftmals erfährt der Körper erst dann Zuwendung, wenn massive Krankheiten aufgetreten sind oder wenn Schmerzen und Symptome auftreten, für die es keine körperlichen Erklärungen zu geben scheint. Wir können kaum „ganz“, „gesund“ oder „heil“ werden ohne unseren Körper.
Warum fällt Menschen mit Kindheitsbelastungen der Kontakt mit ihrem eigenen Körper oftmals so schwer? Der Körper vergisst nicht. In der leiborientierten Therapie sprechen wir auch vom Leibgedächtnis. Für Menschen mit belastenden Kindheitserfahrungen ist der Körper oftmals zu etwas Bedrohlichem, geworden, fast zu einem Feind, erzählt er doch das Schmerzliche, Schlimmes: das Herz raste immer wieder vor Angst, die Muskeln spannten sich ins Unermessliche nach und vor Verletzungen. Der Körper ist ein wahrhaftiger Zeuge aus der Kindheit. Deshalb sind viele belastete Menschen verständlicherweise vor ihrem eigenen Körper auf der Flucht. Bloß nicht mehr spüren müssen, was im Körper tobt. Das ist ein kräftezehrendes Unterfangen. Ein neuer Zugang muss gefunden werden: der Körper als Quelle von guten Erfahrungen, von Freude und Liebe. Menschen mit belasteter Kindheit müssen sich diesen Zugang zu den körperlichen Kraft-und Heilungsquellen wieder erarbeiten.
Der Körper ist eine „unerhörte Klatschbase!“, Tanztherapeutin Trude Schoop(1981):…komm und tanz mit mir!Ein Versuch, den psychotischen Menschen durch die Elmente des Tanzes zu helfen.
„Jedes Leben ist voller Illusionen, wohl weil uns die Wahrheit als unerträglich erscheint. Und doch ist uns die Wahrheit so unentbehrlich, dass wir ihren Verlust mit schweren Erkrankungen bezahlen.“ Alice Miller (1997): Das Drama des begabten Kindes. Eine Um-und Fortschreibung, S.11
„Körper scheinen das Ungesagte verdeckt zur Sprache zu bringen.“ Barnowski-Geiser (2009): Hören, was niemand sieht, S.158
Kreativ-Coaching Verbinde dich mit deinem Körper
Sie möchten diesen Zugang aktivieren? Versuchen Sie mit Liebe und Geduld erste Schritte: Nehmen Sie sich ab heute regelmäßig 5 Minuten Zeit, in denen sie nach einigen Atemzügen nur in ihren Körper hineinspüren. Nichts ändern müssen, nur sein lassen und den Körper von unten nach oben wahrnehmen, so wie er jetzt gerade ist. Seien Sie achtsam: wo fühlt es sich im Körper angenehm für Sie an? Verbinden Sie sich mit dieser Stelle… Fragen Sie Ihren Körper, was sie gerade jetzt Gutes für ihn tun können. Lassen Sie seine Antworten zu, auch wenn Sie nicht zu Ihrem erdachten Plan passen…nur 5 Minuten.
Wenn das Üben für Sie unangenehm ist, schauen Sie, was Ihnen den Zugang und das Üben erleichtern kann…gibt es Musik, die Ihnen hilft? Möchten sie beim Üben eher gehen als Liegen. Seien Sie kreativ in der Bewusstheit, dass Sie sich und Ihrem Körper die Zeit geben, die Sie eben brauchen. Wenn der bewusste Zugang zum Körper viele Jahre oder Jahrzehnte nicht möglich war, ist er jetzt nicht auf Knopfdruck „einfach da“… vielleicht tauschen Sie sich darüber mit einem vertrauten Menschen aus!
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche,
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Besser leben? Warum ein Atemzug, der Mount Everest und ein ungewöhnliches Früchtchen Ihre Helfer sein können.
Von Waltraut Barnowski-Geiser
Jetzt besser leben – das wollen die meisten Menschen! Vor allem natürlich wünschen das all jene, die in ihrer Kindheit Schweres erlebt haben. Oftmals haben aber gerade diese Menschen ihre Hoffnung auf ein besseres Leben aufgegeben. Soviel Enttäuschung, so viele leere Versprechungen haben sie bereits erlebt! Jetzt besser leben: „Wie könnte das gehen?“ fragen sie sich, und vor allem: „Wie sieht mein Weg zu einem besseren Leben aus?“ Denn: jede und jeder hat eine andere Vorstellung davon, was ein Leben zu einem besseren macht
…Vielleicht wollen Sie auf kreativem Weg etwas über Ihre persönliche Vorstellung erfahren.Dann könnte die folgende Übung hilfreich sein. Wenn Sie gerade Zeit nehmen wollen, dann starten Sie jetzt in die Übung. Sie können diese auch jetzt überspringen und später nach dem Lesen machen!
ÜbungMEINE Besser-Leben-Landschaft
Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit: schließen Sie, wenn Sie mögen, die Augen…nehmen Sie Ihren Atem wahr…wenigstens drei Atemzüge wahrnehmen: wie Sie ein und wieder ausatmen…
Nun lassen Sie vor Ihrem inneren Auge langsam eine Landschaft entstehen, in der Sie sich gut und glücklich fühlen. Wie duftet es hier, wie schmeckt es, welche Farben sehen Sie. Wie klingt es, welche Geräusche hören Sie? Lassen Sie sich ein wenig Zeit…vielleicht wollen Sie diese Landschaft später malen.
Kommentar zur Übung: Bilder können helfen, etwas zur Sprache zu bringen, für das wir noch keine Worte haben. Indem wir unsere Sinne aktivieren, aktivieren wir auch Potenziale, Sehnsüchte und Wünsche,die vielleicht längst vergessen schienen.
Flucht aus dem Jetzt
Viele Menschen mit Kindheitsbelastungen pendeln sich mehr schlecht als recht auf einem sie wenig befriedigenden Level ein: zwischen Vergessen und Verdrängen, zwischen Trauer und Zorn. Sie beschreiben, nichts mehr zu fühlen, oftmals allenfalls Leere. Das Fühlen des Unangenehmen wurde unbewusst aufgehoben, unglücklicher Weise aber auch das Fühlen von Schönem. Andere leben ständig im Gestern, wälzen schlimme Ereignisse von damals. Sie werden bis zum heutigen Tag von der Vorstellung gequält, an den Ereignissen der Kindheit Schuld zu tragen:
Ein trinkender Vater? Das erwachsene Suchtkind denkt, es hätte damals ein besseres Kind sein müssen, dann wäre der Vater nicht unglücklich gewesen und hätte folglich auch nicht trinken müssen.
Die Mutter, die in Depressionen aus dem Leben schied? Bestimmt hätte der Sohn vielmehr für sie Dasein müssen, ihr mehr Freude bereiten sollen, mehr und Besseres leisten sollen.
In diesen und anderen Gedankenketten sitzen Menschen fest.
Andere nehmen die Flucht nach vorn: sie leben in der Zukunft. Sie träumen, nicht nur ein bisschen und manchmal, sondern eigentlich immer und überall. Träumen hat sie als Kind gerettet, um dem Schlimmen zu entfliehen. Diesem Mechanismus können sie nun bis heute schwer entfliehen (manche haben bereits die Diagnose ADS/Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität erhalten): So träumen sie auch heute… von einem Traumprinzen, der so ganz anders ist als der enttäuschende Mann jetzt an ihrer Seite, anders als der Vater früher. Sie träumen von einer Zeit, in der sie endlich glücklich sind, weil sie zum Beispiel materiell unabhängig sein werden. Morgen, irgendwann in ferner Zukunft. wird alles besser sein. Und so warten sie und warten und warten, während das Leben an ihnen ungelebt vorbeizieht.
Mit einem Atenzug ins Jetzt
Bei all diesen Arten der Lebensbewältigung verpassen die Menschen etwas sehr Wesentliches: nämlich das Jetzt. Auch Glück findet immer gerade jetzt statt. Wenn keine Achtsamkeit für das Jetzt vorhanden ist, dann gehen kostbare Momente einfach verloren, dann rauscht das Glück vorbei, da es nicht einmal wahrgenommen wird.
Das Zurückerobern des Lebensglückes bedeutet, sich in das Jetzt zurückzutrauen.
Ein wichtiger Helfer in das Jetzt ist unser Atem: wahrnehmen, ohne jede Absicht und ohne jede Bewertung, wie der Atem einfließt und wie er wieder den Körper verlässt: Das ist die Brücke in die Gegenwart. Das klingt so einfach: und ist doch gerade für Menschen aus schwierigen Elternhäusern so schwer. Da damals das Jetzt so unangenehm war, haben sie, um ihre Seele zu retten, begonnen aus dem Jetzt zu fliehen. Und damals viel Lebensqualität verloren. Diese gilt es heute wieder zurückzugewinnen: und diesen Schritt können nur Sie selbst für sich tun. Vielleicht sagen Sie jetzt: „Ich habe viel zu tun, wann das noch?“ oder „Das fühlt sich so unangenehm an, wenn alles ruhig ist und ich mich spüre!“
Meditation ohne Geheimnnis
Es gibt viele Wege zur Achtsamkeit und Meditation. Als eine weise Lehrerin giltie buddhistische Nonne Ayya Khema (leider ist sie inzwischen längst verstorben, aber ihre Ausführungen sind auf youtube abrufbar) Ayya Khema vermittelt Meditation ohne Geheimnis, aus der ich hier nur sehr vereinfachend Wichtiges zusammengefasst und sehr gekürzt darstelle. Eine Einsicht lautet, dass alle Empfindungen vergehen, wenn man sie einfach nur beobachtet: so wie alles vergeht! Auch Gedanken lassen sich demnach beobachten, sie werden in dieser Praxis etikettiert – die vorbeiziehenden Gedanken erhalten gleichsam einen Karton, in den man sie steckt. So merkt der Meditierende, welche Kartons er meistens benutzt, sprich, womit er sich meist beschäftigt und lernst sich dabei selbst bestens (er)-kennen. Erwachsene Kinder aus Suchtfamilien beschreiben, mit ihren Gedanken ständig um einen ihnen wichtigen Menschen zu kreisen. Ihr Wohl hängt dann, so erleben sie es, von diesem einen Menschen ab – Abhängigkeit entsteht. Im Sinne der Lehre des Buddhas lässt sich hier als Methode anwenden: Etikettieren und Ersetzen. Eine spannende Idee! Probieren sie es aus: Wenn Sie an einen bestimmten Menschen denken, förmlich um ihn kreisen, sagen Sie innerlich „Stop!“ Ersetzen Sie diese Gedanken an den anderen, indem Sie zu sich selbst zurückkehren: Achten Sie auf Ihren Atem, nehmen Sie wahr, was Sie gerade spüren. Und in einem weiteren Schritt erspüren Sie, was sie selbst jetzt gerade brauchen.
Es gibt viele unterschiedliche Verfahren und Wege, um Achtsamkeit zu erlernen. Neben alten Lehren wie dem Buddhismus (hier auch Thich Nhat Hanh), unterschiedlichen Formen im Yoga usw. gibt es diese Ansätze auch in modernen Therapieverfahren, wie etwa dem MBSR nach Kabat-Zinn, der Hypnotherapie nach Milton Ericson oder auch im Integrativen und Hypnosystemischen Therapieverfahren. Suchen Sie im Vertrauen auf sich selbst den für Sie passenden Weg. Es gibt viele Cds und Bücher. zu diesem Feld, die Ihnen Hilfe anbieten können.
AWAOKADO…was für ein Früchtchen!
In meinen Befragungen von Erwachsenen und Kindern aus Suchtfamilien (Barnowski-Geiser 2009) beschrieben Menschen neben der Achtsamkeit sechs weitere Faktoren, die Ihnen auf dem Weg zu einem besseren Leben geholfen haben:
A chtsamkeit
W ürdigung der Kindheitsbelastungen, aber auch der eigenen Stärken
O rientierung finden, einen eigenen Standpunkt
K reativität und Ausdruck
A nklang und Beziehung
D eckung und De-Parenting ( Sicherer Raum und Kind sein dürfen)
O ffenheit und Öffnung
Sie haben es wahrscheinlich schon gesehen: die Anfangsbuchstaben ergeben in der Vertikalen das Wort AWOKADO und erinnern somit an eine kleine sehr heilsame Frucht. Ihre große Wirkung entfaltet diese Frucht, so wird es von Betroffenen beschrieben, indem man sie dosiert einsetzt. Das gilt auch für Sie und den Beginn Ihrer Veränderung hin zu einem besseren Leben. Dosiert sollten Sie, vertrauen wir den Erfahrungen, beginnen: der erste Baustein ist Achtsamkeit (vgl. Das AWOKADO-Hilfe-Konzept in Barnowski-Geiser/2015:Vater,Mutter,Sucht. Wie erwachsene Kinder suchtkranker Kinder trotzdem ihr Glück finden). Achtsam ist gleichsam die Mutter der Heilung!
Jetzt starten…schließlich haben Sie schon den Mount Everst bestiegen!
Alle große Veränderung, auch in Ihrem Leben, beginnt mit einem kleinen Schritt. Diesen können Sie gerade heute tun. Atmen Sie sich für Augenblicke ins Jetzt und steigern Sie diese Zeit innerhalb der nächsten Tage, wenn wir uns hier wieder treffen. Ich bin sicher: Wenn Sie den Weg auf diese Seite gefunden haben, dann haben Sie in ihrer Kindheit viel zu früh Großes geleistet. Sie haben wahrscheinlich schon ganz früh, um einen Vergleich zu wählen, den Mount Everest bestiegen. Nur: Das hat Ihnen niemand gesagt, man hat Ihnen erst recht nicht gedankt, weil vielleicht die Probleme ihrer Eltern, um die sie sich viel zu früh kümmern mussten, angeblich gar nicht vorhanden waren. Tabuisieren war dann der Weg ihrer Eltern; Ihre Eltern haben es nicht anders geschafft. Es ist wichtig, aus dieser familiären Negativkette auszusteigen, damit Sie Neues an ihre Kinder und Partner weitergegeben können. Mit nur einem Atemzug kann Neues in ihr Leben und das Leben Ihrer Familie treten.