Coronakrisen-Challenge: nicht nur überleben, auch Er-Leben

Guten Morgen! Ich hoffe, Sie hatten eine gute oder zumindest erträgliche Nachtruhe. Vielleicht sind Sie auch mit Sorgen und Gedanken rund um die aktuelle Corona-Krise erwacht- damit sind Sie nicht allein, es wird von vielen Menschen berichtet, dass sie sich für Momente immer wieder von Angstwellen geflutet fühlen – wie KIndheitsbelastungen und das Erleben der Corona-Krise zusammenhängen, dazu habe ich ja gestern im Blogbeitrag  einiges erläutert. Deshalb auch heute wieder ein Impuls von hier mit einer kreativen Übung für Sie, vielleicht auch für Sie und Ihre Lieben/Kinder am Ende des Beitrags.

Kontaktverbot, in einigen Bundesländern auch Ausgangssperre genannt. Während ich heute Morgen meine Zeilen an Sie richte, frage ich mich natürlich, an wen ich schreibe: da Sie diese Seiten besuchen, vielleicht sogar regelmäßig, gehe ich davon aus, dass Sie zur Gruppe der Menschen gehören, die Belastendes oder sogar schwer Belastendes in der Kindheit erlebt hat. Bei vielen liegt  die Belastung schon einige Zeit zurück, sie fühlen sich aber im Heute trotz erfolgreicher Lebensbewältigung (an gängigen äußeren Kriterien gemessen) schwer und „nicht richtig“. Und nun auch noch Corona! Womöglich stecken Sie auch aktuell noch  in der schwierigen Verbindung mit kranken/schwierigen Eltern fest, gerade in der nun schweren Krise im Aussen müssen Sie vielleicht umso schmerzlicher feststellen, dass Reden, MIteinander Krise handeln ( wie gehen wir mit Besuchen/Kontakt) um, einmal mehr nicht besprechbar sind. Alte Verletzungen schwappen hoch, sie resignieren allmählich. Sie ahnen, das süchtige Elternteil wird nun noch mehr trinken, die coabhängige Beziehung der alten Eltern wird sich zuspitzen: und sie können wenig tun. Wie gut Sie dies nun alles handeln können, wird auch davon abhängen, in welcher aktuellen Bezeihungsform Sie sich befinden. Vielleicht leben Sie schon lange allein und Kontaktreduzierungen stellen für Sie keine große Veränderung dar. Vielleicht haben Sie eine eigene Familie aufgebaut, in der Sie Halt und Austausch finden ( vielleicht aktuell virtuell nur, aber immerhin), vielleicht leben Sie mit süchtigen oder schwer belastenden Menschen zusammen: eine besondere Herausforderung, in der Sie sehr genau auf Ihren eigenen Schutz und Rückzug innerhalb der vielleicht engen vier Wände achten müssen. Natur-fluchten und Kontaktstellen, zumindest per Telefon, müssen Sie in der Hinterhand bereithalten – .In welcher Lebenssituation Menschen aus belasteten Familien auch stecken, eines durfte ich immer wieder feststellen: Sie sind wahre Meister und Meisterinnen der Krisenbewältigung, finden schnell kreative Lösungen, sie sind beste Alltagsmanager und diejenigen, die in den schwierigsten Situationen die Komik finden (  nach Barnowski-Geiser: Vater, Mutter, Sucht 2015). All die Menschen, mit denen ich in meiner Praxis arbeiten durfte,  konnten blitzzschnell vom tiefsten Leid in die Freude des Augenblicks springen, heiter sein im Dennoch, Spielfreude entwickeln und tief erleben. Sie alle hatten neben ihrem Leiden auch gelernt, nicht nur „dumpf“ zu überleben, sondern in Freude zu er-leben.

Je länger Belastungen andauern, umso stärker geht oft das Bewusstsein für diese Stärke, für die Er-lebenskunst verloren- nach meinen Erfahrungen ist sie aber immer vorhanden. Manchmal muss diese Fähigkeit mantraartig gedanklich-wörtlich wiederholend belebt werden ( etwa: ich bin eine Meisterin der Krisenbewältigung o.ä.) und braucht vor allem erstmal Raum und Zeit. So wuensche ich Ihnen in diesen Tagen die Zeit und Muße, sich diesen ihren persönlichen Staerkenerleben-statt-uberleben und Freuden im Dennoch zu widmen. Oft sind diese Zugänge nicht allein durch das Denken zu öffnen, sondern durch Schreiben, Musik oder im Bewegen und Tanzen.Vielleicht probieren Sie es aktiv aus in der Corona-Dennoch-KreativChallenge ( geht übrigens auch prima gemeinsam mit Kindern)

Corona-Dennoch-KreativChallenge: Suchen Sie heute 3 Musikstücke, mit denen Sie sich wohlfühlen ( machen mehrere mit, darf jede/r ein Stück aussuchen). Hören Sie diese jeweils 2 Mal an, nutzen sie den zweiten Durchgang, sich von der Musik bewegen zu lassen ( das geht auch im Sitzen), summen sie mit und malen Sie anschließend eine Farbe oder ein Symbol auf ein Blatt, das Sie aus der Musik mitnehmen möchten. Geben Sie dieser Gestaltung einen Titel und einen würdigen Platz.

Viel Freude im Dennoch,

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Hören, was niemand sieht.Kreativ zur Sprache bringen, was Kinder und Erwachsene aus alkoholbelasteten Familien bewegt

Kinder aus alkoholbelasteten Familien erleben täglich Krisen, die von ihren Eltern oftmals verleugnet und von ihrem Umfeld nicht wahrgenommen werden – mit teil großen Folgen für ihr Leben und Erleben. Im Buch werden praxisnahe Hilfen und kreativtherapeutische Wege für diese vergessene Hochrisikogruppe aufgezeigt. Grundlage dieses Buches ist meine Dissertation zur leiborientierten Musiktherapie an der Hochschule für Musik und Theater/Institut für Musiktherapie der Universität Hamburg.

Semnos-Verlag, 2009, 320 Seiten, 19,50€

„Wenn man dieses Buch gelesen hat, lichtet sich der Nebel, der immer wieder über dem Thema Alkoholismus schwebt, das Diffuse wird klarer, das Unfassbare greifbarer…Die Tendenz wegzuschauen, einem unangenehmen Thema, das Ohnmacht und Hilflosigkeit hervorruft, aus dem Weg zu gehen, verwandelt sich in einen starken Wunsch nach tatkräftigem Handeln.“

Ute Torspecken amazon Rezension