Vom unstillbaren Hunger der Kindheitsbelasteten-Still-Wochenimpuls der etwas anderen Art

„Das kleine Kind, das etwas erlitten hat, wohnt weiter in uns Erwachsenen: Je mehr es erlitten hat. je mehr es vernachlässigt und überhört wurde, umso mehr braucht es unsere Aufmerksamkeit heute“ (Barnowski-Geiser/Geiser-Heinrichs 2017: Meine schwierige Mutter. Das Buch für erwachsene Töchter und Söhne. Klett-Cotta).

„Ich esse und esse und werde nicht satt!“, erzählt eine 33jährige junge Frau, inzwischen Mutter zweier Kleinkinder. „Und für dieses Schlingen und essen schäme ich mich dann so sehr…ich mag auch nicht darüber reden. Ich habe schon viele Diäten probiert, das nützt nichts. Ich versage immer wieder!“

Bei manchen Menschen hilft Zum Verständnis der „Störung“ der Blick auf ihre emotionale Lage, die emotionale Biografie, also die Geschichte ihrer Gefühle und Stimmungen. Manchmal haben derartige Essprobleme ihre Wurzeln in der Kindheit. Frau R. ist erwachsene Tochter eines Alkoholikers. Diese Frauen tragen, so zeigen Forschungen, ein erhöhtes Risiko, Ess-Störungen zu entwickeln. Frau R. versucht ihr Problem über eine vertraute Strategie zu lösen: durch erhöhte Kontrolle. Sie gerät in einen unguten Kreislauf zwischen Maßlosigkeit,Kontrolle, Scham. Obwohl sie relativ normalgewichtig ist, schämt sie sich inzwischen für ihren Körper und hat immer weniger Selbstbewusstsein. Ihr neuer Weg setzt auf einer tieferen Ebene an. Dieser neue Weg führt über Zu-und Hinwendung. Frau R. mag das täglich als Programm üben, indem sie jeweils mittags und vor größeren Mahlzeiten folgende Übung durchführt:

1.Atem beruhigen und wahrnehmen: wie fühle ich mich gerade? (Frau R. malt das in ein Kreatives Begleitbuch als Farbe)

2. Was brauche ich jetzt? ( Frau R. gestaltet auch dies farbig)

3.Was kann ich für mich tun, was tut mir gut? Frage beantworten und aktiv Tun

Diese und andere Übungen klingen einfach: für Kindheitsbelastete sind Sie oft gefühlt der Mount Everest. Diese Übungen können Sie, regelmäßig angewendet, effektiv unterstützen ( weitere Kreative Selbsterfahrungsübungen auf dieser Seite und in meinen Büchern.

Übrigens ist das ebenso ein Männerthema: Söhne trinkender Väter haben ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst zu Alkoholikern zu werden.  Der Kern des Problems ist in diesen Fällen derselbe: statt Essen wird hier Trinken eingesetzt. Die vorab beschriebene Übung ist hier ebenso sinnvoll. Und: emotionaler Hunger ( hier aus Kindheitstagen) betrifft nicht nur Menschen aus Suchtfamilien.

Ich wünsche Ihnen Zeit, in sich hineinzuspüren, Ihren Bedürfnissen zu folgen und den Mut, Neues zu probieren: es lohnt sich!

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Von der belasteten Kindheit zum besseren Leben-„…neu laufen lernen

Wie besprochen soll es in dieser Woche weiter um Menschen gehen, die von sich sagen, dass es ihnen nach einer schwierigen Kindheit heute besser geht; in Befragungen schildern sie ihren persönlichen Weg. Heute möchte ich  Ihnen Frau L. vorstellen, eine Enddreißigerin, die ihren Beruf als Sozialarbeiterin aufgrund von Erschöpfungszuständen aufgeben musste. Ihre Mutter ist inzwischen trockene Alkoholikerin. Frau L. trifft diese etwa alle zwei Monate.

Vorher „Im Hamsterrad“

„…wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir selbst daran die Schuld.“

Jetzt: „Frieden“

„Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen…Ich musste ja bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten. Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.“

 Für ihre Zukunft wünscht sie sich: „Das Leben genießen“

Wie hat es Frau L. geschafft?

Wie viele Erwachsene aus belasteten Familien ist bei Frau L. im Laufe ihrer KIndheit ihre Bewertungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt worden. In Familien, in denen Werte nicht klar sind, wo „richtig“ und „falsch“ in der Sucht etwa durcheinandergehen, wo „wichtig“ nicht mehr von „unwichtig“ zu unterscheiden ist, beginnen die Kinder oftmals zu schwimmen ( übrigens auch eine nachhaltige Lernbeeinträchtigung bei Kindern, die meist übersehen wird). Die grundlegende Orientierung geht verloren. Aus  „Ich weiß nicht, was wichtig ist“ wird leicht: „Ich weiß nicht , was mir wichtig ist!“ und schließlich „Ich bin nicht wichtig!“Auch als Erwachsene tun sie sich dann mit  Bewertungen schwer: sie können kaum ein Maß für ihre Belastungen finden, wissen nicht mehr, was zu viel ist;jede noch so kleine Entscheidung bringt sie in existenzielle Nöte: „Bloß nichts falsch machen“ und bitte alles so perfekt, dass es keinen Fehler zu bemängeln gibt. Über diesen Prozess ist Frau L. erschöpft. Belastungen mussten reduziert, Entscheidungen unterstützt und begleitet werden ( man könnte diesen Prozess auch als kindliche Nachnährung bezeichnen, im Sinne des AWOKADO-Hilfe-Konzeptes wurde „Orientierung“ angeboten). So fand sie aus ihrer Starre und Erschöpfung in ein selbstbestimmtes Leben zurück.

Geben  Sie die Hoffnung nicht auf…wenn Sie mit einem belasteten Elternteil oder Partner leben oder gelebt haben: nutzenSie das Jetzt, um Ihren Weg neu und gut zu erträumen/imaginieren und ihn vielleicht auch bald tatsaechlich zu gehen.

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser