Selbstfürsorge- die Challenge für Krisenkinder

Krisen passieren. Sie treffen Menschen unterschiedlich: wie Krisen verarbeitet werden, hängt vom individuellen Erleben ab. Jeder Mensch trägt biografische Spuren in sich; auf diesen begangenen Boden fällt das Krisenereignis und wird dementsprechend bewertet.

Wie gehen Sie mit Krisen um?
Die Coronakrise passiert vielen Menschen auf der ganzen Welt sie trifft dort auf sehr unterschiedliche Vorbedingungen ( vor allem auch Bedingungen des Gesundheits-und Sozialsystems) und auf individuelle Geschichte. Erwachsene aus belasteten Familien haben in der Regel viele Krisen in der Familie erlebt. Wie gut sie diese überstanden haben, hängt von ihren Widerstandskräften ( auch Resilienz) genannt und ihren besonderen Verletzlichkeiten (als Vulnerabilität in der Fachsprache Bezeichnet) ab. Sind in den Krisenzeiten tiefe Verletzungen entstanden ( Traumata sogar), dann springen die Symptome aus den alten Zeiten leicht bei neuen Krisen wieder an: d.h., das Herzrasen, das Erstarren, das Nicht-mehr-zur-Ruhe-KOmmen etc, scheint grundlos aufzutreten: gerade zu Beginn der Coronakrise fühlten sich viele Betroffene in einem eigentümlichen Taumel, einem Schwebezustand zwischen Wirklichkeit und Traum. „Das kann doch nicht wahr sein“ und „Wielange dauert das denn noch? waren oft zu hörende Fragen.

Krisentypologien und Phasen
Parallelen zwischen der aktuellen Coronakrise und Kindheitsbelastungen sind augenfällig. Jetzt scheint diese Covid-Krisensituation Normalität zu werden, so geht es auch vielen Menschen in suchtbelasteten Familien: die elterliche Sucht/Krankheit ist immer da, aber sie muss in den HIntergrund gedrängt werden, um ein Funktionieren zu ermöglichen. Dieses Funktionieren am Krisenrand kostet Kraft, deutlich mehr Kraft als Zeiten ohne Krisenbelastung, chronifiziert über Jahre und Jahrzehnte wird es verzehrend: und jeder und jede fühlt sich unterschiedlich stark belastet. Mit der Suchtproblematik verbindet die Coronakrise viel: auch hier weiß man nicht, wann es wieder aufhört, ob es in der eigenen Region ,im eigenen Körper begonnen wird und selbst die Phasen der nachlassenden Ansteckung können das „Vor der nächsten Krise“ bedeuten.
IN meinen Untersuchungen zur Krisenbelastung fand ich folgende Typologien der Alkoholbelastung, die sich teils auch auf die Coronakrise übertragen lassen:

Schleichende Krisenbelastung:
Man weiß nichts Genaues, „vielleicht ist es gar kein schlimmes Virus“

Dauerhafte Krisenbelastung /Menschen beginnen, mit der Belastung zu leben
Tabuisierte Krisenbelastung /“Es ist doch gar nichts“
Partielle Enttabuisierung ( insbes. bei Suchterkrankungen, die Familienmitglieder beginnen über die Suchtbelastung zu sprechen)
Enttabuisierung und öffentlich Werden
(Die Familie sucht Verbündete im Außen)

Mehrfachbelastung/Mehrfachabhängigkeit (Mehrere Belastungen sind gleichzeitig zu tragen)

Lösungsbelastung (die Belastung und erlittene Wunden wirken nach, oft Jahre)

Es kann wichtig für Sie sein, festzustellen, in welcher Krisensituation Sie sich gerade befinden: vielleicht in der dauerhaften Coronabelastung und der Lösungsbelastung der zurückliegenden Kindheitsbeschwernisse? Dann ist das ein dickes Paket, aber wichtig ist nun auch die Frage: was hat Sie eigentlich immer durchgetragen, worauf konnten Sie sich bei sich selbst doch schlußendlich immer verlassen? Oder die Kindheitsbelastung dauert bis ins Heute und andere Krisen kamen immer wieder erschwerend hinzu? Wahrscheinlich sind Sie, auch wenn es sich nicht so anfühlt, Meister und Meisterinnen der Krisenbewältigung – wichtig jedoch, dass Sie sich selbst wieder in den Blick bekommen und auch kleinste Spielräume nutzen, etwas für sich selbst zu tun. Selbstfürsorge scheint mir dafür ein pasendes Wort.

Passen Sie auf sich auf,
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser