„Dennoch…Heimat!“ – Unser Projekt
Künstler der Region solidarisieren sich mit den von Umsiedlung Betroffenen:
Billa, lass uns tanzen bis der Bagger kommt/ Klang-Wort-Reise an einen Nichtort
Nicht nur der oben im Bild noch zu sehende Immerather Dom ist den Baggern rund um unsere Heimatstadt Erkelenz dem Tagebau zum Opfer gefallen. Wenn die politischen Schlachten verloren scheinen, bleiben die Menschen in den Orten allein zurück. Hier wollten wir etwas tun.
Resümee eines künstlerischen Projektes am Tagebaurand 2013
Der Akkordeonist wird vermisst. Verspätet trifft er zur Anspielprobe in Erkelenz-Immerath ein. Wenn er, so erzählt er später, aus Aachen kommend, den Ort Immerath in sein Navigationsgerät eingibt, wird er gnadenlos gleichmütig immer wieder in Richtung Erkelenz geleitet, wohl, wie er später bemerkt,nach Immerath-Neu. Auch die Angabe des Probeortes St. Lambertus Immerath-Fehlanzeige! Das alte Immerath, das Menschen rund um Erkelenz seit Hunderten von Jahren kennen, gibt es hier in der medialen Welt bereits nicht mehr. Gelöscht- zum Nicht-Ort degradiert.
Kann man an einem Nicht-Ort ein künstlerisches Projekt starten, so fragen wir uns in der Vorbereitungsphase – an einer Stätte des erfolgten oder drohenden Heimatverlustes, von der die Bewohner bereits vor den Baggern flüchten mussten, und bald auch der Abriss der Häuser, inclusive der Kirche, erfolgen wird oder ist die Mitgestaltung und Spiegelung der ihn umgebenden Welt nicht sogar oberste Pflicht der künstlerisch Tätigen?… Kann Kunst an einem Nichtort Sinn stiften? Oder ist Sinn gleichsam im nicht enden zu scheinenden Loch der Baggerweite verschwunden, weggebaggert? Fragen über Fragen-
Wenn die politischen Schlachten verloren scheinen, dann drohen Betroffene, die Verlierer, mit ihren Gefühlen und den Folgen von Entscheidungen allein zu bleiben. Um diesem unsäglichen Verlauf etwas entgegenzusetzen, hatten sich KünstlerInnen der Region um Erkelenz gemeinsam aufgemacht. Das Duo EigenArts und Franz-Josef Semrau, Maria Bubenitschek setzten sich zusammen – Seelsorge und Kunst rückten in diesen Vorgesprächen näher zusammen: wir wollen die Menschen nicht alleine lassen, lautet unsere Essenz. Ein schwieriges Unterfangen: Wie kann man die Gefühle der Betroffenen zur Sprache bringen, ohne sie in Abgründe zu stürzen, die sie gerade teils durchleben? Denn, wie auch immer ein Heimatverlust individuell erlebt wird: es ist für die meisten Menschen ein einschneidender Akt. Und wer wird ein solches Konzert am Abbauort besuchen? Gerade die Betroffenen selbst mögen sich unter Umständen in ihrer Verbitterung nicht mehr dorthin aufmachen, wo sie alles zurücklassen müssen, ihren Kampf gegen die Bagger verloren haben.
So setzen wir in unseren ersten Überlegungen auf die Synergien der verschiedenen Künste, Tanz, Musik, Kunst, Fotografie sollen sich zu einer künstlerischen Trilogie reihen. So setzen wir uns mit Künstlerinnen der verschiedenen Richtungen an einen Tisch, planen , holen Mediengestalter dazu – als das Konzept eine Kontur bekommt, verstirbt einer der Visionäre, F.J.Semrau, plötzlich und völlig unerwartet. Nach Schock und Lähmung über das neuerliche Abschiednehmen beim Abschied Gestalten wird klar: wir wollen diesen Geist, der zusammen mit Semrau entstanden ist, fortführen. In reduzierter Form. Eine Trilogie übersteigt nun die noch verbleibenden Ressourcen. Die Pfarre springt als Organisatorin zur Seite, ebenso der Heimatverein. Ein Mundartabend, anknüpfend an den Song „Wir wäde fottjebaggert“, eröffnet die auf zwei Veranstaltungen „Dennoch…Heimat“ im zum Abriss anstehenden Immerather Dom – eine vollständig besetzte Kirche wie auch am zweiten Abend. „Billa, lass uns tanzen“, der auslösende Song wird an jedem der Abende eingespielt. Die Resonanzen geben den Veranstaltern recht. Wir können die Bagger nicht aufhalten, so der Tenor der Besucher im Anschluss, noch nicht, aber wir können einen Geist der Solidarität schaffen und erhalten. Von der Kraft der Liebe und Managermoral (Duo EigenARTs), vom gehalten Sein in etwas Größerem, von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Hoffnung erzählen die eigens komponierten Songs. Immer wieder während der Konzerte unvergessene Momente, während derer BesucherInnen und Vortragende gemeinsam in einem Ozean zu schwimmen scheinen – das Größere, das trägt…. Beinahe sphärisch als alle Mitwirkenden die Ballade der Immerather Eiche musizieren, Melissa Mc Cauleys wehmütiger Sopran wird niemandem so schnell mehr aus dem Ohr gehen: Heimat, zu Haus sein… nicht allein sein. Teil von dir. Beim letzten Stück Billa lass uns tanzen, erheben sich die Menschen und singen mit. Ein Kosmos der Hoffnung öffnet sich, Ergriffenheit in geeinter Kraft. Und manch ein Besucher, so wird erzählt, summt noch viele Tage Nachklänge dieses ungewöhnlichen Abends, mitten vor der Abrissbirne.
Es hat sich gelohnt, bei den Menschen zu sein.Wir danken allen, die zum Projektgelingen beigetragen haben, vor allem Elke Schnyder, Maria Bubenitschek und dem verstorbenen Franz-Josef Semrau sowie dem Heimatverein der Erkelenzer Lande, vertreten durch Herrn Merkens.
Drei Wochen nach unserem Auftritt im Immerather Dom erreicht uns die Nachricht, dass RWE Garzweiler vielleicht aufgeben wolle, dann verkleinern und schließlich nie erwartet: das Dorf Holzweiler, Heimatdorf unserer Chorsänger, soll erhalten bleiben.
„Sie haben das Lebensgefühl der Menschen in der Region exakt auf den Punkt gebracht und ich danke Ihnen für ein Wort, das mich nun trägt: Dennoch!“
Konzertbesucher nach unserem letzten Konzert im Immerather Dom
Trailer
Ausschnitt aus dem letzten Konzert im Immerather Dom
2020 Die Heimat ist weiter bedroht
Auch 2020 ist die Lage angespannt. Weiterhin sind 5 Dörfer rund um Erkelenz vom Abbaggern bedroht – und damit auch die Menschen, die dort leben… und Tierwelt und Natur. Die Diskussionen laufen kontrovers. Teils haben sich die Menschen, die bereits ihre Heimat verlassen mussten, nun in ihren neuen Dörfern eingerichtet und wollen den geführten Kampf um den Erhalt der Heimat einfach vergessen. Das ist verständlich. Ein anderer Teil will die Heimat, die sie noch bewohnt, nicht aufgeben, da sie hier teils seit Jahrhunderten ansässig sind: verständlich. Studien belegen, dass die Kohle unter diesen 5 Dörfern um Erkelenz nicht mehr zwingend benötigt werde.Im Angesicht der nicht mehr zu leugnenden Klimakrise ist das weitere Abbaggern für uns nicht verständlich – Emissionen aus fossilen Energien, wie sie aus der Braunkohle stammen, beschleunigen die ungute Entwicklung für unseren Planeten.Unsere Chorfreunde Gospelvoices Holzweiler (unser Chor der Betroffenen) drohen nun in eine Insellage zu geraten – die Bagger kommen von zwei Seiten, förmlich umzingelnd, auf das Dorf zu und die Abstände zum Grubenrand sollen bei nur 400 Metern liegen- das ist eine sehr schwierige und wenig attaraktive Lebenssituation.Unser Projekt konnten wir an verschiedenen Orten präsentieren, bei Initiativen (Buirer für Buir), bei Kundgebungen und Demos, beim Projekt Heimat der Universität Düsseldorf, in Konzerten zum gleichnamigen Thema oder auch in Ausschnitten.. Unser Song „Billa, lass uns tanzen“ reist teils schon ohne uns und wird von anderen auf Demos gesungen.Billa tanzt weiter,wir singen weiter: für den Erhalt unserer Heimat, unseres Planeten, für Menschlichkeit und für das, was uns verbindet. Vielleicht ja auch bald mit Euch und Ihnen. Sprechen Sie uns gern an.
Songs rund um diese Tagebau/Umweltproblematik
„Tabatei“, „Kinderhaende“, „Manchmal“ , „Das könnte auch dein Kind sein“ ,Bonustrack „Billa, lass uns tanzen“ finden Sie auf der neu erschienen Cd 2020 „dennoch“.
Die Chansons „sattgrünhimmelblau“, „Ballade der Immerather Eiche“, „Frens“ sowie „Billa, lass uns tanzen“ in der Chorversion finden Sie auf unserer Cd zum Projekt „Dennoch…Heimat“- Musik vom Tagebaurand, herausgegeben vom Heimatverein der Erkelenzer Lande
Künstler der Region solidarisieren sich mit den Betroffenen.
Das Verschwinden der Dörfer rund um Erkelenz in Klang und Wort.
Mitwirkende:
Herausgeber: Heimatverein der Erkelenzer Lande
Mitwirkende:
Duo EigenArts mit
GospelVoices Holzweiler, Ltg. Klaus Hurtz
Mc Cauley-Irle, Singer-Songwriter/Sopran
Hejoe Schenkelberg, Akkordeon
Micki und Theo Schläger, Gesang&Keyboard
Rezension http://heimatverein-erkelenz.de/heimatverein/medien/publikationen/