Gute Worte in schwierigen Zeiten – ein Perspektivwechsel

„Der Not ist jede Lust entsprossen, und unter Schmerzen nur gedeiht
 Das Liebste, was mein Herz genossen.
Der holde Reiz der Menschlichkeit. (Hölderlin)

 

Kennen Sie das auch, dass Sie in diesen Tagen verzweifelt auf der Suche nach Inhalten sind, die nichts mit Corona zu tun haben? Fernseher anstellen und verzweifelt zappen, die Tageszeitung durchforsten…die Infolage ist bestimmt von Dauer-Kriseninfos. Wenn Sie auch zu den Suchenden nach Gutem gehören, ist diese Suche wahrscheinlich ein probater Rettungsversuch von Leib und Seele: ein versuchter Perspektivwechsel. Somit eine gesunde Regung! Denn: Eine grundlegende Fähigkeit, um eine Krise gut zu überstehen, scheint die Fähigkeit zu sein, eine andere Sichtweise einzunehmen, einen Perspektivwechsel vollziehen zu können. Diesen Perspektivwechsel möchte ich Ihnen heute als kleinen verbalen Kurztrip durch resümierende Gedanken, die ich bei SchriftstellerInnen und FachkollegInnen fand, anbieten.

Allein-Sein als Chance

Einsamkeit ist ein Corona-Thema. In der augenblicklichen Krise wird zur sozialen Distanzierung aufgefordert, bis hin zur einsamen Quarantäne genötigt. Das Thema Isolation hat immer schon eine Rolle in menschlichen Leben gespielt. So soll der Dichter Hölderlin dreißig Jahre allein in seinem Turm zugebracht haben, um sich so ganz seinen Betrachtungen hinzugeben und pointiert „Es ist nichts so klein und wenig, dass man sich nicht begeistern könnte“. Eine Vielzahl an Texten sind entstanden, Quellen der Inspiration aus dem „mit sich Sein“. Pascal Blaise sieht vor einigen Jahrhunderten die Zimmerflucht gar als Wurzel allen Übels. „Alles Elend der Menschheit entspringt einem einzigen Umstand, nämlich dem, nicht ruhig in einem Zimmer bleiben zu können.“ Der französische Schriftsteller Xavier de Maistre (er verweilte nach einem Duell einen Monat in Hausarrest) verwandelte Isolation in einen Reisebericht, der im ungewöhnlichen Buch Reise um mein Zimmer mündete. Vielleicht haben auch Sie in Ihren Kindheitstagen Ihr Zimmer, wenn Sie denn ein eigenes hatten, bereist, mit Fantasie gefüllt, es nicht als Begrenzung, sondern vielmehr rettend erlebt…

Warum Erinnern heilen kann...

Vielleicht mögen Sie sich an diese Zeit nicht mehr gern erinnern, aber wie auch andere Spezialisten aus dem Feld der Kindheitsbelasteten, schreibt Ursula Lambrou in ihrem viel gelesenen Klassiker „Familienkrankheit Alkoholismus.Im Sog der Abhängigkeit“  dem Prozess des Erinnerns Sinnhaftigkeit zu :

„Erwachsene Kinder, die sich Klarheit über sich selbst verschaffen, haben gute Chancen, die Wunden der Kinderzeit, deren Folgen sie noch heute spüren, heilen zu lassen.“

Finnja Stauff, Wiener Fachbuchautorin, fokussiert aus der Perspektive der ontologischen Kinesiologin: „Erst das Verständnis, warum wir in unserem Leben so gelitten haben, ermöglicht uns die wahre Liebe zu uns selbst:“ ( Stauff, F.: Durch Bewusstsein zur Selbstliebe). Und immer ist da die Angst, wenn wir unsere Perspektive ändern und uns  mehr um uns selbst kümmern, die anderen zu sehr aus dem Blick zu verlieren. Sucht-Psychotherapeut und Autor Jens Flassbeck pointiert: „Allen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann. Es ist zum Scheitern verurteilt. Nutzen Sie Ihre Freiheit und handeln Sie so, wie Sie es für richtig halten.“ ( Flassbeck, J.: Ich will mein Leben zurück).  Sich selbst vertrauen ist eine schwieirge Kunst, insbesondere für  Kindheitsbelastete. „Selbstvertrauen ist nicht gleichbedeutend mit Selbstsicherheit. Wer sich selbst vertraut, findet den Mut, sich dem Ungewissen zu stellen, statt vor ihm zu fliehen. Der findet im Zweifel, in Tuchfühlung mit ihm, die Kraft sich aufzuschwingen.“ (Pepin, C.: Sich selbst vertrauen. Kleine Philosophie der Zuversicht)

Suchttherapeut und Autor Heinz-Peter Röhr schaut auf die Weitergabe der Probleme durch die Generationen und resümiert: „Kinder lieben, wie sie sind, können nur Eltern, die selbst reif geworden sind und zu Selbstliebe gefunden haben. Einzig so ist es möglich, dass sie nicht ihre eigenen Probleme zu denen ihrer Kinder werden lassen.“ (Röhr, H.P.: Ich traue meiner Wahrnehmung. Sexueller und emotionaler Missbrauch)

Begreifen- nicht werten- ändern

Mir fehlen die Worte!… Es hat mir die Sprache verschlagen! Diese und ähnliche Sätze sind in Zusammenhang mit der Corona-Krise zu hören. Stumm Werden, nicht mehr sprechen geht manchmal mit Krisen einher. Worte können uns weiterbringen, da wo wir feststecken.Worte sind unser Werkzeug, die Welt zu begreifen. Wir müssen erst begreifen, bevor wir etwas in Worte fassen können.  Zweifel seien, so wurde mir von einer lieben Klientin unbekannt zitiert, nicht Unwissen, sondern „das Gütesiegel der Erkenntnis“. Vielleicht haben die Worte der Denker und Schreibenden Sie heute bei Ihrem persönlichen Perspektivwechsel unterstützt. So mag ich für heute mit Worten von Neurobiologe und Erfolgsautor Gerald Hüther enden: „An Ihrem Gehirn liegt es jedenfalls nicht, wenn Sie auch in Zukunft glauben, so weitermachen zu müssen wie bisher.“ (Hüther, G.: Was wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher)

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser