Viele erwachsene Kinder aus belasteten Familien haben nie mit jemandem über ihre schwierige Lage Daheim gesprochen. Sie hätten eigentlich wenig darüber nachgedacht als Kind, heißt es oft, es sei eben einfach so gewesen , wie es nun mal war… und manch Betroffener bemerkt beim genaueren Hinschauen, wenn die Familie längst verlassen wurde, dass es ein Sprechverbot gab, über das Belastende zu sprechen, ja, teils sogar überhaupt darüber nachzudenken. Nehmen wir ein Beispiel: Die Familie hat die Sucht des erkrankten Elternteils tabuisiert, darüber wird nicht gesprochen, es wird bagatellisiert und verharmlost. Oft ist es für die betroffenen Kinder ein großes Ereignis, wenn sie ihre damit einhergehende Belastung erstmalig mit Worten belegen, sie vor sich selbst und in der Folge vor anderen benennen. Manche fühlen sich dann schlecht, fühlen sich als Verräter oder Denunzianten der Eltern. Philosoph Peter Bieri beschreibt dies im Zusammenhang der verlorengehenden Würde treffend: „Wenn das Wort ausgesprochen ist, gibt es keinen Spielraum mehr für Verleugnung oder Beschönigung – keine Möglichkeit mehr zu tun, als sei das Unglück nicht der Fall.“ (Bieri, Eine Art zu leben, S.232). Das ausgesprochene Wort verändere die Beziehungen, sogar, wenn es nur gedacht sei.
Es scheint entscheidend, mit welchen Worten sie ihr Elternteil belegen. Nehmen Sie sich ein paar Atemzüge Zeit: Denken Sie doch kurz einmal darüber nach, welche drei Worte Sie Ihrem „schwierigen“ Elternteil zuschreiben…was wurde für Sie persönlich zur Belastung?
Vielleicht sind Sie nun bei Diagnosen und Krankheitszuschreibungen gelandet, vielleicht steht dort: Sucht, Alkoholismus, Depression o.ä. Dann sind vielleicht gängige Diagnosen zu ihren eigenen Worten der Beschreibung geworden und sie könnten noch einmal überprüfen, ob Ihnen diese Kategorien, die aus medizinischen Klassifikationen abgeleitet wurden, heute noch ausreichen.
Unsere Worte können Welt gestalten: sie können etwas endlich klar scheinen lassen, sie können ebenso abstempeln und so jede Hoffnung aufgeben, sie können ebenso beschönigen wie verfremden. Auch die noch nicht gefundenen Worte gestalten unsere Beziehungen.
Eine wichtige Rolle kommt dabei den Tabus zu: Tabus können Beziehungen zersetzen, da sie ihnen die Echtheit entziehen. Authentizität geht verloren, sogar dann,wenn einer nur weiß, dass der andere sein Tabu kennt: da hat die Mutter ihren massiven Selbstverletzungsversuch in die Tabuecke gedrängt, er darf nicht mehr erwähnt werden, aber Mutter und Tochter wissen beide darum. Bleiben solche Tabus unbesprochen, werden keine Worte gefunden, sind die Eltern-Kind-Beziehungen schwer belastet – insbesondere die Kinder tragen dann ein schweres stummes Paket, an dem sie oft lebenslang leiden und oft selbst nicht mehr wissen, warum: auch aus ihrem Bewusstsein musste das Schreckliche dann verdrängt werden..
Weit verbreitet ist es auch, wenn endlich ein Wort gefunden wurde, dieses als alleiniges Beschreibungsmerkmal für das belastete Elternteil zu verwenden…Meine Mutter ist Alkoholikerin!…ein großer wichtiger Schritt, wenn das Kind erstmals dies aussprechen kann und es gilt mit der Zeit zugleich, mehr Worte zur Beschreibung zu finden. Manchmal hilft es Erwachsenen neben dem großen Schatten auch das Licht, die positive Seite, noch einmal in den Blick zu nehmen und so das elterliche Bild authentischer zu komplettieren.Die Mutter war Alkoholikerin,aber eben auch viel mehr.Sehen Sie mehr Schatten und wenig Licht,nur entweder oder,kaum und?
Die gewählten Worte zur Beschreibung der eigenen Eltern genauer anzuschauen, förmlich mit der Lupe zu sezieren, kann ein lohnenswerter Akt sein: tut sich doch unsere Seele als Spiegel vor uns auf. Manchmal wehren sich Kinder gegen Zuschreibungen an die Eltern, sie befürchten Etikettierungen…: „Alkoholiker- das klingt wie eine Gattungsbezeichnung und damit wie etwas, was einer unwiderruflich ist. Das nimmt ihm die offene Zukunft. Einer, der nur zuviel trinkt, kann aufhören. Ein Alkoholiker hat keine Chance mehr, es nicht zu sein.“ (Bieri ebenda)
In ihren Worten über ihre Eltern spiegeln sich Wünsche, Verzweiflungen und Hoffnungen der belasteten Kinder: diese Worte wollen gesprochen, gelebt oder auch geschrieben sein. Zur Sprache zurückzufinden über das Belastende, in der passenden, stimmigen Weise, kann ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Heilung sein, insbesondere, wenn es Betroffenen in der Kindheit die Sprache verschlagen hat(te). Denn: in einem belasteten System wird die Wahrheit oftmals zum Feind: man stempelt sie zur Lüge. Mitlügen wird zum Preis für Zugehörigkeit, nicht Sehen, Nicht Hören, nicht Sprechen die Eintrittskarte in den „Club“. Allein ist einem solchen System meist schwer beizukommen: es braucht Helfer, Beistand, aufrechten Widerstand und Allianzen, die meist erst auf einem längeren Lebensweg gefunden werden. Worte können solche Begleiter sein und werden, Worte Finden für Unausgesprochenes kann so ein Akt des Begreifens und Verstehens werden, der leibliche Spuren nachhaltig verändern kann.
So mag es manch einem Betroffene so ergehen, wie es Roger Willemsen in „Wer wir waren“ als Zeitphänomen des 3.Jahrtausends klug beschrieben hat: „Nicht wissen im Wissen zu behaupten; nicht gewusst zu haben werden, während man doch wusste“.
Herzliche Gruesse
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
„Die eigene Würde retten!“ – von der Suche zwischen Wahrheit, Tabu und Lüge
Würde (so wie auch Würdigung und Wertschätzung), scheint, schauen wir auf manch eine belastete Familie, die über Jahre und Jahrzehnte eben ihren schweren Belastungen ausgesetzt war, oft leise und still, gleichsam klamm-heimlich verloren gegangen zu sein. Würde gleicht hier in diesen Familien einem Fremdwort, mit dem man nicht mehr viel anfangen kann, dass man sich, so scheint es, kaum leisten kann; beinahe scheint es Kindern nach vielen Jahren so, als würde sie den Menschen hier in ihrer Familie nicht einmal zustehen: die Ent-Würdigung ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Was süchtige Menschen beispielsweise teils ihren Familien antun, überschreitet oft jede Grenze, oft auch jedes Vorstellungsmaß… und dabei denke ich nicht nur an körperliche Gewalt, sondern auch an verbale Dauerattacken, Kämpfe rund um das Aufrechterhalten des Tabus, das Ringen um Normalität, die beständige Suche in Sucht etwa, die die Angehörigen zu Statisten eines schleichenden Selbstmords degradiert… und das oftmals jahrzehntelange vergebliche Ringen auf Seiten mitbetroffener Kinder und Partner, doch noch gesehen und geliebt zu werden. Um diese Liebe zu bekommen, glauben diese erwachsenen Kinder, dass sie sich verbiegen müssten: Preis ist ihre eigene Würde, die sie zu verlieren drohen oder zumindest Teilaspekte derselben…die Selbstachtung nimmt schleichend Schaden.
Herrn M.s Mutter, so findet Herr M heraus, übersteht den Narzissmus und die Sucht des Vaters über Jahrzehnte, indem sie ihn einfach anders sieht als er ist. Nicht süchtig eben, sondern einfach großartig. Alles, was zu dieser, ihrer Wahrheit nicht passt, schneidet sie aus ihrer Wahrnehmung; sogar so weit, dass sie Menschen, die ihre Wahrheit als Lüge zu entlarven drohen, aus ihrem Leben verbannt. Anstatt ihre Sicht auf ihren Ehemann als Lüge zu sehen und in Frage stellen zu müssen, stellt sie diese Menschen, die Überbringer der „Wahrheit“ oder Realität, als Lügner hin. Herr M. erwartet, das seine Mutter dies endlich eingestehe, denn ihr Verhalten sei unter aller Würde: die Aufdeckung der familiären Wahrheit brauche er, so findet er heraus, um sich seinen letzten Funken von Würde zu bewahren. Er wolle nicht weiter, wie Jahrzehnte zuvor, mitspielen und heile Welt vorgaukeln. Gespräche mit seiner Mutter laufen erfolglos: immer deutlicher wird Herrn M., dass seine Mutter so stark in ihrer eigenen Identität verunsichert ist, so bindungsschwach und abhängig, dass eine realistischere Sicht auf den Vater ihr gesamtes Lebenskonzept erschüttern würde. Wenn der Sohn ihr diese weiter abverlange, werde sie eher den Kontakt zu ihm abbrechen, vermutet er…diesen Kontaktabbruch erwägt Herr M., wie er sagt selbst schon länger, um seine Würde nicht weiter zu beschädigen, er will endlich „die eigene Würde retten!“.
Viele chronisch belastete Familien stecken in einer Abhängigkeitsfalle, in der Wahrheit und Würde geopfert werden. Ein Ausweg scheint nicht in Sicht, solange die einzelnen Familienmitglieder nicht in der Lage sind, Hilfe zu suchen und mit Klarblick eigen-ständig schauen zu können. Es braucht Kraft, die Verblendung wirklich anzuschauen. Den Würdeverlust wahrzunehmen, ihn anzuschauen ist für Kinder aus belasteten Familien oft der 1. Schritt auf dem Weg zur Veränderung des eigenen Lebens. Dies erfordert Stärke, die oftmals nach jahrzehntelangem Kampf nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Oftmals sind Lebenslügen und Verblendung Teil der Identität geworden, die Verstrickung bestimmt mehr und mehr über die einzelnen Familienmitglieder, ihre Sicht auf sich selbst, auf die Familie und die Welt.
„Die Würde scheint uns weniger bedroht, wenn die Lüge wegen der Größe der inneren Gefahr verzeihlich ist, wie bei einer verleugneten tödlichen Krankheit oder beim Eingeständnis einer Unfähigkeit, die für das Selbstbild vernichtend wäre. Dann denken wir: das kann man von niemandem verlangen. Lebenslügen… sollten nur dann als würdelos beurteilt werden, wenn dem Betreffenden die Stärke zugeschrieben wird, ihrer Auflösung standzuhalten.“ Bieri, Eine Art zu leben, S.226
Eigen-ständig Denken wird in belasteten Familien oft als Bedrohung wahrgenommen, die mit Ausschluss belegt wird: oft ohne Worte liegt die Ausgrenzung doch drohend in der Luft, ist Teil einer unguten Atmosphäre, Teil des familiären Klimas geworden.Wir kommen in der Arbeit mit familiendynamischen Aspekten immer an ethische Fragestellungen, mit denen viele erwachsene Kinder, oftmals Tag und Nacht, und doch wenig bewusst, befasst sind.
Vielleicht halten Sie kurz inne und schreiben etwas zu den nachfolgenden Fragen:
- Welche Werte sind in Ihrer Familie bestimmend?
- Und für welche Werte möchten Sie eintreten?
- Was bedeutet für Sie Würde und was braucht Ihre Würde?
- Für wen stellen diese Ihre eigenen Vorstellungen eine Bedrohung dar?
Der Philosoph Peter Bieri hat ein Buch über die Vielfalt der Würde verfasst, das ich all denjenigen unter Ihnen empfehlen mag, die über schnelle Lösungen hinaus interessiert sind, gern tiefer schauen…auch wenn sich das Buch nicht speziell auf belastete Familien bezieht und somit einen Transfer auf die eigene Situation erfordert, halte ich es für diese unsere Zielgruppe lohnenswert.
Eine gute Zeit
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Mehr von dieser Autorin, u.a. bei Klett-Cotta
„Du musst vergeben!“- Fragwürdiges rund um elterliche Schuld und Vergebung
In einigen Szenen ist es en vogue: als Lösung zu jedwedem Problem, vor allem auch zu Kindheitsproblemen, wird das Verzeihen angepriesen. So lautet es vollmundig „Du musst verzeihen!“ oder „Vergib und Deine Heilung erfolgt!“, „Verneigen Sie sich vor den Tätern!“ etc. Gerade Menschen mit schwierigen Kindheitserfahrungen scheinen dabei gefährdet, in den Dunstkreis von Szenen zu geraten, in denen scheinbar einfache Heilsversprechen propagiert werden. In der Praxis zeigt sich jedoch: Heilung und Hilfe bei negativen Kindheitserfahrungen ist in der Regel nicht durch einen einzigen Akt machbar, noch weniger „einfach“ und schnell“, noch weniger ohne jede Aufarbeitung und Differenzierung – im Gegenteil birgt dies die Gefahr, neuerlich zu verletzen, zu traumatisieren, zu übergehen und gerade diejenigen zu schmälern, denen ohgnehin ( oft über Jahrzehnte) etwas angetan wurde… Wie beispielsweise soll etwas verziehen werden, das es laut der familiären Erzählung gar nicht gegeben haben soll, was also unter den Mantel des Tabus getarnt wurde oder wird. Ein großes Thema…
Einen differenzierten Weg der eigenen Bewältigung zeigt Svenja Plasspöhler in ihrem Buch Verzeihen. Vom Umgang mit Schuld. Auf wunderbare Weise gelingt ihr ein eindrücklicher Brückenschlag zwischen selbst Erlebtem in der Kindheit (die Mutter verlässt die Familie wegen eines neuen Partners, als die Autorin 14 Jahre alt ist) und kollektiv erfahrener Schuld. Auf ihrer Spurensuche geleitet uns die Autorin durch vielschichtige Schuldlandschaften: zwischen Erkundungen im Nachhall eines Amoklaufs etwa und anderen monströsen Abgründen reflektiert sie die Schuldfrage immer wieder neu anhand ihres eigenen Leides, das sie mit ihrer Mutter durchlebte. So konnte ein Kaleidoskop des Verzeihens entstehen, das sich zwischen verstehen, lieben, vergessen (müssen) bewegt, mehrperspektivisch aufbereitet zwischen Philosophie, Ethik und biografischer Familiengeschichte. Ein Buch, das ich Kindheitsbelasteten, die sich mit Schuldfragen und Vergeben ( müssen) plagen, sehr ans Herz lege.
Eine gute Woche, mit Sonnenmomenten im Regen, Wärmendem in der Kälte wünscht
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Wenn der Nebel sich lichtet… „Erwachen“ durch Klarblick
„Ich war wie in einem Hexenkessel gefangen, ich konnte nichts mehr sehen, weder Schönes, noch irgendetwas klar in meinen Problemen. Erst als ich mich um mich gekümmert habe, mich gespürt mit all meinen Gefühlen, bekam mein Leben eine neue Richtung.“ Frau L. malt für dieses „Jetzt“ ein Haus im Grünen, mit Vögeln und Weite und gibt ihm den Titel ‚Erwachen’. (Frau L., 44 Jahre, zit. nach Barnowski-Geiser, W.2009: Hören, was niemand sieht)
Manchmal beschreiben Menschen ihren Veränderungsprozess ähnlich wie Frau L.: sie bezeichnet es eindrücklich als „Erwachen“. Wenn Belastendes tabuisiert wird oder in Kindheitstagen wurde, wenn klar Sehen im familiären Gefüge nicht erwünscht war, nicht geduldet, vielleicht sogar mit Gewalt oder Ausgrenzung beantwortet wurde, dann kann die eigene Sicht, die eigene Wahrnehmung und schließlich die gesamte Selbstwahrnehmung dem Tabu zum Opfer fallen: Tatsachen aus der Kindheit wirken wie in einen Nebel getaucht, fühlen, erkennen, benennen war und ist bedrohlich.Der Nebel schützt zunächst die kindliche Seele…Hält die Tabuisierung über einen langen Zeitraum an (womöglich bis ins heutige Erwachsenenalter), kann dieser Nebel Teil des gesamten Erlebens werden: es prägt dann wie Betroffene sich selbst und ihre Umgebung wahrnehmen, ihren Leib und ihre Seele, es beeinflusst ihr Erinnerungsvermögen. Unter ungünstigen Bedingungen mündet es in Selbstvergessenheit bis hin zum erlebten Selbstverlust, einem chronischen Befinden, „das vielfach durch eine eigentümliche Ortlosigkeit, Verschwommenheit und fehlendes Selbstgefühl bis hin zur Entfremdung charakterisiert ist. (Fuchs 2000, S.43f) Mit Erwachen verbunden ist oftmals eine neue Achtsamkeit, ein „Einrasten“ der Richtungen im Umraum, eine stärkere Zentrierung und mehr Prägnanz. Das Erwachen gleicht dem Aufwachen nach dem Schlaf. Körper und Atem , die Sinne und das Fühlen können dabei Brücken in das Erleben schlagen; über diese Brücken kann Verdrängtes und Abgespaltenes wieder integriert werden.
„Im Erwachen sucht der Leib nach den Fäden des Netzes, das ihn mit den vom Vortag her vertrauten Dingen des Umraums verbindet.“(Ebenda) Oftmals kann Erwachen erst eintreten, wenn die bedrohliche Umgebung verlassen wird und Betroffene sich um sich selbst kümmern können. Im Anschluss beschrieben sich Betroffene, wie hier Frau L., fürsorglicher und achtsamer im Umgang mit sich selbst, zuleich ruhiger und gelöster, sie erlebten sich selbst weniger fremd.
Buch sowie weitere leibphilosophische Betrachtungen bei Thomas Fuchs. Keine leichte Kost, aber lohnenswert.
Eine gute Woche wünscht
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Menschen aus belasteten Familien fühlen sich oftmals einsam und nicht zughörig. Zugehörigkeit zu finden wird dann eine bestimmende Lebensaufgabe.Oftmals haben diese Gefühle ihre Wurzeln in Kindheitstagen.Familien, die im Tabu gefangen sind, entwickeln eine eigene Dynamik.Die familiäre Wahrnehmung wird so ausgerichtet, dass das Tabu und die Täuschung in jedem Fall aufrecht erhalten werden kann.Daran arbeiten alle Familienmitglieder mit, dieser Prozess läuft meist unbewusst ab. Besonders tragisch gestaltet er sich für all diejenigen, die sich in ihrer Familie um das Aussprechen der Wahrheit bemühen. Da sich das tabuisierende System bedroht fühlt, geraten diejenigen Familienmitglieder, die um Wahrhaftigkeit ringen, an den Rand des Systems: sie gelten als Sündenböcke, als Verräter, paradoxer Weise sogar als „nicht richtig“, „nicht glaubwürdig“. Wenn dieser Prozess über wichtige Jahre in der Kindheit anhält, wird die familiäre Fremdzuschreibung den betroffenen Familienmitgliedern zur eigenen Sicht, sozusagen zur zweiten Haut. MIt dieser Selbstzuschreibung gehen sie künftig in andere Systeme Gruppen, in Klassengemeinschaften, in eigene Familienbeziehungen usw.: ein zu schwerer kindlicher Rucksack, der kaum alleine zu tragen ist!