Ihre Gefühle haben eine Geschichte…und sind wandelbar

Manche Menschen kommen verzweifelt in die Therapie: sie haben nun schon mehrere Therapien hinter sich, sie haben ihre Beziehung beendet und einen neuen Job angefangen: sie fühlen sich jedoch weiterhin schlecht und unglücklich. Ihre Lebensqualität empfinden mit „nicht so gut“ milde beurteilt. Oftmals hat die Beeinträchtigung der Lebensqualität ihre Wurzel in der Biografie der Betroffenen, hier in der Geschichte ihrer Gefühle. Versuchen wir es aus neurowissenschaftlicher Sicht vereinfacht zu erklären: unser Gehirn verschaltet sich nutzungsabhängig. Nehmen wir Herrn A: von Beginn seines Lebens an ist er mit viel Angst, Unsicherheit und Sorge aufgewachsen ( seine Eltern waren wenig beziehungsfähig und konnten, insbesondere als  er noch Kleinkind war, wenig feinfühlig auf ihn eingehen ). Man könnte im Modell sagen, dass Herr A.  die Hirnspur „Angst und Sorgen“viel genutzt hat ( natürlich unbewusst und nicht freiwillig!). Aus einem oft genutzten Hirnweg kann eine regelrechte Hirnautobahn im Kopf entstehen: breit, viel befahren und immer bereit, genutzt zu werden. Die positiven Emotionen bleiben vielleicht wenig, bis gar nicht genutzt: sie drohen im unguten Falle zu verkümmern. So auch bei Herrn A., er fühlt sich chronisch schwer und traurig, erlebt sich unbegründet dauerängstlich, sein Leben als „schwer“, ohne , dass es einen wirklichen aktuellen Grund gäbe. Über die Jahre kann aus  Gefühlen unter bestimmten Bedingungen eine dauerhafte Grundstimmung und ein allgemeines Befinden werden: es fühlt sich chronisch nicht gut an.Betroffene glauben dann, dies nie mehr hinter sich lassen zu können, schieben ihre schlechte Dauerstimmung auf ihren „Charakter“ oder glauben, sich noch mehr um ihre Probleme kümmern zu müssen: indem sie sich noch mehr änstigen und sorgen. Herr A. muss also nicht mehr nur in Problemen „wühlen“, wie er es nennt, sondern die Quaität der Leichtigkeit und Inbeschwertheit Raum geben. Kindheitsbelastete drohen, wieder und wieder auf der alten Autobahn der Angst und Sorge zu landen, so auch Herr A. Spätestens dann ist mehr desselben kontraproduktiv: nun müssen neue Wege beschritten werden. Wenn Kindheitsbelastungen bearbeitet wurden, Lebensumstände gewandelt wurden und doch die Lebensqualität beeintrchtigt ist, dann lonht sich „Gefühlsarbeit“. Um aus dem alten Dilemma herauszukommen, ist es nötig:

  • den Mechanismus der „unguten Autobahn“ zu erkennen
  • eigene Gefühle und Stimmungen wahrzunehmen und zu identifizieren,
  • Gefühle neu zu bewerten und einzuordnen
  •  einen Perspektivwechsel vorzunehmen
  • neue Gefühle zu erproben und leben.

Die gute Nachricht für alle chronisch Schlecht-Fühler: Sie können etwas tun, Sie können aktiv Einfluss auf Ihre Stimmung nehmen…und damit meine ich kein zwanghaftes „Positivdenken“ mit Schönfärberei.

Zur Unterstützung empfehle ich zwei auf diese Belastung zugeschnittene Übungen.Um anders zu fühlen (oder auch überhaupt wieder), zeigen sich in meiner therapeutischen Arbeit mit Kindheitsbelasteten als besonders hilfreich:

1  Besser fühlen…Brücken bauen

2 Der Anker im Körper

Diese beiden Methoden möchte ich Ihnen hier zur Selbstanwendung vorstellen. Sprechen Sie diese Arbeit ggf. mit Ihrem Therapeuten ab, machen Sie dies nur, wenn Sie sich gerade stabil genug für neue Erfahrungen fühlen.

Kreative Selbsterfahrung Teil 1 „Brückenbau“

Diese Übung erfordert ein wenig Zeit und einen Ort, an dem Sie ungestört sein können...setzen oder legen Sie sich nun bequem hin. Achten Sie darauf, dass Sie nicht eingeengt werden und ihr Atem frei fließen kann…. Nehmen Sie nur wahr, wie Sie aus- und einatmen…nichts ändern müssen, alles sein lassen..

Wenden Sie sich nun einem Gefühl zu, dass Sie in der letzten Zeit unangenehm erleben ( das kann auch Gefühllosigkeit sein).  Stellen Sie sich vor, dieses Gefühl wäre eine Landschaft… wie sieht es hier aus, wie riecht es, schmeckt es, welche Geräusche sind da, welche Farben sind vorherrschend? Schauen Sie nur von oben auf die Landschaft, gehen Sie nicht hinein…wechseln Sie nun die Gegend….

Wie sieht die für Sie gegenteilige Landschaft aus…wie riecht es schmeckt es, welche Farben sind hier, welche Klänge, welche Menschen? Probieren Sie aus, wie es sich anfühlt, in dieser Landschaft umherzugehen. Wie ändert sich ihr Gang, ihr Körpergefühl, ihr Gangtempo?

Lassen Sie im nächsten Schritt zwischen diesen beiden Landschaften Brücken entstehen: sie können auf dieser Brücke hin- und hergehen und die Landschaften so aufsuchen, wie  Ihnen danach ist. Sie können nun immer, wenn Sie im unguten Gefühl angekommen sind auch auf die andere Seite wechseln. Probieren Sie das ein paar mal hier und jetzt aus.

Indem Sie diese Übung nun öfter anwenden, können Sie das Verknüpfen Ihrer Gefühlswelten unterstützen. Je regelmäßiger Sie dies tun, umso nachhaltiger greift der Veränderungsprozess ( auch hier gilt: Ihr Gehirn ist nutzungsabhängig!).

2 Kreative Selbsterfahrung: Der Anker in meinem Körper

Diese beiden Methoden möchte ich Ihnen hier zur Selbstanwendung vorstellen. Sprechen Sie diese Arbeit ggf. mit Ihrem Therapeuten ab, machen Sie dies nur, wenn Sie sich gerade stabil genug für neue Erfahrungen fühlen.

 Diese Übung erfordert ein wenig Zeit und einen Ort, an dem Sie ungestört sein können...setzen oder legen Sie sich nun bequem hin. Achten Sie darauf, dass Sie nicht eingeengt werden und ihr Atem frei fließen kann…. Nehmen Sie nur wahr, wie Sie aus- und einatmen…nichts ändern müssen, alles sein lassen…Denken Sie nun , wi es sich anfühlt, wenn Sie sich ganz bei sich und mit sich eins fühlen. Vielleicht erinnern Sie auch eine entsprechende Situation. Wie hat sich Ihr Körper angefühlt dabei? An welchem Punkt in Ihrem Körper ist dieses Gefühl zu Hause? Stellen Sie sich nun, wenn diese Vorstellung angenehm ist, vor, wie Sie mit jedem Ausatemzug tiefer in Ihren Körper sinken und seiner inneren Weisheit fplgen. Welche Körperstelle meldet sich, bewerten Sie nicht, auch wenn Ihnen diese Stelle ungewöhnlich erscheint…. Gehen Sie mit Ihrer Achtsamkeit zu diese Stelle: wie fühlt es sich genau an, welche Farben sind hier zu sehen, welche Klänge zu hören? Nur wahrnehmen. Wenn die Stelle gut mit den Händen erreichbar ist, so legen Sie eine Hand über diese Stelle, andernfalls stellen Sie sich eine Hand über dieser Stelle vor. Nehmen Sie die Energie wahr und verbinden sich mit dieser Stelle.

Wiederholen Sie diese Übung, wenn Sie sie angenehm erleben, ab sofort täglich.

Bei aufsteigenden unangenhemen Gefühlen können auch diese, nach einiger Übung im Körper, verortet und gewandelt werden ( z. B. Wut, sitzt heute in meinem Kiefer). Dann mit der stabilisierenden Stelle verbinden ( Wohlfühlstelle, z.B. im Herzen), indem Sie sich vorstellen, die Energie aus der Wohlfühlstelle zur unangenhemen Körperstelle fließen zu lassen- auch eine Brücke, wie in Übung 1 , kann zwischen diesen Stellen imaginiert werden, wenn Sie dies als angenehm erleben. Probieren Sie aus und wandeln Sie so ab, wie es IHnen persönlich entspricht-.

 Eine gute Zeit wünscht Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Leere-ueber einen heimlichen Beziehungskiller und wie Sie ihm auf die Spur kommen

Verzweifelte Paare, die in die Therapie kommen, haben manchmal Schwierigkeiten zu beschreiben, was ihr eigentliches Problem ist: der Kern der Probleme ist dann oftmals wenig mit Worten auszumachen. Irgendwie ungreifbar erscheinen ihre Beziehungsprobleme: Man streite sich wenig, es gäbe aber auch wenig Höhen, wenig Tiefen… aber irgendwie sei die Luft raus, heißt es dann. Stumm und verzweifelt, meist resigniert, wirken die derart Betroffenen. Arbeitet man als Therapeutin mit der eigenen Resonanz zum Geschehen, so wird ein ungeliebtes Gefühl spürbar, von dem die Paarthematik dominiert wird: Leere. Leere kann ein Beziehungskiller sein, der unerkannt, im Verborgenen sein Unwesen treibt.

Gar nicht schlimm?

Leere – wenn dieses Gefühl vorherrschend ist, klingt das für Menschen, die mit diesem Gefühl wenig anfangen können (da sie noch kaum Berührung damit hatten oder auch wenig darum wissen und es somit auch nicht wahrnehmen), wenig schlimm. „Leer“, das ist für sie nah an „Es ist doch nichts“, oder auch nah an einem Zustand, den es doch laut Meditations-und Kontemplationsformen gerade zu erreichen gilt. Der erstrebte Geisteszustand der Versenkung ist hier jedoch nicht am Werk, sondern etwas quälend Anderes, das offenbar schwer zu beschreiben ist -. Leere als „Nichts-Ist“. Wenn „nichts ist“, wie kann man dann darunter leiden? Leere kann, wie wir noch sehen werden, tatsächlich sehr unterschiedliche Qualitäten haben. Leere ist alles andere als „nichts“: wie wird quälend erlebt, versetzt in Starre, stumm machend, verbunden mit tiefen Einsamkeitsgefühlen, gepaart mit Antriebs- und Hoffnungslosigkeit, nah an dem, was man landläufig mit „depressiv“ verbindet. So und ähnlich beschrieben Betroffene nach allmählicher Annäherung ihr Tal der Leere. Oft überdeckt Leere andere starke Gefühle, betäubt, anästhetisiert, wie es in der Fachsprache heißt.

Das Drama der Leere im Dopelpack: Beziehungsleere

Die hier beschriebene Form der Leere möchte ich als biografisch verwurzelte Beziehungsleere bezeichen. Betroffene kennen Beziehungsleere dann seit Kindheitstagen: sie sind als Kinder bei ihren Eltern  ständig ins Leere gelaufen, wurden in der Leere stehen gelassen (zum Beispiel nach Trennungen der Eltern oder mit schweren Erkrankungen, hier oftmals nur für Stunden des Tages, aber auch hier mit nachhaltigen Verlust- und Ohnmachtserfahrungen gekoppelt), oder/und erfuhren kaum Resonanz auf ihnen wichtige Gefühle und Ereignisse. Diese Grunderfahrung der Leere, insbesondere in ersten wichtigen Beziehungen, kann dazu führen, dass diese Kinder als Erwachsene weiter suchen, um endlich einen Menschen zu finden, bei dem es eine Auflösung gibt für die in der Kindheit so schmerzlich erfahrene Leereerfahrung. Besonders schwierig wird es, wenn beide Partner als Kinder Leereerfahrungen gemacht haben – und zugleich keine angemessenen Auflösungen gefunden haben. Im ungünstigen Falle verstummen und erstarren dann beide Partner, beide „Kinder der Leere“. Trotz bester Absichten, trotz eigentlich vorhandener Liebe, steckt dann die Liebe im Leere – Drama fest. Oft endet dies mit Trennung und wiederholt sich tragischer Weise, wird der Prozess nicht erkannt, mit neuen Partnern, nur in anderer Besetzung.

Gefangen in der Leere- wenn ungute Beziehungen kein Ende finden

Menschen mit existenziellen Beziehungsleereerfahrungen treffen aud wundersam anmutende Weise immer wieder  auf andere Menschen, die ähnliche Kindheitserfahrungen gemacht haben und bei näherem Betrachten in Bindungsmustern starke Ähnlichkeit mit ihren Eltern zeigen. Die neuronalen Prägungen ziehen in Resonanz magnetisch Vertrautes an: nur unter jeweils anderen Gewändern. Wenn die Partner-Wahl auf jemanden gefallen ist, an dem ungute Erfahrungen wiederholt werden (etwa mit Suchtkranken oder bindungsunfähhigen Partnern), dann ist der Beziehungsalltag meist massiv belastet,  dann mutet es für Außenstehende wundersam an, dass Betroffene ihre Partner, trotz fortwährend beschriebener negativer Erfahrungen, nicht verlassen oder wie sie es selber erleben, nicht verlassen können. Für die Betroffenen selbst ergibt ihr Verhalten auf einer tieferen Ebene durchaus Sinn: sie hoffen, dass die Geschichte diesmal doch endlich einmal gut ausgehen möge. Es ist in ihnen etwas offen geblieben, in der Gestalttherapie spricht man von der offenen Gestalt, die geschlossen werden muss. Bei Trennungshemmung trotz unzumutbarem Beziehungsgeschehen sind oft kindliche Leereerfahrungen wirkmächtig: da auch die mit Trennungen einhergehende befürchtete Leere  unaushaltbar erscheint, wirkt Trennen letztlich schlimmer als Bleiben, ebenso wie die Hoffnung, dass es doch noch gut ausgeht und die offene Gestalt sich schließen kann, ebenso. Oftmals kehren diese Betroffenen auch nach ersten Trennungsschritten wieder um, da die sich ihnen auftuende Leere als unüberwindbarer Abgrund erscheint: Allein-Sein löst  beängstigende Leeregefühle aus, fällt auf traumatisch besetzten Boden. Betroffene haben noch keinen Weg gefunden, wie ihr Leben, abseits einer Beziehungsfixierung, erfüllt sein könnte: eine Wüste der Leere muss durchschritten werden, mit vielen Tälern von Einsamkeits- und Sinnlosigkeitsgefühlen, die neben anderen massiven Gefühlen unter der Leere verborgen sind. Kann dieses Leere – Erleben verwandelt werden, ist manchmal auch eine Partnerschaft wieder möglich – und erfüllt. Damit dies möglich wird, müssen beide Partner aktiv werden.

Kreativ-Coaching: Wege aus der Leere

Selten ist es Betroffenen bewusst, unter „Leere“ zu leiden…Betroffene beschreiben mehrheitlich Diffuses und nicht Greifbares, Leere tritt erst allmählich zutage. Wenn Sie sich mit Ihren Leeregefühlen stärker auseinandersetzen möchten, können das kreative Tun im Kreativ-Coaching der Woche ein erster Anstoß für Ihren Prozess sein. Wenn Ihr Partner dazu bereit ist, kann es bereichernd sein, zusammen zu gestalten und anschließend darüber zu sprechen. Auf kreativem Weg können Sie auf ungewöhnliche Weise etwas über sich erfahren, indem Sie vertraute Wege verlassen und neue Gehen…die Veränderung passiert unmerklich, spielerisch, je mehr Sie sich einfach von Ihrer Aufgabe mitreißen lassen.

Für die heutige Übung brauchen Sie mindestens 30 Minuten Zeit, ein großes Blatt und ein paar alte Zeitschriften, die Sie nicht mehr benötigen, mit Bildern, die sie ausschneiden können sowie ein paar Stifte.

Beginnen Sie nun mit dem Gestalten einer Collage: Knicken Sie zunächst ein größeres Blatt in drei gleich große Teile, sodass drei senkrechte Spalten entstehen. Gestalten Sie auf die linke Seite ein Bild, das die Überschrift „Leere“ trägt…

….auf die äußerst rechte Seite nun ein Bild, das für Sie das Gegenteil darstellt.

Betrachten Sie beides und gestalten nun in die Mitte Verbindungen zwischen beiden Seiten. Finden Sie auch für diese beiden Seiten eine Überschrift.

Wenn Sie gern weiterarbeiten möchten, gehen Sie nun noch einen Schritt weiter: stellen Sie sich vor, dass Ihre Collage Schauplatz eines Märchens ist. Lassen Sie diese Geschichte auf der linken Seite beginnen. Starten Sie mit dem Satz „Das hatte sie nicht erwartet“… Was ist davor passiert? Schreiben Sie einfach los und lassen Sie die Geschichte sich weiterentwickeln bis sie gedanklich auf der rechten Seite Ihrer Collage angekommen sind.

Welche hilfreichen Aspekte können  Sie aus Ihrer Collage gewinnen,  und  welche aus Ihrer Geschichte?

Sprechen Sie mit Ihrem Partner, wenn möglich…

Wenn Ihnen die kreative Arbeit Freude macht, liefert das Buch von Nick Bantock weitere Anregungen. Wenn Sie sich näher mit abhängigen Beziehungen beschäftigen möchten, ist sicher  Ich will mein Leben zurück von Jens Flassbeck interessant.

Du bist ein Künstler - Nick BantockBuchdeckel „978-3-608-86045-0

Gute Ostertage und Raum für Neues wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Heimweh, Sehnsucht und Co: belastete Familien als Brutstätten der Sehnsucht

Sind Sie manchmal scheinbar grundlos traurig und niedergeschlagen, haben an kaum etwas Interesse, fühlen sich appetitlos im Wechsel mit Heißhungerattacken?…Sie haben das Gefühl, nicht richtig dazuzugehören, verspüren wenig Motivation zur Arbeit und auch nicht, tatkräftig etwas Neues zu beginnen? Dann kann es sein, dass sie unter chronischem Belastungs-Heimweh leiden…

Wenn kindliche Bedürfnisse nach elterlicher Liebe und Zuwendung nicht befriedigt wurden, dann scheint oft lebenslang etwas offen zu bleiben. Etwas Unbestimmtes scheint verloren. Etwas, das am ehesten mit dem Begriff Heimweh zu beschreiben ist. In der Folge richten erwachsene Kinder ihr Bemühen darauf, dieses Heimweh wegzubekommen, es von den Eltern doch noch gestillt zu bekommen oder auch, es einfach nicht mehr zu fühlen.

Viele Kinder aus belasteten Familien leiden im hohen Erwachsenenalter  an chronischem Heimweh, ohne darum zu wissen: belastete Familien sind wahre Brutstätten der Sehnsucht (zit. Vater, Mutter, Sucht, s.u.). Der Begriff Heimweh wird allgemein als Beschreibung gewählt, wenn in früher Kindheit eine Gemeinschaft verloren gegangen ist. Bei belasteten Kinder bekommt Heimweh eine andere Dimension.  Heimweh, das ich als Belastungsheimweh bezeichnen möchte, ist vielmehr bei all denjenigen vorhanden, die eine familiäre Gemeinschaft nie befriedigend erlebt haben und bei denjenigen, die sich selbst in der Suche nach elterlicher Liebe verloren gegangen sind. Belastungsheimweh ist immer auch ein Suche nach uns selbst, nach der eigenen Identität – oft einhergehend mit großer Verzweiflung.

Die junge Frau ist außer sich. Ihr Freund betrüge sie permanent, schlage sie, wenn sie ihn darauf anspreche und sie nehme diese Behandlung wieder und wieder in Kauf. Sie verstehe sich selbst nicht, Biografisches kommt ihr in den Sinn. Sie ist Tochter eines Alkoholikers und einer depressiven, tablettenabhängigen Mutter. In der Arbeit zu diesem Thema äußert sie, süchtig nach Ihrem Freund zu sein. „In meiner Familie hat das angefangen: ich bin der Liebe, die ich nicht bekam, hinterhergelaufen. Wie ein Stier hinter dem roten Tuch, so laufe  ich seitdem der Liebe hinterher!“

Belastungs-Heimweh kann zur unbestimmten Sehnsucht werden, für deren Erfüllung Betroffene oftmals „alles“ in Kauf nehmen; es ist Ausdruck  einer chronischen Mangelerfahung in der Kindheit. Es  mündet oftmals in chronischen Gefühlen von sich selbst fremd sein, bis hin zu der kindlichen Annahme, gar nicht wirklich zu dieser Familie zu gehören. Später im Erwachsenenalter gefolgt von Gefühlen, in Gruppen und Systemen Außen zu stehen.

Belastungs-Heimweh kann sich dann wandeln, wenn es vor allem als  Sehnsucht begriffen wird, selbst in etwas  Größerem einzutauchen… Oftmals führt die sehnsüchtige Suche rastlos nach Irgendwo und Nirgendwo, in Heilungsgruppen und zu Gurus. Ebenso gibt es Phasen, in denen das unerkannte Heimweh durch Beziehungen zu Partnern, Freunden, Therapeuten usw. gestillt werden soll. Meist ein erfolgloses Unterfangen. Oftmals wird erst in Krisen deutlich, dass Belastungs-Heimweh mehr verlangt als das, was Eltern, Partner usw. anbieten können. Erst nach  Trauerarbeit wird meist Neues möglich: manchmal mündet dieser Prozess in der Sehnsucht nach EinsWerden. Einswerden mit etwas, das größer ist als wir selbst und uns doch zugleich ausmacht (dazu auch Willigis Jäger/Lesetipp s.u.). Und so rückt für manche belastete Kinder dann das Eltern-und Beziehungsthema in den Hintergrund, innere Heimat wird   Musik, Tanz, Gott, Buddha, Allah, der Urgrund (W.Jäger), die Natur etc. -. Um das Leiden am Heimweh hinter sich zu lassen, muss es zunächst erkannt und betrauert werden, damit die ziellose Suche eine neue Richtung bekommen kann.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche: den Mut, dem Heimweh ins Auge zu sehen und die Kraft, weiterzusuchen, wenn Sie Ihre innere Heimat noch nicht entdeckt haben.

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

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Dr. Waltraut Barnowski-Geiser ist Therapeutin, Lehrende und Autorin. Vater, Mutter, Sucht (2015) und Hören, was niemand sieht (2009) sind ihre Bücher zur Thematik. In ihrer Praxis KlangRaum in Erkelenz bietet sie Hilfe für Menschen mit Kindheitsbelastungen auf der Basis ihres AWOKADO-7-Schritte-Programm.

Gestalten Sie aktiv Ihre Gefühlslandschaft oder: auch Gefühle haben ihre Geschichte

Manche Menschen kommen verzweifelt in die Therapie: sie haben nun schon mehrere Therapien hinter sich, sie haben ihre Beziehung beendet und einen neuen Job angefangen: sie fühlen sich jedoch weiterhin schlecht und unglücklich. Ihre Lebensqualität empfinden mit „nicht so gut“ milde beurteilt. Oftmals hat die Beeinträchtigung der Lebensqualität ihre Wurzel in der Biografie der Betroffenen, hier in der Geschichte ihrer Gefühle. Versuchen wir es aus neurowissenschaftlicher Sicht vereinfacht zu erklären: unser Gehirn verschaltet sich nutzungsabhängig. Nehmen wir Herrn A: von Beginn seines Lebens an ist er mit viel Angst, Unsicherheit und Sorge aufgewachsen ( seine Eltern waren wenig beziehungsfähig und konnten, insbesondere als  er noch Kleinkind war, wenig feinfühlig auf ihn eingehen ). Man könnte im Modell sagen, dass Herr A.  die Hirnspur „Angst und Sorgen“viel genutzt hat ( natürlich unbewusst und nicht freiwillig!). Aus einem oft genutzten Hirnweg kann eine regelrechte Hirnautobahn im Kopf entstehen: breit, viel befahren und immer bereit, genutzt zu werden. Die positiven Emotionen bleiben vielleicht wenig, bis gar nicht genutzt: sie drohen im unguten Falle zu verkümmern. So auch bei Herrn A., er fühlt sich chronisch schwer und traurig, erlebt sich unbegründet dauerängstlich, sein Leben als „schwer“, ohne , dass es einen wirklichen aktuellen Grund gäbe. Über die Jahre kann aus  Gefühlen unter bestimmten Bedingungen eine dauerhafte Grundstimmung und ein allgemeines Befinden werden: es fühlt sich chronisch nicht gut an.Betroffene glauben dann, dies nie mehr hinter sich lassen zu können, schieben ihre schlechte Dauerstimmung auf ihren „Charakter“ oder glauben, sich noch mehr um ihre Probleme kümmern zu müssen: indem sie sich noch mehr änstigen und sorgen. Herr A. muss also nicht mehr nur in Problemen „wühlen“, wie er es nennt, sondern die Quaität der Leichtigkeit und Inbeschwertheit Raum geben. Kindheitsbelastete drohen, wieder und wieder auf der alten Autobahn der Angst und Sorge zu landen, so auch Herr A. Spätestens dann ist mehr desselben kontraproduktiv: nun müssen neue Wege beschritten werden. Wenn Kindheitsbelastungen bearbeitet wurden, Lebensumstände gewandelt wurden und doch die Lebensqualität beeintrchtigt ist, dann lonht sich „Gefühlsarbeit“. Um aus dem alten Dilemma herauszukommen, ist es nötig:

  • den Mechanismus der „unguten Autobahn“ zu erkennen
  • eigene Gefühle und Stimmungen wahrzunehmen und zu identifizieren,
  • Gefühle neu zu bewerten und einzuordnen
  •  einen Perspektivwechsel vorzunehmen
  • neue Gefühle zu erproben und leben.

Die gute Nachricht für alle chronisch Schlecht-Fühler: Sie können etwas tun, Sie können aktiv Einfluss auf Ihre Stimmung nehmen…und damit meine ich ein zwanghaftes „Positivdenken“ mit Schönfärberei.

Zur Unterstützung empfehle ich zwei auf diese Belastung zugeschnittene Übungen.Um anders zu fühlen (oder auch überhaupt wieder), zeigen sich in meiner therapeutischen Arbeit mit Kindheitsbelasteten als besonders hilfreich:

1  Besser fühlen…Brücken bauen

2 Der Anker im Körper

Diese beiden Methoden möchte ich Ihnen hier zur Selbstanwendung vorstellen. Sprechen Sie diese Arbeit ggf. mit Ihrem Therapeuten ab, machen Sie dies nur, wenn Sie sich gerade stabil genug für neue Erfahrungen fühlen.

Kreative Selbsterfahrung Teil 1 „Brückenbau“

Diese Übung erfordert ein wenig Zeit und einen Ort, an dem Sie ungestört sein können...setzen oder legen Sie sich nun bequem hin. Achten Sie darauf, dass Sie nicht eingeengt werden und ihr Atem frei fließen kann…. Nehmen Sie nur wahr, wie Sie aus- und einatmen…nichts ändern müssen, alles sein lassen..

Wenden Sie sich nun einem Gefühl zu, dass Sie in der letzten Zeit unangenehm erleben ( das kann auch Gefühllosigkeit sein).  Stellen Sie sich vor, dieses Gefühl wäre eine Landschaft… wie sieht es hier aus, wie riecht es, schmeckt es, welche Geräusche sind da, welche Farben sind vorherrschend? Schauen Sie nur von oben auf die Landschaft, gehen Sie nicht hinein…wechseln Sie nun die Gegend….

Wie sieht die für Sie gegenteilige Landschaft aus…wie riecht es schmeckt es, welche Farben sind hier, welche Klänge, welche Menschen? Probieren Sie aus, wie es sich anfühlt, in dieser Landschaft umherzugehen. Wie ändert sich ihr Gang, ihr Körpergefühl, ihr Gangtempo?

Lassen Sie im nächsten Schritt zwischen diesen beiden Landschaften Brücken entstehen: sie können auf dieser Brücke hin- und hergehen und die Landschaften so aufsuchen, wie  Ihnen danach ist. Sie können nun immer, wenn Sie im unguten Gefühl angekommen sind auch auf die andere Seite wechseln. Probieren Sie das ein paar mal hier und jetzt aus.

Indem Sie diese Übung nun öfter anwenden, können Sie das Verknüpfen Ihrer Gefühlswelten unterstützen. Je regelmäßiger Sie dies tun, umso nachhaltiger greift der Veränderungsprozess ( auch hier gilt: Ihr Gehirn ist nutzungsabhängig!).

2 Kreative Selbsterfahrung: Der Anker in meinem Körper

Diese beiden Methoden möchte ich Ihnen hier zur Selbstanwendung vorstellen. Sprechen Sie diese Arbeit ggf. mit Ihrem Therapeuten ab, machen Sie dies nur, wenn Sie sich gerade stabil genug für neue Erfahrungen fühlen.

 Diese Übung erfordert ein wenig Zeit und einen Ort, an dem Sie ungestört sein können...setzen oder legen Sie sich nun bequem hin. Achten Sie darauf, dass Sie nicht eingeengt werden und ihr Atem frei fließen kann…. Nehmen Sie nur wahr, wie Sie aus- und einatmen…nichts ändern müssen, alles sein lassen…Denken Sie nun , wi es sich anfühlt, wenn Sie sich ganz bei sich und mit sich eins fühlen. Vielleicht erinnern Sie auch eine entsprechende Situation. Wie hat sich Ihr Körper angefühlt dabei? An welchem Punkt in Ihrem Körper ist dieses Gefühl zu Hause? Stellen Sie sich nun, wenn diese Vorstellung angenehm ist, vor, wie Sie mit jedem Ausatemzug tiefer in Ihren Körper sinken und seiner inneren Weisheit fplgen. Welche Körperstelle meldet sich, bewerten Sie nicht, auch wenn Ihnen diese Stelle ungewöhnlich erscheint…. Gehen Sie mit Ihrer Achtsamkeit zu diese Stelle: wie fühlt es sich genau an, welche Farben sind hier zu sehen, welche Klänge zu hören? Nur wahrnehmen. Wenn die Stelle gut mit den Händen erreichbar ist, so legen Sie eine Hand über diese Stelle, andernfalls stellen Sie sich eine Hand über dieser Stelle vor. Nehmen Sie die Energie wahr und verbinden sich mit dieser Stelle.

Wiederholen Sie diese Übung, wenn Sie sie angenehm erleben, ab sofort täglich.

Bei aufsteigenden unangenhemen Gefühlen können auch diese, nach einiger Übung im Körper, verortet und gewandelt werden ( z. B. Wut, sitzt heute in meinem Kiefer). Dann mit der stabilisierenden Stelle verbinden ( Wohlfühlstelle, z.B. im Herzen), indem Sie sich vorstellen, die Energie aus der Wohlfühlstelle zur unangenhemen Körperstelle fließen zu lassen- auch eine Brücke, wie in Übung 1 , kann zwischen diesen Stellen imaginiert werden, wenn Sie dies als angenehm erleben. Probieren Sie aus und wandeln Sie so ab, wie es IHnen persönlich entspricht-.

 Eine gute Zeit wünscht Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser