Wenn gestern nicht einfach vorbei ist… Wie wir schwierige Kindheitserfahrungen überwinden

Wenn Menschen als Kinder in ihren Familien Ungutes erlebt haben, und das oftmals über Jahre hinweg, manchmal von Geburt an, dann trifft der Ausspruch „Vorbei ist vorbei!“ bei ihnen oftmals einen sehr empfindlichen Nerv. So wahr diese Aussage, (oftmals von Angehörigen oder Freunden sogar durchaus gut gemeint) auch an den aktuellen Fakten gemessen sein mag, so wenig hilft sie Betroffenen: denn ihr tägliches Erleben ist ein anderes. Sie fühlen sich oftmals innerlich, scheinbar grundlos, ängstlich, überfordert und hilflos, und das, obwohl sie im Außen oftmals Ungeheures leisten. Treten im Außen Krisen auf, wie etwa die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine, wirken diese Ereignisse verstärkend, wie Trigger in alte Krisenzeiten.

Was passiert genau bei diesen Menschen? Lassen Sie uns, um das genauer zu verstehen, neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu Rate ziehen. Wir wissen heute (und natürlich sind Beschreibungen für diese hochkomplexen Vorgänge zwangsläufig sehr vereinfachend), dass unser Gehirn sich so aufbaut, wie es genutzt wird. Die Verschaltung der Synapsen ist also nutzungsabhängig,  bestimmt von anschwellenden und abschwellenden Erregungspotenzialen. Das gilt auch, so beschreibt es etwa Gerald Hüther in seinem Buch „Biologie der Angst“, für emotionale Verschaltungen. Wenn also ein Kind in eine Familie hineingeboren wird, in der die Eltern große eigene Probleme haben, dann wird es schon als Säugling viel davon mitbekommen, dazu in Resonanz gehen. Wir wissen heute aus entwicklungspsychologischen Forschungen, dass schon Säuglinge viel mehr wahrnehmen als wir je angenommen haben: auch Atmosphären, Stimmungen, Emotionen. Stellen wir uns eine Familie vor: vielleicht  lebt hier ein suchtkranker Vater, der, wenn er trinkt laut wird und Streit anfängt, täglich über sich die Kontrolle verliert und eine Mutter, die sich liebevoll um ihr Baby kümmert, aber durch die Probleme mit dem Ehemann gereizt und an ihren Grenzen der Belastbarkeit angekommen ist: all dies wird ihr Baby mitbekommen, Angst und Schrecken gleichsam mit der Muttermilch aufsaugen. Auf das Wahrgenommene kann das Baby unterschiedlich reagieren: eine Möglichkeit zu reagieren kann sein, Angst zu entwickeln. Aus dieser befeuerten Hirnspur der ersten Lebensmonate, der verschalteten Synapsenspur der Angst, wird leicht ein breiterer Hirnweg, wenn er künftig täglich genutzt wird. Wird, um im Bild zu bleiben, die Angstspur lange Zeit und wiederholt gefahren (etwa weil die Sucht und die damit vorhandenen familiären Probleme stärker werden), kann sie zu einem breiten Trampelpfad, einer regelrechten Hirnautobahn werden. Wird diese Autobahn über Jahre, gar Jahrzehnte so weiter genutzt, dann kann es passieren, dass unser Säugling, nennen wir ihn hier Suchtkind, auch als erwachsene Frau mit 40 oder gar 60 Jahren alltäglich auf dieser Angstautobahn fährt. Sie hat den Eindruck, gar nicht anders fahren zu können. Scheinbar hat sie grundlos Angst, gibt es doch aktuell gar keinen Anlass zu Ängsten und Sorgen. Frau Suchtkind fühlt sich nun ihren Gefühlen hilflos aufgeliefert. Doch das heutige Gefühl ist nicht sinnlos, auch wenn Frau Suchtkind es berechtigter Weise als unangenehm empfindet: dieses Gefühl macht unsere Frau Suchtkind darauf aufmerksam, dass das früh als Kind Erlebte heute Hinwendung und Zuwendung verlangt.

Nicht mehr Fühlen – auch ein (Paar)-Problem
So wie sich Frau Suchtkind ständig sorgt und ängstigt, gibt es andere Menschen mit unguten Kindheitserfahrungen, die andere Bewältigungsstrategien gefunden haben: sie fühlen nicht mehr. Gefühle, das haben sie bemerkt, sind ungeheuer schmerzhaft. Damit soll Schluss sein! Sie wollen sich nicht mehr erschüttern lassen. Dieser Vorgang läuft nicht bewusst ab, sondern ist oftmals ein Schutzmechanismus der Seele, den Betroffene selbst nicht einmal bemerken. Oftmals bemerken sie erst erst durch die Rückmeldungen von anderen, dass etwas problematisch und nicht ganz in Ordnung ist. Die Partnerin etwa drängt: „Mach mal Therapie, ich komme nicht an dich heran!“ Eine neuerliche Verzweiflung. Sich mit diesen schlimmen Erfahrungen auf einen fremden Menschen einlassen, gar einen Therapeuten, wo sich Betroffene selbst schon manchmal fragen, ob mit ihnen noch alles stimmt? Dann besser nichts machen! Und nun stecken sie fest. Derart Betroffene und ihre Partner stecken oft in Krisen fest, die von großer Sprach-und Hilflosigkeit gezeichnet sind. Neben Angst und Gefühllosigkeit, Scham und Schuld, leidet dann mit der Zeit vor allem eines: das eigene Selbstwertgefühl. Die Lebensqualität leidet, Betroffene bleiben unter ihren eigenen Möglichkeiten zurück- sie sind unzufrieden, fühlen sich diffus unzulänglich – ihr Umfeld, vor allem ihre Beziehung, leidet oft mit. Und wieder droht eine Familie unglücklich zu werden, so wie es die Betroffenen aus ihrer Herkunftsfamilie kennen- und gerade das wollten sie in ihrem Leben doch unbedingt vermeiden. Ein Teufelskreis.

Der erste Schritt aus dem Dilemma
Was kann aus diesem Dilemma heraushelfen? Der erste Schritt ist der schwierigste: er bedeutet, wahrzunehmen, was wirklich los ist. Dazu gehört viel Mut. Vielleicht brauchen Sie dabei Unterstützung. Einen Menschen, der die Belastungen, die sie getragen haben, würdigen kann, aber der auch mit ihnen einen Blick auf Ihre Stärken und das, was sie bis heute geschafft haben, werfen kann.  Die Würdigung der Belastungserfahrung und die Würdigung der eigenen Stärken, die sie aus und in diesen Krisen entwickelt haben, beschrieben Menschen in meinen Befragungen als einen der wichtigsten Hilfefaktoren, sich besser und entlasteter zu fühlen (Barnowski-Geiser (2015): Vater, Mutter, Sucht). Kreative Wege eröffnen Möglichkeiten, sich diesen Stärken anzunähern. Sie ermöglichen uns, neue Hirnspuren zu ebnen und Abfahrten von der alten Autobahn. Da folgt der zweite Schritt, der im Angesicht von schwierigen Kindheitserfahrungen zugegeben sehr schwer ist: Sie müssen an die Möglichkeit der eigenen Veränderung glauben!

Alles Beste in diesen schwierigen Zeiten wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Vom schweren Erbe der Ahnen und wie wir doch Bildhauer unseres Lebens werden (mit Übung „Skulpturenpark“)

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Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: so spricht der Volksmund, um die Weitergabe bestimmter Eigenschaften von Generation zu Generation zu pointieren. Dieser Weisheit scheinen gerade manche Menschen aus belasteten Familien unbewusst zu folgen: sie schreiben sich vor allem Negatives aus ihren Familien zu, machen es sich wiederholt zu eigen. Auch wenn Kinder belasteter Eltern höhere Risiken für eigene Erkrankungen haben gegenüber Kindern aus nicht belasteten Familien, so bedeutet das jedoch nicht (und das zeigen aktuelle Studien), dass sie selbst zwangsläufig erkranken müssten, etwa Kinder trinkender Eltern zwangsläufig selbst zu Alkoholikern würden. Es gibt offenbar Schutzfaktoren, die diese Weitergabe von Generation zu Generation (auch Transmission in der Fachsprache genannt) verhindern. Eine gute Nachricht: Die weitaus höhere Zahl der Kinder von belasteten Eltern erkrankt nicht selbst an der elterlichen Sucht.Schauen wir jedoch allein auf die Weitergabe der Sucht, so greift das m.E. zu kurz. Denn: viele Betroffene im Erwachsenenalter leiden dennoch an der Qualität ihres Lebens. Sie fühlen sich schlichtweg nicht gut in ihrer Haut – sogar auch dann, wenn sie ein scheinbar erfolgreiches Leben führen. Da sie über viele Jahre Schweres erlebt haben, fällt es ihnen schwer zu glauben, dass Veränderung möglich ist: Oftmals fehlt überhaupt eine Vorstellung davon, was ein gutes Leben ausmacht und wie es sich anfühlt, da mit Eltern leb(t)en, die ihnen wenig Modell für ein gelingendes Leben sein konnten. Und wenn etwas gut läuft, so haben Betroffene durch ihre vielen ungünstigen Erfahrungen gelernt, diese gute Phase lediglich als Zwischenstadium zur nächsten Katastrophe zu interpretieren. Hier hilft es, manchmal leider nur unter großer Anstrengung, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, die Selbstwirksamkeit und die aus den Kindheitstagen ebenso erwachsenen Stärken wiederzuentdecken, den Glauben an die Möglichkeit eines guten Lebens zurückzugewinnen. Als Voraussetzung zu diesem notwendigen Perspektivwechsel zeigte sich, dass die Betroffenen in der Lage waren, ihre Sicht als Erleidende, (in der sie sich, durchaus nachvollziehbar, als „Opfer“ ihrer erkrankten Eltern erlebten), allmählich zu wandeln und dem Wunsch folgten, aktiv ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Schon der Philosoph Foucault sah im Menschen einen „Gestalter“ , im Sinne eines Lebenskünstlers. Die Integrative Therapeutin und Mitbegründerin der Posietherapie Ilse Orth spricht in diesem Zusammenhang vom „Bildhauer der eigenen Existenz“.

Vielleicht nehmen Sie sich Zeit für eine passende Übung, die diesen Gestaltungsprozess auf kreativem Wege folgt. Dafür sollten sie mindestens 30 Minuten Zeit einplanen.

Übung: Skulpturenpark

Gehen Sie, wie schon in den vorhergehenden Übungen angeregt, zunächst in Ihre Atemachtsamkeit…Stellen Sie sich nun vor, dass Sie mit jedem Atemzug ein Stück tiefer zu ihren inneren Bildern reisen…

Vor Ihnen liegt ein wunderbarer Park im Sonnenschein. Sie wandern hindurch, spüren mit jedem Schritt das Gras unter ihren Füßen, spüren die Sonne auf Ihrer Haut. Sie hören die vielfältigen Geräusche im Park, sehen den Farbreichtum.

Nun entdecken Sie, dass hier viele unterschiedliche Skulpturen stehen, die jeweils den Namen einer Person tragen. Offensichtlich hat ein Künstler dem Leben dieser Person Gestalt in einer Skulptur gegeben…Sie wandern an vielen Skulpturen vorbei, die ganz unterschiedlich aussehen. Sie bekommen eine Anmututng über das Leben des jeweiligen Person.

Nun stehen Sie vor einer Skulptur, die Ihren eigenen Namen trägt. Schauen Sie das Werk genau an. Wie sieht es aus? Aus wechem Material ist die Skulptur, aus welcher Farbe? Sehen Sie Ihre Skulptur aus unterschiedlicher Perspektive an.

Betrachten Sie diese Skulptur nun mit einem wertschätzenden Blick: Was gefällt Ihnen besonders? Was macht die Skulptur einzigartig gegenüber den anderen Kunstwerken?

Möchten Sie der Skulptur noch etwas hinzufügen?…Tun Sie das nun in Ihrer Fantasie…

Vielleicht malen Sie die Skulptur später und versehen sie  mit einem passenden, ergänzenden Titel.Werden Sie Bildhauer Ihres Lebens…vom Papier sind es nur wenige Schritte bis in Ihr Leben!

(Übung in Anlehnung an Barnowski-Geiser, 2009:Hören, was niemand sieht)

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Hoffnung: „Wann reißt der Himmel auf?“

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Wenn Menschen mit Angehörigen aufwachsen, die chronisch erkrankt sind, oftmals durch ihre gesamte Kindheit hindurch und manchmal noch weit darüber hinaus, dann fühlt sich das Leben an wie ein endloser Sumpf, aus dem es nie mehr ein Entkommen zu geben scheint. Die Coronakrise kommt für diese Menschen nun als besondere Erschwernis hinzu. Das Unberechenbare der krise erinnert an alte Wunden, katapultiert traurige Gefühle, Ohnmacht und Hilflosigkeit an die Oberfläche. Ob diese elterliche Erkrankung das Etikett „Sucht“, „manisch-depressiv“ oder „Kriegstrauma“ trägt: Diese mitbetroffenen Kinder fühlen sich oftmals hoffnungslos. Ihre erlebte Ohnmacht und die gefühlte Hilflosigkeit gegenüber der elterlichen Krankheit ( sowie auch ihren „am eigenen Leibe“ hautnah alltäglich erlebten Folgen) wirken endlos. Dieses dauerhafte Erleben beeinflusst, wie Betroffene ihre Welt sehen und wie sie künftig auf diese zugehen werden. Ihre persönliche Glücksdefinition ist davon geprägt, und lautet etwa:

  • Mein Leben wäre prima, wenn meine Eltern nicht mehr krank wären…oder:
  • Wenn meine Mutter nicht mehr trinkt, erst dann (und nur dann), kann ich glücklich sein.
  • Wenn mein Vater sich endlich seine Kriegs-Traumatisierungen in einer Therapie ansieht, dann wird es endlich auch für mich besser…

Die Erfahrung zeigt: solange diese Kinder auch als Erwachsene ihr Glück und Wohlergehen von der Gesundheit oder Krankheit ihrer Eltern abhängig machen, solange finden sie selbst kaum Frieden und Glück. Erst wenn das eigene Leben, ein Recht auf eigene Bedürfnisse und ein Recht auf eigenes Glück, ohne den erkrankten Elternteil, in den Vordergund rücken kann, „reißt der Himmel“ auch für sie, um im Bild zu bleiben, ein Stück auf.

Der Song der Gruppe Silbermond kann eine gute Hilfe sein, über die Frage des Lebensglücks nachzusinnen. Viele Betroffene beschreiben es so oder änhlich: Als ich die Krankheit meiner Eltern ein Stück loslassen konnte, diese nicht mehr kontrollierte und sie auch nicht mehr besiegen musste, erst dann gewann ich selbst mehr Lebensqualität.

Es gibt also eine Aussicht auf ein besseres Leben: unabhängig davon, ob Ihr Elternteil weiter trinkt, weiter psychisch erkrankt ist usw. Geben Sie Ihre Hoffnung nicht auf, ändern Sie dort etwas, wo sie es können: bei sich selbst!

Vielleicht beginnen Sie in dieser Woche damit, den Himmel zu beobachten…einfach so!

Hier ein Link zum Video der Gruppe Silbermond

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche,

Ihre Waltraut Barnowski-Geiser

Berechtigte Hoffnung oder Irrglaube: Ist es wirklich nie zu spät für eine glueckliche Kindheit?

In dieser Woche möchte ich mit Ihnen einer wichtigen Fragestellung folgen: Kann man eine glückliche Kindheit als Erwachsener nachholen? Diese Versprechung soll zumindest den Versprechungen einiger Autoren und Seminarleitern zufolge, zu jeder Zeit einzulösen sein. Ben Furmann benannte sein Buch nach dieser Aussage…und wollte wohl vor allem Hoffnung machen. Jedoch: Wenn es möglich wäre, glückliche Kindheit nachzuholen, dann beinhaltete das doch unendliche Möglichkeiten…Vergangenes Leid wäre demnach in der Gegenwart zu verwandeln, Glück wäre machbar. Ist es wirklich nie zu spät für eine glückliche Kindheit? Machen Sie etwas falsch, wenn Sie sich aktuell nicht gut fühlen? Die Beantwortung unserer Ausgangsfrage scheint nicht leicht.

Perspektivwechsel

Ist jeder einfach seines Glückes Schmied?  Betroffene mit Kindheitsbelastungen ( im Folgenden kurz Bel-Kids genannt) gewinnen den Eindruck, einfach falsch zu denken, unfähig zu sein…oder zu sensibel…einfach „zu“: die Kette der Selbstbeschuldigungen kann unendlich fortgesetzt werden… und mündet dann oft in der Frage: Mache ich etwas falsch in meinem Leben? Oftmals stellt sich in therapeutischer Arbeit heraus, dass Eltern oder andere Menschen viel falsch gemacht haben, ihrer Sucht gefolgt sind etwa: und nicht der Belastete selbst. Um dies herauszufinden, benötigen Menschen oft Krisen: alles bricht zusammen, die alte Weise zu denken, das Wertsesystem, womöglich wichtrige Beziehungen…und nun wird die Krise zum Wendepunkt. Und damit oft zur Chance..

Auf das Maß kommt es an…

Ob „Einfach glücklich sein“ durch einen Entschluss möglich ist, ist zumindest auch maßgeblich vom Schweregrad der kindlichen Belastung abhängig. Je früher die Kindheitsbelastung einsetzte und dort womöglich frühe Traumata (tiefgreifende seelische Verletzungen) hinterließ, umso weniger können sich Menschen ausschließlich durch eine bloße Einstellungsänderung in glücklichere Menschen verwandeln. Dies zu behaupten (und das ist in bestimmten Szenen durchaus verbreitet), stellt eine große Ignoranz traumatisierten Menschen gegenüber dar. Wenn die Belastung keine tiefgreifenden seelischen Spuren hinterlassen hat, ist die Palettte des Einflußnahme größer: dann ist über den Einsatz des Willens und sogenannte kognitive Umstrukturierung (vereinfacht gesagt ein Wandeln der Denkmuster) oft ein zufriedenes und glücklicheres Leben möglich. Bei Menschen mit schweren Kindheitstraumatisierungen ist eine längerfristige Therapie meist unumgänglich: und auch diese ist längst kein Garant für ein glückliches Leben. Auch Therapieprozesse sind dann von Höhen und Tiefen gezeichnet- aber die Gesamtbilanz fällt für Betroffene in der Regel glücklicher aus.

Was bedeutet Glück?

Nehmen Sie ein paar Atemzüge Zeit… was bedeutet für Sie Glück?…Wann haben Sie sich glücklich gefühlt zuletzt?…und als Kind?…Ist Glück für Sie erstrebenswert?

Was Glück bedeutet, ist für jeden etwas anderes. In der Glücksforschung hat man herausgefunden, dass materielles Glück sich schnell verflüchtigt: wer also etwa einen großen Geldbetrag gewinnt, der kann kurzfristig mehr Glück erleben- nach kurzer Zeit pendelt sich der Gewinner jedoch auf Normalniveau ein.

Schauen wir aus philiosophischer Perspektive, so wird Glück sowohl als etwas Individuelles und als etwas Flüchtiges beschrieben. Um nach dem Glück zu suchen, muss man demnach zunächst benennen können, was glücklich macht. Als Glücksuchende brauche ich also eine Vorstellung davon, was denn Glück für mich genau ist. Um diese Vorstellung überhaupt entwickeln zu können, muss jemand glückliche Zustände erlebt haben und sie auch erinnern –  das setzt voraus, Glücksmomente auch als eben solche wahrgenommen zu haben.  Manchmal wissen Menschen mit Kindheistbelastungen schlicht nicht, wie sich Glück anfühlt – sie haben es wenig erlebt.Damit fehlt ihnen eine wichtige Voraussetzung,  glücklich zu werden: sie müssen also im Jetzt achtsam sein, was Sie angenehm, schön, bereichernd empfinden. Oft ist die kurzfristige Beglückung wenig hilfreich: ist etwas zugleich in Übereinstimmung mit dem eigenen Lebenssinn, mit dem eigenen Wesen, wird es dann besonders „glücklich“ erlebt.

Im Buddhismus geht man davon aus, dass man erst Freude und Glück  empfinden sollte, bevor man sich dem Leiden zuwendet. Wenn jemand krank ist, muss erst gestärkt werden, bevor er Schweres  erfährt (etwa das Ausmaß seiner Erkrankung). Die alltägliche Praxis der Meditation soll den Menschen darin  unterstützen. Buddha leitete an, wie man zu Freude  und Glück kommt durch die Praxis der Meditation.  Es muss erst Stärke gefunden werden, imdem man sich um Freude und Glück kümmert. Wenn man zu schwach ist, kann das Ansehen des Leides zu früh sein. Wie bei einer OP: auch hier muss das Kräftig Werden im Blick sein bevor operiert wird. Wenn man noch schwach ist, so nimmt man an, sei das Ansehen der Sorgen  zu schwierig.

„Ich achte auf mich“ statt „Ich bin für dein Glück verantwortlich“ – Loslassen, Betrauern und Selbstachtsamkeit als heilsamer Weg

Gefühle von Freude und Glück aufzubringen ist für manche alltägliche Praxis. Wie geht das? Folgt man buddhistischen Lehrern (Thich Nhat Hanh, Buddha) und christlichen Kontemplationspraktitken hat dies viel mit Loslassen zu tun. Der Buddha sagt, dass Glück hänge eng zusammen mit der Fähigkeit, loszulassen und nicht anzuhaften. Wenn man an Beziehungen und Ideen festhalte, bereite das Schmerzen. Etwas sehr Bekanntes für Menschen mit KIndheitsbelastungen: oft kreisen sie lebenslang um ihre Eltern, in der Hoffnung, dass diese doch endlich glücklich werden sollen.  Von vielem denken wir demzufolge, dass wir es nicht loslassen können, weil wir glauben, das wäre unabkömmlich für unser Glück. Oft ist gerade diese Idee loszulassen. Für Bel-Kids bedeutet dies oftmals die Aufgabe der Idee: wenn ich meine Eltern glücklich gemacht habe, werden sie mich lieben: dann werde ich selbst glücklich sein. Je mehr sie diese Vorstellung loslassen statt sie festzuhalten, um so besser scheint dann ihr eigenes Leben. Sie haben dann die Vorstellung losgelassen, das sie die Verantwortung für das Lebensglück ihrer Eltern tragen. Sie bemerken erst als Erwachsene, dass sie ein Recht auf ein gutes Leben haben; auch wenn es jemand anderem ( etwa dem erkrankten Elternteil) noch schlecht geht. Dann können eigene Bedürfnisse endlich Raum bekommen, auch kindliche Wünsche können durch den Erwachsenen, der sie im Jetzt sind, erfüllt werden. Oftmals setzt das glücklich Sein eine Zeit des Betrauerns voraus: was war nicht möglich früher, was ist nicht nachholbar?… erst dann können Betroffene  achtsam für sich selbst sorgen und sich auf einen glücklicheren Weg mit ihren verletzten kindlichen Anteilen begeben : um unsere Frage aufzugreifen. Es ist oftmals nicht zu spät für eine gute Kindheit: je schwerer die KIndheitsrefahrungen waren, umso weniger einfach ist das Nachholen.

Ich wünsche Ihnen eine erfüllte Woche mit glücklichen Momenten

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

 

 

Oft Schlecht drauf? Ihrer Stimmung und Lebensqualität auf der Spur

Menschen, die in einer belasteten Familie aufgewachsen sind, leiden manchmal lange Zeit noch nachdem sie ihr Elternhaus verlassen haben, unter Gefühls- und Stimmungsschwankungen. Der Umgang mit quälenden Gefühlen, „Nicht-Fit und Gut drauf“ sein, erfährt gesamtgesellschaftlich nicht gerade würdigenden Umgang. Glauben wir manchen Ideologien, so sind unsere Gefühlslagen, wie so vieles andere,  „machbar“. Wer nicht gut drauf ist, scheint dieser Denke zufolge selbst schuld zu sein. Müssen Erwachsene aus belasteten Familien, wie in manchen Ansätzen vollmundig gefordert, einfach „positiver“ denken? Müssen Sie Ihre „Überempfindlichkeit“ ein bisschen runterregulieren? Nehmen wir Wissenschaft zur Hilfe…Neurowissenschaftliche Erkenntnisse belegen: unsere Hirne sind nutzungsabhängig, auch unsere Emotionalität, also unsere emotionalen Verschaltungen.  Emotionale Verschaltungen (und damit wie wir uns fühlen) hängen somit ab von gemachten Erfahrungen, ihren Bewertungen usw.. Was bedeutet das für Kinder und Erwachsene, deren Kindheit belastet war? Hier tun sich noch viele Lücken in der Forschung auf, einiges lässt sich aus den bestehenden Erkenntnissen in aller Vorsicht ableiten und vermuten. Und dieser Blick, zugegebenermaßen nicht ganz einfach, erscheint der Mühe wert, kann er doch das Befinden belasteter Erwachsener, ihre Stimmungen und Gefühlslagen ein wenig erhellen. Und soviel sei vorab verraten: Wenn die Kindheit belastet war, so hat das Folgen für Ihre Emotionalität, ihre Gesundheit und Lebensqualität als Erwachsener…und es gibt erforschte Hilfemaßnahmen…

Hirne sind nutzungsabhängig: warum Kinder mit familiärer Belastung leicht ängstlich werden

Schauen wir zunächst aus neurowissenschaftlicher Perspektive (Versuchte Erklärungen müssen im Angesicht der hochkomplizierten  Vorgänge in unseren Hirnen unverschämte Vereinfachungen bleiben…versuchen wir dennoch eine Annäherung): Außenwelt hinterlässt Spuren in der Innenwelt. Neurologisch spricht man hierbei von inneren Repräsentationen der Außenwelt. Auch die Repräsentationen unserer Gefühlswelt (neurowissenschaftlichen Untersuchungen u.a. von Braun, Spitzer) spiegeln  erlebte Erfahrungen. Unsere Gefühlswelt ist erlernt, vor allem in sozialer Erfahrung. Befinden, Stimmungen und Gefühle sind bei Kindern aus belasteten Familien stark in Mitleidenschaft gezogen. Kinder lernen etwa: „Wenn Papa trinkt, gibt es Ärger für mich!“ Wird diese Erfahrung wiederholt gemacht, wird diese Erfahrung auch neuronal verschaltet: sie bildet eine Hirnspur. Je öfter diese Erfahrung gemacht werden, umso tiefer gräbt sich diese Spur im Hirn ein, sprich: Kinder entwickeln Ängste ( eine Hirnautobahn „Angst“) und weitere mit diesem Erleben verbundene Gefühle werden nutzungsabhängig verschaltet. Aus dem Kind, das in einer Szene Angst hat, wird bei dauerhafter Wiederholung, leicht ein überängstliches Kind: insbesondere dann, wenn, wie oft in tabuisierenden Familien, das Gefühl des Kindes nicht benannt und besprochen werden darf, das Kind folglich keine angemessene Unterstützung in Form von Trost oder Halt erfährt. Das Befinden Betroffener wird durch dieses kindliche Krisenerleben geprägt, das Gehirn entsprechend gebaut – auch als Erwachsene, wenn das Elternhaus längst verlassen wurde, sind diese grundlegenden Verschaltungen angelegt. Es ist also nachvollziehbar, dass ein in der Kindheit entsprechend „verschalteter“ Erwachsener, der die Spur Angst zu einer regelrechten Autobahn im Kopf entwickelt hat (Formulierung in Anlehnung an Hüther), auch als Erwachsener schnell auf eben dieser Autobahn landet. Denkweisen, Selbstbild, Körpererfahrung usw. sind neuronal verschaltet: sie bilden ein Erlebens- Panorama im Jetzt, das im familiären System erlernt wurde.

Unterwegs auf der Hirnautobahn Gefühl

Gefühle sind neuronale Repräsentationen „Wir werden oft von den Gefühlen unbemerkt gesteuert.“ , sagt der Hirnforscher Spitzer schon vor einem Jahrzehnt. Emotionen bieten Kindern Orientierungshilfe beim Zurechtfinden in einer komplizierter werdenden Welt. (Spitzer 2003) Werden anstehende Probleme angemessen gelöst, stellt sich ein gutes Gefühl ein, das sich im Gehirn verankert. (Hüther 1999) Je früher diese Verschaltung erfolgt und je häufiger sie bei Belastungen und Herausforderungen aktiviert wird, umso stärker ist der Bahnungsprozess im Gehirn. Welche Verschaltung zu einem Gefühl gebahnt wird, hängt von subjektiven Empfindungen ab. „Mit jeder erfolgreich bewältigten Belastung, jeder bestandenen Herausforderung wird unter dem Einfluß der bei der kontrollierbaren Streßreaktion stattfindenden Aktivierung des noradrenergen Systems das jeweils empfundene Gefühl in Form von bestimmten dieser Empfindung zugrunde liegenden neuronalen Verschaltungen im Gehirn verankert.“ (Hüther 1999, S.69) Aber auch Belastendes und wiederholt nicht Bewältigtes wird im Gehirn als Trampelpfad abgespeichert. „Emotionale Verunsicherung führt zur Aktivierung limbischer und anderer stress-sensitiver neuro-endokriner Regelkreise und zwingt das Kind, nach geeigneten Strategien zur Wiederherstellung seines emotionalen Gleichgewichtes zu suchen. Einseitige, unbalancierte Bahnungsprozesse führen zwangsläufig zu defizitären Entwicklungen in anderen Bereichen (Wahrnehmung, Motorik, Lernverhalten, Motivierbarkeit, Sozialverhalten). (Trost 2003, S.60) Auch wiederholte Traumatisierungen wirkten nachhaltig destabilisierend auf die neuro-endokrinen und vegetativen Regelkreise.

Gefühle zwischen Ich und Du

Gefühle entstehen im sozialen Raum: Kinder und Erwachsene aus belasteten Familien fühlen nicht an sich, ängstigen sich nicht an sich, sind nicht an sich leer, schuldig, sondern ihre Gefühle sind Repräsentanten und zugleich Träger ihrer sozialen Beziehungen, sprich ihren belasteten Eltern oder Geschwister.

Gefühle werden in einer leibtherapeutischen Sicht sowohl in ihrer Leiblichkeit in Bezug aus Körper, Seele und Geist angesehen, als auch in ihrer Räumlichkeit aufgefasst, in letzterer insbesondere in ihrer Rückbeziehung auf das Subjekt. Psychiater und Leibphilosoph Thomas Fuchs: „Wie beim Tasten (‚Fühlen’) Empfinden und Selbstempfinden ineinsfallen, so ist das Gefühl als Gegenstandsbeziehung zugleich ein Selbstverhältnis, also Fühlen und sich-Fühlen in einem (sich fürchten, sich schämen, sich freuen). Die Furcht oder Angst vor (…) bedeutet auch Furcht oder Angst um mich selbst oder mein Leben. Die Scham vor den anderen ist zugleich die Scham über mich. Im Gefühl ist das Selbst sich nicht gegenständlich, als sein eigenes Objekt, sondern zuständlich, erleidend gegeben, als Subjekt affektiven Betroffenseins.“ (Fuchs 2000) Es lässt sich folgern, wie die sogenannte Zwischenleiblichkeit wirken kann: Betroffene aus belasteten Familien können innerlich derart verwoben sein mit erkrankten Angehörigen, auch und gerade in der Entwicklung ihrer eigenen Gefühlswelt, dass kaum noch eine Unterscheidung zwischen Ich und Du erlebt wird, weder leiblich noch räumlich. Die Gefühle der Eltern wabbern als Atmosphären in den Raum, für die Kinder kaum noch unterscheidbar, wo ihre eigenen Gefühle anfangen, wo sie teil einer Atmosphäre sind. „So werden Gefühle auch zu Indikatoren für die Qualität der Beziehung, in der die anderen Menschen und die Sachverhalte unserer Welt zu uns selbst stehen.“ (Fuchs) Es entsteht ein typischer Schwingungsraum zwischen Eltern und Kindern. Die gelungene oder misslungene Affektabstimmung und der Aufbau von Gefühlen ist maßgeblich für den Aufbau von weiteren Beziehungen. „Gefühle werden im Ausdruck, als Ausstrahlungen, Gesten und Handlungen ‚entäußert’, um so ihrerseits Gefühle in anderen zu induzieren. Ohne dass wir und dessen immer bewusst wären, wirken umgekehrt die Gefühle und Haltungen der anderen ständig auf unsere eigenen ein. So bilden Gefühle einen Raum mannigfaltiger Schwingungen, die sich ausbreiten und ein Eigenleben entwickeln, obwohl sie doch zugleich das persönlichste in uns sind.“ (Fuchs 2000) Also vereinfacht: was wir an Beziehungserfahrung gemacht haben, das wohnt in uns und das geben wir auch in irgendweiner Weise an andere weiter.

Tabu, Geheimnis, Gefühl

Wenn das, was Kinder aus belasteten Systemen bewegt, nicht besprochen werden darf,  nicht nach Außen dringen darf, verstärkt das Stress und Belastung. Zudem verfestigt sich eine Spaltung zwischen  innerem Erleben und dem nach Außen Gezeigten. Viele Kinder können folglich irgendwann nicht mehr unterscheiden, was sie im Angesicht der familiären Tabuisierung fühlen sollen und was sie tatsächlich erleben und fühlen. Gefühle werden zu Leerstellen des Erlebens oder mutieren zu diffusen Grundstimmungen. Dies kann zu einem chronifizierten schlechten Befinden führen, das sich die Betroffenen selbst nicht erklären können. Die erzwungene Verleugnung ihrer realen Lebenssituation (etwa die Drogensucht der Mutter) geht in der Regel so weit, dass sie sich sogar vorwerfen, sich grundlos schlecht zu fühlen. Dieses auf den ersten Blick paradox erscheinende Phänomen ist jedoch bei genauerer Sicht auf die belastete Biografie nachvollziehbar.

Kinder der Krise

Die vorab beschriebenen dauerhaften Krisen von Kindern aus belasteten Familien, messbar am Serum-Cortisolspiegel, können neuronale Strukturen des Hippocampus, der Amygdala und des Corpus Callosum zerstören. Verursacht werden dadurch organisch begründbare Regulationsstörungen, später auch komplexe Störungen von Lernen, Emotionen und Verhalten (Trost 2003). Auch wenn dieser Zusammenhang von neuronaler Schädigung für betroffene Kinder in quantitativen Untersuchungen noch nicht hinreichend untersucht ist, muss vermutet werden, dass Gehirne von Kindern aus belasteten Familien durch das emotionale Klima ihrer Familien stark geprägt sind. Es steht zu befürchten, dass lang andauernde wiederholte Belastungen der familiären Umwelt neuronal entsprechend verankert werden und diese ‚emotionalen Straßen’ auch dann aufgesucht werden, wenn es nicht mehr von Nöten ist. Dies zeigte sich bei denjenigen erwachsenen Personen, die bis ins hohe Alter keine Auflösung des familiären Tabus erfahren hatten, bei denen sich etwa Suchtbelastung durch etliche Jahrzehnte zog und auch im Erwachsenenalter lebensbestimmend blieb. Es scheint in diesem Fall schwer zu sein, eingefahrene Hirnstraßen zu verlassen (etwa die der Angst und Ohnmacht) und neue Straßen (Freude,Hoffnung etc.) zu befahren. Damit kann ein wesentlicher Faktor zur Orientierung in der Welt durch das familiäre Erleben maßgeblich negativ beeinflusst werden. Sogar genetisch scheinen diese Erfahrungen Spuren zu hinterlassen (In jüngerer Zeit wurde an Mäusen nachgewiesen, dass die Gene bei Nachkommen traumatisierter Mütter in Mitleidenschaft gezogen waren; sie zeigten sich als weniger Stressresistent und verzweifelter in eigenen Krisensituationen).

Stress und Krankheit

Viele kennen es aus eigener Erfahrung: Man wird zur anstehenden Prüfung nicht krank, aber kurz danach. Interessante Erkenntnisse hierzu liefert die Psychoneuroimmunologie: In der Stresssituation selbst ist ein Hochfahren des Systems erforderlich, eine Aktivierung des Immunsystems erfolgt. Ein Schutzsystem wird aufgebaut, da Entzündung  nun gefährlich wäre. Es erfolgt eine Corstisolausschüttung im Körper. Cortisol supprimiert die zelluläre Immunaktivität, die uns vor viralen Infekten schützt. Und so findet man der Harvard University Zusammenhänge: bei Überforderung und Stress fordert das Zwischenhirn an, in den Nebennieren Adrenalin zu produzieren. Es erfolgt also eine Verteidigung auf körperlicher Ebene, Erregung wird gedämpft. Chronischer Stress dämpft in der Folge Immunabwehr und zelluläre Abwehr. Folge waren eine Reihe von Anfälligkeiten: die Versuchspersonen zeigten sich  Grippe-und Herpesanfälliger, anfälliger für Neurodermitis-und Autoimmunerkrankungen sowie Allergien. Dies konnte auch an Kindern stressbelasteter Mütter nachgewiesen werden.Man fand beispielsweise Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen im Kindesalter und Rheumaerkrankungen im Alter. Biochemische Vorgänge sind komplex. Der Zusammenhang zwischen Stress in der Kindheit und späterer Krankheit lässt sich heute erklären: Das überforderte System ist irgendwann erschöpft. Es kommt zu vermehrten Entzündungen, was zu schweren Erkrankungen wie Rheuma, Krebs usw. führen kann (hierzu auch Christian Schubert, Innsbruck, Integrativer Therapeut und Psychoneuroimmunologie/Psychotherapie- Integrierte Medizin).

Denken wir die vorangestellten Forschungen für Erwachsene aus belasteten Familien weiter, so wird deutlich:

  • es besteht ein Zusammenhang zwischen emotionalen Belastungen in Kindheitstagen und emotionaler Befindlichkeit im Erwachsenenalter
  • es besteht ein Zusammenhang von wiederholten stressenden Kindheitserfahrungen und chronischen/schweren Erkrankungen im Erwachsenenalter.

Eine große Belastung der Lebensqualität von Menschen mit belasteter Kindheit erschent  evident.

„Help…I need somebody“

In der Überschrift, hier mit einem Oldie der Beatles, wird kurz auf den Punkt gebracht, was wir Kindheitsbelastungen, Stimmungs-und Befindlichkeitstörungen entgegensetzen können: Hilfe suchen und annehmen, die Verbindung und Zuwendung von anderen, nahestehenden Menschen… also können wir etwas tun!

Fasst man die vorab geschilderten Forschungsergebnisse zusammen, so sind die Belastungen und Folgen bei Kindheitsbelastungen hoch einzustufen. Und dennoch eine gute Nachricht aus der Forschung:  es gibt Stärkendes! Widerstandskräfte, die uns schützen, sogenannte Resilienzen. Resilienzen sind also das, was uns stark macht.  Resilienzen sorgen dafür, dass viele Menschen mit Kindheitsbelastungen eben auch nicht erkranken. Eine bedeutsame stabile Beziehung im Umfeld eines aufwachsenden Kindes ist eine solch hochwirksame Resilienz. Sind Erkrankungen vorhanden, zeigten sich etwa Meditation und soziale Anbindung als hochwirksam. Vernetzen und andere Menschen mit ins Boot Holen zeigt in allen Lebensphasen Wirkung. Nervensystem und Immunsystem können einander verständigen, dies können wir für uns nutzen. Decartes Dualismus hat lange Medizin bestimmt. Aber neuere Forschungen überprüfen, wie Gehirn und Immunsystem zusammenhängen und es wird deutlich: sie sind in ständigem Austausch. Ein gestresstes Gehirn beeinflusst das Immunsystem, somit gilt auch die Umkehrung: ein entspanntes Gehirn entlastet den Körper. Körper und Geist sind eine Einheit, was ganzheitliche, integrative, leiborientierte, kreative und komplementär-Medizin für Betroffene auf den Plan ruft. Basis bildet weiterhin die Schulmedizin. Gute Erfolge ließen sich auch durch kognitive Umstrukturierung erzielen, also problematische, dysfunktionale Gedanken, etwa durch einen anderen Gedanken zu ersetzen ( wie es in einigen Religionen und Philosophien auch seit Jahrtausenden gelehrt wird)…  Selbstheilung können Sie aktiv unterstützen. Sogar ein EEg kann signifikant verändert werden. Sie können durch Ihre Lebens-und Denkweise Einfluss nehmen.

Ein wichtiger Faktor: ein Feld der Hoffnung und Zuwendung (Liebe auch zu nennen), im Idealfall zu Hause. Der Satz: „Ich kann gesund werden!“, oder: „Ich kann meine Kindheitswunden überwinden!“ gehört zur hochwirksamen Einstellung, die Veränderung möglich werden läßt. Hilfe für Betroffene muss individuell erfolgen, spezifisch zugeschnitten sein: sie benötigt mindestens einen wohlwollenden Anderen. Immer sollte sie Anregung zur Selbsttätigkeit beinhalten (hierzu auch das AWOKADO-Selbsthilfe-Programm in Vater, Mutter, Sucht 2015)
Glauben wir der Psychoneuroimmunologie, so hilft: Optimismus, stabile Sozialkontakte, guter Alltag und körperliche Nähe.

Filmbeitrag Selbstheilungskräfte und Psychoneuroimmunologie:http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=41334

Fuchs, T. (2000). Leib-Raum-Person. Entwurf einer Phänomenologischen Anthropologie. Stuttgart: Klett Cotta.

Fuchs, T. (2008): Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. Stuttgart: Kohlhammer.

Hüther, G. (1999): Biologie der Angst. Wie aus Stress Gefühle werden. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Lammel, U. A. (2007). Phänomenologie einer Jugendkultur in den 90er Jahren und Anfragen an Soziale Arbeit in Praxis und Ausbildung. In H. Petzold, P. Schay, P. & W. Ebert (Hg.), Integrative Suchttherapie. Theorie, Methoden, Praxis, Forschung (2. Aufl.) (S. 17-63). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Michaelis, K. & Petzold, H. (2010). Zur Situation von Kindern suchtbelasteter Familien aus Sicht der integrativen Therapie. Integrativ-systemische Überlegungen zur Entwicklung von Risiko und Resilienz bei Kindern mit suchtkranken Eltern. Integrative Therapie, 36 (2/3), 252-280.

Orth, I. ( 2012): Unbewusstes in der therapeutischen Arbeit mit künstlerischen Methoden,kreativen Medien – Überlegungen aus der Sicht „Integrativer Therapie“ in Polyloge, Internetzeitschrift der EAG-FPI.

Spitzer, M. (2002). Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum.

Trost, A. (2003). Interaktion und Regulation bei suchtkranken Müttern und ihren Säuglingen. In Landschaftsverband Rheinland, Dezernate Gesundheit und Jugend/ Landesjugendamt (Hg.), Suchtfalle Familie?!. Forschung und Praxis zu Lebensrealitäten zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Dokumentation der gemeinsamen Fachtagung der KFH NW, Forschungsschwerpunkt Sucht, und des Landschaftsverbandes Rheinland, Dezernate Gesundheit und Jugend/Landesjugendamt. Köln.

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Von der belasteten Kindheit zum besseren Leben-„…neu laufen lernen

Wie besprochen soll es in dieser Woche weiter um Menschen gehen, die von sich sagen, dass es ihnen nach einer schwierigen Kindheit heute besser geht; in Befragungen schildern sie ihren persönlichen Weg. Heute möchte ich  Ihnen Frau L. vorstellen, eine Enddreißigerin, die ihren Beruf als Sozialarbeiterin aufgrund von Erschöpfungszuständen aufgeben musste. Ihre Mutter ist inzwischen trockene Alkoholikerin. Frau L. trifft diese etwa alle zwei Monate.

Vorher „Im Hamsterrad“

„…wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir selbst daran die Schuld.“

Jetzt: „Frieden“

„Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen…Ich musste ja bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten. Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.“

 Für ihre Zukunft wünscht sie sich: „Das Leben genießen“

Wie hat es Frau L. geschafft?

Wie viele Erwachsene aus belasteten Familien ist bei Frau L. im Laufe ihrer KIndheit ihre Bewertungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt worden. In Familien, in denen Werte nicht klar sind, wo „richtig“ und „falsch“ in der Sucht etwa durcheinandergehen, wo „wichtig“ nicht mehr von „unwichtig“ zu unterscheiden ist, beginnen die Kinder oftmals zu schwimmen ( übrigens auch eine nachhaltige Lernbeeinträchtigung bei Kindern, die meist übersehen wird). Die grundlegende Orientierung geht verloren. Aus  „Ich weiß nicht, was wichtig ist“ wird leicht: „Ich weiß nicht , was mir wichtig ist!“ und schließlich „Ich bin nicht wichtig!“Auch als Erwachsene tun sie sich dann mit  Bewertungen schwer: sie können kaum ein Maß für ihre Belastungen finden, wissen nicht mehr, was zu viel ist;jede noch so kleine Entscheidung bringt sie in existenzielle Nöte: „Bloß nichts falsch machen“ und bitte alles so perfekt, dass es keinen Fehler zu bemängeln gibt. Über diesen Prozess ist Frau L. erschöpft. Belastungen mussten reduziert, Entscheidungen unterstützt und begleitet werden ( man könnte diesen Prozess auch als kindliche Nachnährung bezeichnen, im Sinne des AWOKADO-Hilfe-Konzeptes wurde „Orientierung“ angeboten). So fand sie aus ihrer Starre und Erschöpfung in ein selbstbestimmtes Leben zurück.

Geben  Sie die Hoffnung nicht auf…wenn Sie mit einem belasteten Elternteil oder Partner leben oder gelebt haben: nutzenSie das Jetzt, um Ihren Weg neu und gut zu erträumen/imaginieren und ihn vielleicht auch bald tatsaechlich zu gehen.

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

„Nicht müde werden“-Hilde Domin

 

„Nicht müde werden!“…wenn Sie in dieser Woche vielleicht von Tag zu Tag die Erzählungen der Kinder aus Suchtfamilien in diesem Blog verfolgt haben, dann konnten Sie lesen und wissen womöglich aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, dieser Aufforderung nachzukommen. An das Wunder glauben, die Hoffnung nicht aufgeben: eine schwierige Kunst für Kinder aus belasteten Familien. Wer von Kindestagen an in seinen ersten Bindungen und Erfahrungen, enttäuscht, angelogen, womöglich missbraucht wird, wer massive Angriffe auf Körper und Seele verkraften muss, und das in der eigenen Familie, dem Ort, an dem eigentlich Schutz und Geborgenheit erlernt werden sollte, für den kann es sehr schwierig sein, zu hoffen. Das Hoffen wil von all diesen Kindern bis ins Erwachsenenalter mühsam erarbeitet sein: Die früh erlernten Negativsätze müssen aktiv verwandelt werden. Wie der Hochspringer seinen Flopp müssen diese Kinder aus belasteten Familien das Glauben und Vertrauen ins Leben regelrecht einüben. Dazu gehört auch, das eigene Misstrauen ernst zu nehmen und nicht flüchtend in das Gegenteil zu verfallen:  allem und allen  eine rosarote Brille aufzusetzen.

Aus dieser inneren Arbeit kann dann meist eine neue Kraft erwachsen, die ich in Anlehnung an Hilde Domin die „Kraft des Dennoch“ nennen möchte. Sie ist für mich eine Meisterin der Kraft des Dennoch. Als Jüdin war sie zeitlebens Verfolgte, musste Deutschland verlassen, ihre Mutter kam in Auschwitz um: sie hat unglaubliche Worte für diese Kraft des Denoch gefunden ( Leseempfehlungen s.u.). Diese Kraft nahm sie, wie sie erzählte, aus dem, was sie in ihren Kindheitstagen mit ihren Eltern an Positivem erfahren durfte. Biografische Texte auch in Fast ein Lebenslauf

Ein eindrucksvolles Porträt der Dichterin  von Regisseurin Anne Ditges, aktuell in der WDR Mediathek- sehenswert. Ich will dich

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche und Achtsamkeit für kleine oder große Wunder, die Ihnen „dennoch“ begegnen.

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Leseempfehlungen…mehr zu den Büchern durch klicken aufs Cover

Gesammelte autobiographische Schriften

Vergessenen Kinder eine Stimme geben- Texte zur Coa-Aktionswoche 5

Raffaela, 13 Jahre:

„Ich habe jetzt einfach andere Wichtigkeiten!“

Vor der Therapie hatte ich viele Probleme mit meiner Mutter, ich dachte, dass ich schuld an allem bin. Ich war oft sehr, sehr traurig.

Es geht mir jetzt besser, ich achte mehr auf mich. Mir geht es gut, auch, wenn es meiner Mutter schlecht geht. Ich stürze nicht ab, wenn sie abstürzt, ich bin glücklicher. Ich kann mit meinen Freunden über ganz normale Sachen reden, ich bin nicht mehr nur voller Probleme, ich lache oft. Nachdem ich in der Therapie erzählt habe, was los ist, habe ich das auch ein paar anderen aus meiner Klasse gesagt, was mit Mama los ist. Die trösten mich jetzt, wenn was ist. Das hilft.

Ich habe jetzt einfach andere Wichtigkeiten. Familie, da ist so viel los, das lass ich hinter mir: ich konzentriere mich auf Freunde und Schule, dann geht’s mir gut. An dem anderen kann ich eh nichts machen.
Mein Zukunftswunsch ist, dass Mama clean ist und ich mit ihr zusammen wohnen kann.

Train your hope!… oder alles beginnt mit einem ersten Schritt/mit Übungsteil

Wenn Kinder wiederholt von Eltern enttäuscht wurden, (wenn etwa das Versprechen, sich von der Sucht zu lösen oder gewalttätiges Verhalten zu unterlassen, wieder und wieder nicht eingehalten wurde oder elterliches Verhalten nicht „diskutiert“ oder angesprochen werden darf), dann fällt es  Kindern besonders schwer, noch an jemanden zu glauben.In der Folge wird es sogar zu einem Problem, auf die Möglichkeit der Veränderung überhaupt zu hoffen, auch als Erwachsene. Es fällt dann schwer, überhaupt noch hoffnungsvoll zu sein, überhaupt noch etwas zu ersehnen und wünschen.Manche dieser erwachsenen Kinder haben sich über die Jahre in der hoffnungslosen Traurigkeit eingerichtet: sie ist ihnen zur inneren Heimat geworden. Dieses Vertraute zu verlassen, ist schwer.

Manche Menschen, die in ihrer Kindheit besonderen Belastungen ausgesetzt waren, erkranken zudem körperlich oder/und seelisch. Hier wird es besonders schwierig, die Hoffnung auf die Heilung und Veränderung zu beleben, sie nicht gänzlich zu verlieren. Viele Beispiele zeigen uns, wie mächtig Hoffnung in das Leben spielt, wenn es um existenzielle Erkrankung geht: „Totgesagte“ lebten entgegen aller gegenteiligen Voraussagen lange weiter, „Kerngesunde“ starben, nachdem ihnen irrtümlich mitgeteilt wurde, dass sie nur noch sehr kurze Zeit zu leben hätten.  Ungewöhnliche Heilungswege zeigt Anne Devillard in ihrem Buch „Heilung aus der Mitte“ in Experteninterviews unterschiedlicher Couleur (Kuby, Dahlke, Dürr, Willigis Jäger  usw.) – Die Bedeutsamkeit von Einstellung, Hoffnung und Glaube zeigt sich eindrücklich – wenngleich dort, wo die persönliche Erfahrung kurzerhand zum Rezept für jedermann erhoben wird, m.E. Vorsicht angezeigt scheint.

Wie sich die Kindheitsbelastung auch im Jetzt auswirkt:  der Wunsch nach Heilung ist  groß. „Sehnsucht“  nach Heilung und einem besseren Leben, zeigt sich als wertvoller Motor: sie treibt an und ist ein guter Verbündeter. Diese Sehnsucht braucht  Unterstützung durch den Faktor „Hoffnung“.  Es mag für Sie befremdlich klingen, aber  in der Zusammenarbeit mit Betroffenen zeigte sich: Erwachsene mit schweren Kindheitsbelastungen müssen „Hoffen“ üben –  also, packen wir es mit der zeitgemäßen Formulierung an: Train your hope!

Übung Train your hope

Wenn Hoffnung, Glaube und Vertrauen auf der Strecke geblieben sind, dann ist der Weg ebendahin nicht leicht: diese Fähigkeit muss wie im Sport erst trainiert und aufgebaut werden. Beginnen Sie jetzt: Seien Sie geduldig mit sich, was viele Jahre nicht möglich war, ist nicht in einer Übungseinheit in wenigen Minuten zu ändern…

Probieren Sie aus…passt es gerade?

Dann nehmen  sich jetzt einige Minuten Zeit. Gehen Sie, so wie es auf dieser Seite an anderen Stellen beschrieben wurde, in der bewährten Weise mit der Achtsamkeit zu Ihrem Atem, gehen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit zu sich selbst. Nun sinnieren Sie ein wenig: was hoffen Sie ganz und gar nur für sich selber (Hinweis: in vielen Fällen etwa wünschen sich Menschen in Beziehungen, die in großer Abhängigkeit voneinander geführt werden, dass sich der Partner verändern möge, also dass er aufhört mit einem schädigenden Suchtverhalten etc.- meist erfolglos)-. 

Formulieren Sie nun diese Hoffnung, die sich auf ihr Leben bezieht, sehr genau. Schreiben Sie Ihren Satz auf und formulieren Sie ihn solange um, bis er exakt für sie stimmt. Bei anderen Betroffenen lautet ein Satz etwa :“

Ich weiß, dass ich ruhig und zufrieden leben kann!“ oder

„Unabhängig davon, wie sich die Menschen um mich herum entwickeln, weiß ich, dass ich mein Leben positiv gestalten kann.“ oder

„Ich werde ab sofort gut für mich sorgen!“

Wenn Sie Ihren Satz gefunden haben und er Ihnen, so wie er nun formuliert ist, stimmig erscheint, so ist er Satz wichtig für Ihr weiteres Leben. Ihn heute zu formulieren, war ein wichtiger erster Schritt. Damit dieser Satz Sie auf dem Weg in Ihr neues Leben wirklich stützt, also wirklich Teil ihres neuen Denkens und Hoffens wird, müssen Sie ihn fortan wertschätzen, indem sie ihn regelmäßig wiederholen. Finden Sie ein Ritual, zu einem festen Zeitpunkt am Tag, an dem Sie diesem Satz durch mehrmaliges Wiederholen einen Platz geben. Ihre Gehirnbahnen, so zeigen uns Forschungen, können neugebaut werden und damit auch ihr Hoffnungspotenzial- diese neuronalen Bahnen brauchen Wiederholung und Ihre Begeisterung bei der Sache…

Vielleicht haben Sie Bilder im Kopf, wie dieses  Leben mit Heilung sich anfühlen wird: Finden Sie ein Symbol, einen Klang oder eine Landschaftsszene, etwas, was dieses Gefühl wiedergibt.  Kombinieren  Sie dieses mit Ihrem Satz. Wichtig ist: Tun Sie es mit dem Bewusstsein, dass Sie Ihr Leben gerade jetzt in die Hand nehmen. Wenn Sie all dies halbherzig und ohne Glauben auf Hoffnung machen, diese Zeilen lesen, nur um Sie, wie gewohnt, abzuspeichern unter: „Klar, man kann viel reden, bei mir klappt das alles eh nicht!“ dann wird sich diese Aussage wahrscheinlich auch in dieser negativen Weise erfüllen.

Seien Sie in der nächsten Woche achtsam, wo Ihnen Wünsche nicht materieller Art begegnen, Visionen, Sehnsüchte…notieren Sie diese.

Wenn Sie alleine nicht zu Glaube und Hoffnung finden, suchen Sie nach einen wertschätzenden Anderen, dem Sie sich anvertrauen: auch das kann wahre Wunder bewirken! Wenn es diesen Menschen in Ihrem Leben gerade nicht gibt, schauen Sie in guten Selbsthilfeforen nach Online-Gesprächspartnern. Auch das kann ein erster Schritt sein, Ihrer Hoffnung nachzugehen.

Wie finden Menschen mit Kindheitsbelastungen ihre Heilung?…Damit beschäftigen sich viele Beiträge auf dieser Seite. Als ein entscheidender Einflussfaktor für ihr gelingendes Leben zeigte sich, wie wir nun angesehen habe, die Fähigkeit, zu hoffen. Diese Fähigkeit ist eng verknüpft mit dem, was Erikson das Urvertrauen nennt. Dieses entsteht nach Eriksons Auffassung im ersten Kontakt mit den Eltern. Petzold spricht in diesem Zusammenhang von Grundvertrauen, das auf dem Grund menschlicher Existenz fuße, einem Fundament, das unsere Existenz trage (Petzold , S.231). Diesem Verständnis nach verfügen Menschen über ein Grundvertrauen, das „einfach da“  ist. Es wird durch die frühen Beziehungen  bekräftigt. Für manche ist auf diesem Urgrund eine enge Gottesverbindung, eine Kosmos-Verbindung oder Spiritualität angesiedelt. Wie sich dieser Grund auch jeweils gestaltet, zu diesem Grund und dem Grundvertrauen müssen und können Menschen mit Kindheitsbelastungen zurückfinden. Diesen Weg zum Grund zu ermöglichen, stellt  eine zentrale Aufgabe von Therapie für Erwachsene mit Kindheitsbelastungen. Eine therapeutische Beziehung kann hier eine wichtige Rolle auf dem Weg zu Grundvertrauen und Hoffnung übernehmen. Eine andere wichtige Bedeutung kann darin bestehen, Einstellungswandel zu begleiten. Wann wir entlastet, gesund, heil sind, ist eine Frage der Perspektive:

Jacob Klaesi

„Gesundheit ist das Vermögen, auch Krankheit und Gebrechen gleichmütig, wenn nicht gar heiter und dankbar, jedenfalls aber würdig und fruchtbringend zu ertragen.“

zitiert nach Petersen, in: Die Rolle des Therapeuten und die therapeutische Beziehung, S.22/23)

Hat dieses Zitat des Schweizer Psychiaters Klaesi auch in Ihnen Widerspruch hervorgerufen?  Ein hoher Anspruch liegt in dieser Aussage: aber auch eine interessante Perspektive. Die Ansprüche an das eigene Heilsein zu reduzieren, die angestrebte Heilung nicht mit vollständiger Gesundung gleichzusetzen sondern den guten Umgang mit Krankheit als „gesund“ zu definieren, kann entlastend wirken. Betroffene, die in der Lage waren, auch kleine Verbesserungen zu würdigen (Krankheits-, Belastungs- und Schmerztagebücher waren dabei hilfreich), fühlten sich gesünder, bezeichneten sich insgesamt als „heiler“. Es zeigte sich, dass Heilung für Betroffene mit Kindheitsbelastungen das Gelingen eines Balanceaktes bedeutete: der Balance zwischen Akzeptanz und Gestaltung. Die Akzeptanz, dass kindliche Belastung nicht folgenlos geblieben ist einerseits, und das Zutrauen zur eigenen Gestaltungsfähigkeit andererseits: ein Bewusstsein für die eigene Wirkmächtigkeit, das Ausmaß und die Einstellung zu den Belastungen aktiv zu wandeln ebenso wie das Wissen, um die Grenzen des menschlichen Einfluss.

Ich wünsche Ihnen eine gute Balance und Mut zur Hoffnung. Vielleicht versetzen Sie mit Ihrem Glauben noch nicht „Berge“, aber einen kleinen wichtigen Stein in die richtige Richtung!

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Zitate aus

Dr. Waltraut Barnowski-Geiser ist Therapeutin und Autorin.

Ihre Bücher zum Thema: Vater, Mutter, Sucht (2015) und Hören, was niemand sieht ( 2009).

Arbeit und Unterstützung nach dem AWOKADO-Hilfe-Konzept (auch in individuell zugeschnittenen Kompaktblöcken) in ihrer Praxis KlangRaum in Erkelenz

Hoffnung: „Wann reißt der Himmel auf?“

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Wenn Menschen mit Angehörigen aufwachsen, die chronisch erkrankt sind, oftmals durch ihre gesamte Kindheit hindurch und manchmal noch weit darüber hinaus, dann fühlt sich das Leben an, so beschreiben es betroffene erwachsene Kinder, wie ein endloser Sumpf, aus dem es nie mehr ein Entkommen zu geben scheint.Ob diese elterliche Erkrankung das Etikett „Sucht“, „manisch-depressiv“ oder „Kriegstrauma“ trägt: Diese mitbetroffenen Kinder fühlen sich oftmals hoffnungslos. Ihre erlebte Ohnmacht und die gefühlte Hilflosigkeit gegenüber der elterlichen Krankheit ( sowie auch ihren „am eigenen Leibe“ hautnah alltäglich erlebten Folgen) wirken endlos. Dieses dauerhafte Erleben beeinflusst, wie Betroffene ihre Welt sehen und wie sie künftig auf diese zugehen werden. Ihre persönliche Glücksdefinition ist davon geprägt, und lautet etwa:

Mein Leben wäre prima, wenn meine Eltern nicht mehr krank wären…oder:

Wenn meine Mutter nicht mehr trinkt, erst dann (und nur dann), kann ich glücklich sein.

Wenn mein Vater sich endlich seine Kriegs-Traumatisierungen in einer Therapie ansieht, dann wird es endlich auch für mich besser…

Die Erfahrung zeigt: solange diese Kinder auch als Erwachsene ihr Glück und Wohlergehen von der Gesundheit oder Krankheit ihrer Eltern abhängig machen, solange finden sie selbst kaum Frieden und Glück. Erst wenn das eigene Leben, ein Recht auf eigene Bedürfnisse und ein recht auf eigenes Glück, ohne den erkrankten Elternteil, in den Vordergund rücken kann, „reißt der Himmel“ auch für sie, um im Bild zu bleiben, ein Stück auf.

Der Song der Gruppe Silbermond kann eine gute Hilfe sein, über die Frage des Lebensglücks nachzusinnen. Viele Betroffene beschreiben es so oder änhlich: Als ich die Krankheit meiner Eltern ein Stück loslassen konnte, diese nicht mehr kontrollierte und sie auch nicht mehr besiegen musste, erst dann gewann ich selbst mehr Lebensqualität.

Es gibt also eine Aussicht auf ein besseres Leben: unabhängig davon, ob Ihr Elternteil weiter trinkt, weiter psychisch erkrankt ist usw. Geben Sie Ihre Hoffnung nicht auf, ändern Sie dort etwas, wo sie es können: bei sich selbst!

Vielleicht beginnen Sie in dieser Woche damit, den Himmel zu beobachten…einfach so!

Hier ein Link zum Video der Gruppe Silbermond

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche,

Ihre Waltraut Barnowski-Geiser

Bildhauer deines Lebens (mit Übung Skulpturenpark)

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Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: so spricht der Volksmund, um die Weitergabe bestimmter Eigenschaften von Generation zu Generation zu pointieren. Dieser Weisheit scheinen gerade manche Menschen aus belasteten Familien unbewusst zu folgen: sie schreiben sich vor allem Negatives aus ihren Familien zu, machen es sich wiederholt zu eigen. Auch wenn Kinder belasteter Eltern höhere Risiken für eigene Erkrankungen haben gegenüber Kindern aus nicht belasteten Familien, so bedeutet das jedoch nicht (und das zeigen aktuelle Studien), dass sie selbst zwangsläufig erkranken müssten, etwa Kinder trinkender Eltern zwangsläufig selbst zu Alkoholikern würden. Es gibt offenbar Schutzfaktoren, die diese Weitergabe von Generation zu Generation (auch Transmission in der Fachsprache genannt) verhindern. Eine gute Nachricht: Die weitaus höhere Zahl der Kinder von belasteten Eltern erkrankt nicht selbst an der elterlichen Sucht.Schauen wir jedoch allein auf die Weitergabe der Sucht, so greift das m.E. zu kurz. Denn: viele Betroffene im Erwachsenenalter leiden dennoch an der Qualität ihres Lebens. Sie fühlen sich schlichtweg nicht gut in ihrer Haut – sogar auch dann, wenn sie ein scheinbar erfolgreiches Leben führen. Da sie über viele Jahre Schweres erlebt haben, fällt es ihnen schwer zu glauben, dass Veränderung möglich ist: Oftmals fehlt überhaupt eine Vorstellung davon, was ein gutes Leben ausmacht und wie es sich anfühlt, da mit Eltern leb(t)en, die ihnen wenig Modell für ein gelingendes Leben sein konnten. Und wenn etwas gut läuft, so haben Betroffene durch ihre vielen ungünstigen Erfahrungen gelernt, diese gute Phase lediglich als Zwischenstadium zur nächsten Katastrophe zu interpretieren. Hier hilft es, manchmal leider nur unter großer Anstrengung, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, die Selbstwirksamkeit und die aus den Kindheitstagen ebenso erwachsenen Stärken wiederzuentdecken, den Glauben an die Möglichkeit eines guten Lebens zurückzugewinnen. Als Voraussetzung zu diesem notwendigen Perspektivwechsel zeigte sich, dass die Betroffenen in der Lage waren, ihre Sicht als Erleidende, (in der sie sich, durchaus nachvollziehbar, als „Opfer“ ihrer erkrankten Eltern erlebten), allmählich zu wandeln und dem Wunsch folgten, aktiv ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Schon der Philosoph Foucault sah im Menschen einen „Gestalter“ , im Sinne einer Lebenskunst. Die Integrative Therapeutin und Mitbegründerin der Posietherapie Ilse Orth spricht in diesem Zusammenhang vom „Bildhauer der eigenen Existenz“.

Vielleicht nehmen Sie sich Zeit für eine passende Übung,die diesen Gestaltungsprozess auf kreativem Wege folgt. Dafür sollten sie mindestens 30 Minuten Zeit einplanen.

Übung: Skulpturenpark

Gehen Sie, wie schon in den vorhergehenden Übungen angeregt, zunächst in Ihre Atemachtsamkeit…Stellen Sie sich nun vor, dass Sie mit jedem Atemzug ein Stück tiefer zu ihren inneren Bildern reisen…

Vor Ihnen liegt ein wunderbarer Park im Sonnenschein. Sie wandern hindurch, spüren mit jedem Schritt das Gras unter ihren Füßen, spüren die Sonne auf Ihrer Haut. Sie hören die vielfältigen Geräusche im Park, sehen den Farbreichtum.

Nun entdecken Sie, dass hier viele unterschiedliche Skulpturen stehen, die jeweils den Namen einer Person tragen. Offensichtlich hat ein Künstler dem Leben dieser Person Gestalt in einer Skulptur gegeben…Sie wandern an vielen Skulpturen vorbei, die ganz unterschiedlich aussehen. Sie bekommen eine Anmututng über das Leben des jeweiligen Person.

Nun stehen Sie vor einer Skulptur, die Ihren eigenen Namen trägt. Schauen Sie das Werk genau an. Wie sieht es aus? Aus wechem Material ist die Skulptur, aus welcher Farbe? Sehen Sie Ihre Skulptur aus unterschiedlicher Perspektive an.

Betrachten Sie diese Skulptur nun mit einem wertschätzenden Blick: Was gefällt Ihnen besonders? Was macht die Skulptur einzigartig gegenüber den anderen Kunstwerken?

Möchten Sie der Skulptur noch etwas hinzufügen?…Tun Sie das nun in Ihrer Fantasie…

Vielleicht malen Sie die Skulptur später und versehen sie  mit einem passenden, ergänzenden Titel.Werden Sie Bildhauer Ihres Lebens…vom Papier sind es nur wenige Schritte bis in Ihr Leben!

(Übung in Anlehnung an Barnowski-Geiser, 2009:Hören, was niemand sieht)

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Wenn gestern nicht einfach vorbei ist… Schwierige Kindheitstage trotzdem überwinden!

Wenn Menschen als Kinder in ihren Familien Ungutes erlebt haben, und das oftmals über Jahre hinweg, manchmal von Geburt an, dann trifft der Ausspruch „Vorbei ist vorbei!“ bei ihnen oftmals einen sehr empfindlichen Nerv. So wahr diese Aussage, (oftmals von Angehörigen oder Freunden sogar durchaus gut gemeint) auch an den aktuellen Fakten gemessen sein mag, so wenig hilft sie Betroffenen: denn ihr tägliches Erleben ist ein anderes. Sie fühlen sich oftmals innerlich, scheinbar grundlos, ängstlich, überfordert und hilflos, und das, obwohl sie im Außen oftmals Ungeheures leisten.

Was passiert genau bei diesen Menschen? Lassen Sie uns, um das genauer zu verstehen, neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu Rate ziehen. Wir wissen heute (und natürlich sind Beschreibungen für diese hochkomplexen Vorgänge zwangsläufig sehr vereinfachend), dass unser Gehirn sich so aufbaut, wie es genutzt wird. Die Verschaltung der Synapsen ist also nutzungsabhängig,  bestimmt von anschwellenden und abschwellenden Erregungspotenzialen. Das gilt auch, so beschreibt es etwa Gerald Hüther in seinem Buch „Biologie der Angst“, für emotionale Verschaltungen. Wenn also ein Kind in eine Familie hineingeboren wird, in der die Eltern große eigene Probleme haben, dann wird es schon als Säugling viel davon mitbekommen, dazu in Resonanz gehen. Wir wissen heute aus entwicklungspsychologischen Forschungen, dass schon Säuglinge viel mehr wahrnehmen als wir je angenommen haben: auch Atmosphären, Stimmungen, Emotionen. Stellen wir uns eine Familie vor: vielleicht  lebt hier ein suchtkranker Vater, der, wenn er trinkt laut wird und Streit anfängt, täglich über sich die Kontrolle verliert und eine Mutter, die sich liebevoll um ihr Baby kümmert, aber durch die Probleme mit dem Ehemann gereizt und an ihren Grenzen der Belastbarkeit angekommen ist: all dies wird ihr Baby mitbekommen, Angst und Schrecken gleichsam mit der Muttermilch aufsaugen. Auf das Wahrgenommene kann das Baby unterschiedlich reagieren: eine Möglichkeit zu reagieren kann sein, Angst zu entwickeln. Aus dieser befeuerten Hirnspur der ersten Lebensmonate, der verschalteten Synapsenspur der Angst, wird leicht ein breiterer Hirnweg, wenn er künftig täglich genutzt wird. Wird, um im Bild zu bleiben, die Angstspur lange Zeit und wiederholt gefahren (etwa weil die Sucht und die damit vorhandenen familiären Probleme stärker werden),kann sie zu einem breiten Trampelpfad, einer regelrechten Hirnautobahn werden. Wird diese Autobahn über Jahre, gar Jahrzehnte so weiter genutzt, dann kann es passieren, dass unser Säugling, nennen wir ihn hier Suchtkind, auch als erwachsene Frau mit 40 oder gar 60 Jahren alltäglich auf dieser Angstautobahn fährt. Sie hat den Eindruck, gar nicht anders fahren zu können. Scheinbar hat sie grundlos Angst, gibt es doch aktuell gar keinen Anlass zu Ängsten und Sorgen. Frau Suchtkind fühlt sich nun ihren Gefühlen hilflos aufgeliefert.Doch das heutige Gefühl ist nicht sinnlos, auch wenn Frau Suchtkind es berechtigter Weise als unangenehm empfindet: dieses Gefühl macht unsere Frau Suchtkind darauf aufmerksam, dass das früh als Kind Erlebte heute Hinwendung und Zuwendung verlangt.

Nicht mehr Fühlen – auch ein (Paar)-Problem
So wie sich Frau Suchtkind ständig sorgt und ängstigt, gibt es andere Menschen mit unguten Kindheitserfahrungen, die andere Bewältigungsstrategien gefunden haben: sie fühlen nicht mehr. Gefühle, das haben sie bemerkt, sind ungeheuer schmerzhaft. Damit soll Schluss sein! Sie wollen sich nicht mehr erschüttern lassen. Dieser Vorgang läuft nicht bewusst ab, sondern ist oftmals ein Schutzmechanismus der Seele, den Betroffene selbst nicht einmal bemerken,Oftmals bemerken sie erst erst durch die Rückmeldungen von anderen, dass etwas problematisch und nicht ganz in Ordnung ist. Die Partnerin etwa drängt: „Mach mal Therapie, ich komme nicht an dich heran!“ Eine neuerliche Verzweiflung. Sich mit diesen schlimmen Erfahrungen auf einen fremden Menschen einlassen, gar einen Therapeuten, wo sich Betroffene selbst schon manchmal fragen, ob mit ihnen noch alles stimmt. Dann besser nichts machen! Und nun stecken sie fest. Derart Betroffene und ihre Partner stecken oft in Krisen fest, die von großer Sprach-und Hilflosigkeit gezeichnet sind. Neben Angst und Gefühllosigkeit, Scham und Schuld, leidet dann mit der Zeit vor allem eines: das eigene Selbstwertgefühl. Die Lebensqualität leidet, Betroffene bleiben unter ihren eigenen Möglichkeiten zurück- sie sind unzufrieden, fühlen sich diffus unzulänglich – ihr Umfeld leidet oft mit.Und wieder droht eine Familie unglücklich zu werden, so wie es die Betroffenen aus ihrer Herkunftsfamilie kennen- und gerade das wollten sie in ihrem Leben doch unbedingt vermeiden. Ein Teufelskreis.

Der erste Schritt aus dem Dilemma
Was kann aus diesem Dilemma heraushelfen? Der erste Schritt ist der schwierigste: er bedeutet, wahrzunehmen, was wirklich los ist. Dazu gehört viel Mut. Vielleicht brauchen Sie dabei Unterstützung. Einen Menschen, der die Belastungen, die sie getragen haben, würdigen kann, aber der auch mit ihnen einen Blick auf Ihre Stärken und das, was sie bis heute geschafft haben, werfen kann.  Die Würdigung der Belastungserfahrung und die Würdigung der eigenen Stärken, die sie aus und in diesen Krisen entwickelt haben, beschrieben Menschen in meinen efragungen als einen der wichtigsten Hilfefaktoren, sich besser und entlasteter zu fühlen (Barnowski-Geiser (2015): Vater, Mutter, Sucht). Kreative Wege eröffnen Möglichkeiten, sich diesen Stärken anzunähern. Sie ermöglichen uns, neue Hirnspuren zu ebnen und Abfahrten von der alten Autobahn. Da folgt der zweite Schritt, der im Angesicht von schwierigen Kindheitserfahrungen zugegeben sehr schwer ist: Sie müssen an die Möglichkeit der eigenen Veränderung glauben!