Und was machen Sie in der Krise…Zwischen Grübel-Denken, Dauer-Fühlen und Körperfanatismus

Krisen koennen Identitaet erschuettern.Wenn nichts mehr so ist,wie es war,so wie jetzt in Coronazeiten,kann das uns selbst,unsere Beziehungen und Lebensentwuerfe in Frage stellen.Wenn wir uns fragen, wer wir sind, wenn wir uns mit unserer Identität beschäftigen, dann können wir das auf vielfältige Weise tun: alle Wege entspringen letztlich einer Vorstellung, einem Modell: nie sind diese Modelle die Wirklichkeit selbst, sondern sie sind lediglich HIlfsmittel und Abbilder. Eine Herangehensweise, ein in der Praxis  erprobtes Denkmodell, ist das Modell der „Säulen der Identität“ nach Hilarion Petzold, mit dem Sie sich schon einige Male beschaeftigen konnten,etwa in meinem Blogbeitrag zum Jahreswechsel.

Wenn wir in einer belasteten Familie aufgewachsen sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, sich besonders intensiv mit der Frage nach dem „Wer bin ich?“ ( manche nennen es auch das „Selbst“) zu beschäftigen:  wer in seiner Familie lernen musste, sich selbst möglichst nicht wahrzunehmen und zu spüren, wer zu früh viel zu große Aufgaben, nämlich die der Erwachsenen, übernehmen musste, wer Dinge schulterte, denen er nicht gewachsen sein kann, der verliert leicht den Zugang zu sich selbst. Er weiß dann vor allem viel über die Bedürfnisse seiner Mitmenschen, seiner Eltern und Geschwister, aber wenig über sich selbst: sich selbst zu finden, das eigene Wollen, Wünschen, das rechte Maß usw. zu finden, wird dann oftmals eine Lebensaufgabe, die bis in das hohe Erwachsenenalter hineinreicht. Bei manchen dauert der vernebelte Blick auf die familiären Schwierigkeiten sogar ein Leben lang an: der Zugang zum Ich, zum Eigenen, scheint chronisch verwehrt.

Als stark beeinträchtigt empfunden wird dann die leibliche Säule der Identität. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Körper, Seele und Geist (in der leiborientierten Therapie auch mit dem altertümlich klingenden Begriff  Leib bezeichnet) funktioniert nicht gut, d.h. Betroffene erleben sich teils abgeschnitten, Ihnen fällt es schwer, alle  leiblichen Teile wahrzunehmen, geschweige denn sie in für sie günstiger Weise zusammenspielen zu lassen. Gehäuft tritt eine Unterbrechung zur Gefühlsleitung auf: wenn diese Betroffenen nach ihren Gefühlen forschen, so empfinden sie zunächst einfach „nichts“. Das Nichtfühlen ist hier an die Stelle der allzu negativen Gefühle gerutscht. Ebenso ist oftmals die Kontaktleitung in den Körper unterbrochen, dieser wird erst dann wahrgenommen, wenn er sich krank verweigert und Alarm schlägt. Oftmals sind die Denker dann, so beschreiben sie sich selbst, „immer im Kopf“. Halten wir fest: die leibliche Säule funktioniert nur dann gut, wenn alle Teile miteinander kooperieren können. Ins Extrem überzeichnet können wir drei Typen unterscheiden:

Denker grübeln und grübeln, stürzen sich verständlicher Weise meist auf Hilfen, die Ihnen noch mehr Kontrolle über das Denken ermöglichen,

 „Fühler“ fühlen sich oft von ihrem Gefühlsreichtum überflutet und sitzen hartnäckig in ihren Gefühlen fest (und weigern sich manchmal diese mit in ihr Denken einzubeziehen)

Körperorientierte sind oft einseitig nur noch mit dem Körper und seiner Präsentation befasst, sie richten ihr Leben extrem auf die Kontrolle über ihren Körper aus: wie die elterliche Sucht etwa wird nun der eigene Körper zum wechselhaften Schlachtfeld der Extreme von Kontrolle, eiserner Disziplin und schuldhaft erlebtem Versagen. Hier ist der Körper „Markenzeichen“, wenig Wohlfühlstätte.

Wenn Ihnen die Beantwortung der Fragen zu Ihrer leiblichen Säule teils schwer fielen, so kann dies wertvolle Hinweise über ihr individuelles Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist liefern. Schauen Sie vielleicht die Beantwortung zur 1. Säule noch einmal mit diesem Blickwinkel an und erhalten so Aufschluss, ob sie sich zu den Denkern, Fühlern oder Körperorientierten zählen. Beginnen Sie behutsam, die jeweils anderen Bereiche achtsam mehr in Ihr Leben einzubeziehen: die Belastung Ihrer Kindheitstage kann Spuren hinterlassen haben, aber diese sind nicht unveränderbar: Jetzt besser leben!

Ziel in der leiborientierten Arbeit ist Integration.

„Manchmal dachte ich, ich werde mit diesen Trinkern um mich herum verrückt…Mir half, glaube ich Sinnlichkeit, mit allen Sinnen in die Natur gehen, zu riechen, zu schauen: dann wusste ich, dass es mich noch gibt.“ (Frau E., 37)

„Ich stehe morgens auf und frage mich, was ich heute spüre, wie es mir jetzt geht. Das erfordert täglich meinen Mut. Früher hätte ich vor meinem Inneren davonlaufen mögen. Heute muss ich mich nicht mehr übergeben, es klingt verrückt, dass ich mich erst jetzt kennenlerne. Im Alter von 42 Jahren beginnt mein Leben mit mir!“ ( Frau L., 42 Jahre)

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

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Wer bin ich?…eine kreative Reise zum Ich

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Ich hoffe, trotz der großen Umwandlungen und erschreckenden Ereignisse in der Welt,hielt das hinter uns liegende Jahr auch Gutes für Sie bereit. Der Jahreswechsel kann eine gute Gelegenheit sein, Rückschau auf die persönliche Entwicklung zu halten. Eine individuelle Möglichkeit, sich selbst anzuschauen, bietet das Modell der 5 Säulen der Identität. Es wurde vom Begründer der Integrativen Therapien Professor Hilarion Petzold entwickelt. Anhand dieses Modells habe ich Fragen entwickelt, die für Kinder und Erwachsene aus belasteten Familien ( s.a. BEL-Kids-Projekte) von Bedeutung sind. Vielleicht mögen Sie sich die Zeit gönnen, diese zu beantworten und so der Kernfrage: Wer bin ich? im Wechsel zwischen 2019/2020, ein Stück näher zu kommen. In den nächsten Blogbeiträgen werde ich mögliche Beantwortungen kommentieren. Das Jahreswechsel-Coaching „Papierpilgern zum Ich“ bietet sich an als Innenreise und Papierpilgern zum Ich für „Alleinreisende“, aber auch als gemeinsame innere Reise für Freunde und Paare, als alternative Silvesteraktivität abseits der lauten Spektakel, auch  gemeinsam rund um den Jahreswechsel zu bearbeiten und zu besprechen. Sie brauchen nicht mehr als Blätter ( gern auch ein Heft, das sie im nächsten Jahr für persönliche Überlegungen weiter benutzen) , Stifte, einige Stunden Zeit und Lust, sich selbst ein wenig näher zu kommen.

Bevor Sie mit den Fragen beginnen, möchte ich mich bedanken: für Ihre Leseaufmerksamkeit, für Ihr Mit-denken, Nach-denken, anders Denken, für Ihr Mitfühlen, ja, für das gemeinsame Weitergehen in einem tabuisierten Bereich unserer Gesellschaft: dem Bereich der  belasteten Familien und Kindheiten.

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Dr. Waltraut Barnowski-Geiser ist Künstlerische Therapeutin, Lehrende und Autorin. Vater, Mutter, Sucht (2015) und Hören, was niemand sieht (2009) sind ihre Bücher zur Thematik. In der Praxis KlangRaum in Erkelenz bietet sie Hilfe für Menschen mit Kindheitsbelastungen auf der Basis des von ihr entwickelten AWOKADO-7-Schritte-Programms. Am 11.3.2017 erschien bei Klett-Cotta ihr neues Buch, das sie gemeinsam mit ihrer Tochter Maren Geiser-Heinrichs verfasst hat: Meine schwierige Mutter. Das Buch für erwachsene Töchter und Söhne.

Papierpilgern zum Ich  – Jetzt.Besser.Leben-Coaching zum Jahreswechsel.

Säule 1 Meine Leiblichkeit

Wie steht es um Ihre Gesundheit; wie war Ihr körperliches und seelisches Befinden im allgemeinen 2019?

Gab es Unfälle oder Erkrankungen, die sich auswirken?

Hat die Erkrankung/ Belastung Ihres Elternteils Einfluss auf Ihre Befindlichkeit genommen? Wenn ja, in welcher Weise?

Wie sind Sie mit Ihrer Erscheinung zufrieden? Verkörpern Sie das, was Ihnen in Ihrem Leben wichtig ist?

Wie schätzen Sie Ihre geistige Haltung ein? Woher bekommen Sie geistige „Nahrung“, Anregungen?

Was können Sie 2020 aktiv für Ihre geistige Haltung tun? Legen Sie Schritte fest, die Sie hier terminieren.

Welche Stärken haben Sie aus der Erkrankung des Elternteils erlernt?

Wie werden Sie Ihre Stärken 2020 weiter fördern?

Was möchten Sie 2020 für Ihren Körper tun, wie werden Sie sich Ihrem geistigen und seelischen Zustand passend „verkörpern“?

Kreative Übung: Malen Sie Ihre Gefühle 2019 als Landschaft.
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Säule 2 Meine Sozialen Beziehungen

Wie steht es um ihre sozialen Netzwerke: welche Beziehungen pflegen Sie in der Familie, im Freundeskreis,  bei Arbeitskollegen, in der Nachbarschaft?

Wer ist Ihnen besonders wichtig? Wer fällt aus?

Welche Beziehung fordert den meisten Teil Ihrer Energie, welche Beziehung stiftet  Energie?

Welche Beziehungen aus der Vergangenheit wirken sich bis heute aus? Wie wirkt die Erkrankung Ihres Elternteils sich auf Ihre aktuellen anderen Beziehungen aus?

Mit wem möchten Sie 2020 mehr Zeit verbringen?

Wie wäre ein idealer Freund oder Freundin für Sie?

Wollen Sie diese ideale Freund/in für jemanden sein? Wie gehen Sie das aktiv 2020 an…

Kreativ-Übung: Schreiben Sie einen Brief an eine imaginäre ideale Freund/in.
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Säule 3 Arbeit und Leistung

Wie ist Ihre Zufriedenheit in Ihrem Haupttätigkeitsfeld, etwa am Arbeitsplatz ( oder auch als Mutter etc.)?

Tun Sie Ihre Arbeit gern?

Empfinden Sie Ihre Arbeit als Bestimmung, Berufung?

Ist Ihre Arbeit Erfüllung oder nur notwendig zum Lebensunterhalt?

Wie passen Ihr Menschenbild und das Bild Ihres Arbeitsgebers überein?

Wie sicher ist Ihre Arbeit?

Welche Erwartungen haben andere an Sie?

Wo liegen Ihre Stärken, Ihre Defizite?

Aus welchen anderen Bereichen schöpfen sie Kraft? In welchem anderen Bereich sind Sie zufrieden mit Ihrer Leistung?

Wo sind Sie besonders erfolgreich, wo nicht?

Welchen Einfluss hatte die Erkrankung Ihres Elternteils auf Ihre Berufstätigkeit?

Was möchten Sie 2020 weiterführen, was hinter sich lassen?

Wie kommen Sie Ihrer Bstimmung 2020 ein Stück näher?

Was würden Sie in Ihr Leben zaubern, wenn Sie magische Kräfte besäßen?
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Säule 4 Materielle Sicherheit
Zu den materiellen Sicherheiten zählen Geld, Wohnung, Kleidung u. a. (Wenn materielle Sicherheiten wegfallen, gerät oft dadurch auch die Identität ins Wanken)

Wie stand es 2019 um Ihre materielle Situation?

Worauf können Sie sich verlassen?

Haben Sie 2019 verdient, was Ihre Arbeit wert war?

Haben Sie manchmal Existenzängste?

Wie sah Ihre finanzielle Situation zu Kindheitstagen aus?

Welche Rolle hat hierbei die Erkrankung Ihres Elternteils gespielt?

Welche Angst aus Kindheitstagen führt heute noch Regie?

Wie können Sie Ihre finanzielle Situation in 2020 optimieren?_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Säule 5 Meine Werte
Aus Ihren Werten können Sie Sinn und Kraft schöpfen, aber auch an unpassenden Wertvorstellungen erkranken. Ihre Zugehörigkeit zu Wertegemeinschaften (Kirchen- und Glaubensgemeinschaften, politischen Organisationen, Arbeitsgemeinschaften usw.) kann Sie stärken und unterstützen, unpassende Zugehörigkeiten, anstehende erforderliche Loslösungen können alles ins Wanken bringen. Ihre Ziele werden zu großen Anteilen durch Ihre Werte bestimmt. Werte werden verkörpert, führen zu einer Haltung, die sich konkret in Verhalten zeigt.

Welche Werte sind Ihnen wichtig? Nennen Sie drei zentrale Werte…

Für welche Werte treten Sie aktiv ein?

Gibt es Werte, die Sie schwächen oder verunsichern?

Welche Rolle spielen Sucht- oder andere elterliche Erkrankungen in Ihrem Wertesystem?

Sind Ihre Werte von einer Gemeinschaft akzeptiert und getragen, wie stimmen diese mit Ihrer Familie überein?

Welche Werte Ihrer Herkunftsfamilie möchten Sie hinter sich lassen?

Welche Werte stimmen mit Ihrer Wertegemeinschaft nicht mehr überein, welche möchten Sie 2019 weiterverfolgen?

Wie passt Ihre Sorge um den Erkrankten (Partner, Eltern) zu Ihren Wertevorstellungen?

Welche Überzeugung oder Lebensphilosophie stärkt Sie?

Welche Rolle spielen Sie selbst in Ihrem Wertesystem?

Wie können Sie sich und Ihren Werten 2017 einen angemessenen Platz in Ihrem Leben geben?
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Kreativ-Coaching:

Welche Ihrer Säule erleben Sie 2019 als geschwächt, welche zeigte besondere Stärken?

Sie können auch eine Einordnung Ihrer Säulen in Zahlen vornehmen: ordnen Sie jede Säule zwischen 0 ( gar keine) und 100% (vollständig) Stabilität ein.

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Finden Sie, wenn möglich, eine grafische Darstellungsmöglichkeit Ihrer Säulen in 2019…unterscheiden Sie nach Größe, Form, Position, Farbe. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf…Malen Sie gewünschte Veränderungen in 2020 ein, geben Sie  Ihren Wünschen grafisch Raum….schraffieren Sie, gestalten Sie bunt, in Symbolen etc.

Tauschen Sie sich mit Ihrem Partner oder einem Menschen Ihres Vertrauens aus…“Wer bin ich?“- die Antwort auf diese Frage unterliegt der Veränderung: Sie können im Jetzt Einfluss nehmen! Auch die vorhergehenden Übungen auf diesen Seiten können Ihnen weitere Anregungen zu dieser Frage bieten…

Wer bin ich ?Kreative Selbsterfahrung zu den Säulen der Identität

„Wer bin ich?“ Stellen Sie sich diese Frage zu ihrer Identität öfter? das wäre nicht ungewöhnlich, scheint sie doch insbesondere für viele Menschen aus belasteten Familien eine zentrale Frage darzustellen. Da immer wieder nachgefragt wird, hier noch einmal die Möglichkeit zur Selbsterfahrung mit den Säulen der Identität nach Petzold.

Eine erste Anregung, Ihrem „Wer bin ich?“, Ihrer Suche nach Identität ein Stück näher zu kommen, können die nachfolgenden Fragen zu den Säulen der Identität bieten. Diese wurden in der präventiven Arbeit mit Schülern im Rahmen der BEL-Kids-Projekte entwickelt (Barnowski-Geiser 2014 in Anlehnung an das bekannte Säulenmodell zur Identität von Hilarion Petzold). In diesem Ansatz, der der Integrativen Therapie entstammt, geht man davon aus, dasss unsere Identität von 5 zentralen Säulen getragen wird…oder eben auch nicht. In der nachfolgenden Übung können Sie sich mit Ihren Säulen ein wenig beschäftigen, feststellen, wo sie sich sicher fühlen oder wo Sie Ihr Augenmerk stärker hinrichten müssen und arbeiten möchten…

Übung

Säule 1 Leiblichkeit
Wie steht es um Ihre Gesundheit; wie ist Ihr körperliches und seelisches Befinden? Wie sind Sie mit Ihrer Erscheinung zufrieden? Verkörpern, Sie das, was Ihnen in Ihrem Leben wichtig ist? Wie schätzen Sie Ihre geistige Haltung ein? Woher bekommen Sie geistige „Nahrung“, Anregungen? Gab es Unfälle oder Erkrankungen, die sich auswirken? Hat die Erkrankung Ihres Elternteils Einfluss auf Ihre Befindlichkeit genommen? Wenn ja,In welcher Weise? Welche Stärken haben Sie aus der Erkrankung des Elternteils erlernt?
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Säule 2 Soziale Beziehungen
Wie steht es um ihre sozialen Netzwerke: Familie und Familienbeziehungen, Freundeskreis, Arbeitskollegen? Wer ist wichtig? Wer fällt aus? Welche Beziehung fordert den meisten Teil Ihrer Energie, welche Beziehung stiftet  Energie? Welche Beziehungen aus der Vergangenheit wirken sich bis heute aus? Wie wirkt die Erkrankung Ihres Elternteils sich auf Ihre anderen Beziehungen aus?
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Säule 3 Arbeit und Leistung
Wie ist Ihre Zufriedenheit in Ihrem Haupttätigkeitsfeld, etwa am Arbeitsplatz ( oder auch als Mutter etc.)? Tun Sie Ihre Arbeit gern? Ist Ihre Arbeit sicher? Empfinden Sie Ihre Arbeit als Bestimmung, Berufung? Ist Ihre Arbeit Erfüllung oder nur notwendig zum Lebensunterhalt? Wie sicher ist Ihre Arbeit? Welche Erwartungen haben andere an Sie? Wo sind Ihre Stärken, Ihre Defizite? Aus welchen anderen Bereichen schöpfen sie Kraft? In welchem anderen Bereich sind Sie zufrieden mit Ihrer Leistung? Wo sind Sie besonders erfolgreich, wo nicht?Welchen Einfluss hatte die Erkrankung Ihres Elternteils auf Ihre Berufstätigkeit?
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Säule 4 Materielle Sicherheit
Zu den materiellen Sicherheiten zählen Geld, Wohnung, Kleidung u. a. Wenn materielle Sicherheiten wegfallen, wird dadurch auch die Identität in Frage gestellt.

Wie steht es um Ihre materielle Situation? Worauf können Sie sich verlassen? Haben Sie manchmal Existenzängste? Wie sah Ihre finanzielle Situation zu Kindheitstagen aus? Welche Rolle hat hierbei die Erkrankung Ihres Elternteils gespielt?
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Säule 5 Werte
Menschen beziehen aus ihren Werten Sinn und Kraft. Ihre Zugehörigkeit zu Wertegemeinschaften (Kirchen- und Glaubensgemeinschaften, politische Organisationen, Arbeitsgemeinschaften usw.). Die Ziele des Menschen werden zu großen Anteilen durch seine Werte bestimmt. Werte werden verkörpert, führen zu einer Haltung, die sich im Verhalten zeigt.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?
Für welche Werte treten Sie aktiv ein?
Gibt es Werte, die Sie schwächen oder verunsichern?

Welche Rolle spielen Sucht- oder andere elterliche Erkrankungen in Ihrem Wertesystem?
Sind Ihre Werte von einer Gemeinschaft akzeptiert und getragen, wie stimmen diese mit Ihrer Familie überein?

Welche Werte Ihrer Herkunftsfamilie möchten Sie hinter sich lassen?
Wie passt die Sorge um den Erkrankten zu Ihren Wertevorstellungen?

Welche Überzeugung oder Lebensphilosophie stärkt mich?
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Zur weitergehenden Arbeit:
Welche Ihrer Säule erleben Sie als geschwächt, welche birgt besondere Stärken?

Sie können auch eine Einordnung Ihrer Säulen in Zahlen vornehmen: ordnen Sie jede Säule zischen 0 ( gar keine) und 100% (vollständig) Stabilität ein.

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Finden Sie, wenn möglich, eine grafische Darstellungsmöglichkeit Ihrer Säulen…unterscheiden Sie nach Größe, Form, Position, Farbe. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf…

Geben Sie anschließend Ihren Wünschen grafisch Raum….

Tauschen Sie sich mit Ihrem Partner oder einem Menschen Ihres Vertrauens aus…“Wer bin ich?“- die Antwort auf diese Frage unterliegt der Veränderung: Sie können im Jetzt Einfluss nehmen! Auch die vorhergehenden Übungen auf diesen Seiten können Ihnen weitere Anregungen zu dieser Frage bieten.

Beste Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Mutmacher für Krisenkinder: Wie elterlicher Dauerstress in der Kindheit unser Hirn als Erwachsene beeinflusst und was wir dennoch tun können

Text in Anlehnung an: Meine schwierige Mutter/2017.

Krisenkinder

Die schlechte Nahricht, die Ihnen als Betroffene sicher bereits bekannt ist, vorab: Kinder, die dauerhaft Krisen  ihrer belasteten Familien ausgesetzt sind, können massive Folgen davontragen; diese Folgen sind teils messbar an ihrem Serum-Cortisolspiegel und in Hirnstrukturen,  können sie doch neuronale Strukturen des Hippocampus, der Amygdala sowie des Corpus Callosum zerstören. Verursacht werden zum Teil organisch begründbare Regulationsstörungen, später auch komplexe Störungen von Lernen, Emotionen und Verhalten (Trost 2003). Auch wenn dieser Zusammenhang von neuronaler Schädigung für betroffene Kinder in quantitativen Untersuchungen noch nicht hinreichend untersucht ist, muss vermutet werden, dass Gehirne von Kindern aus belasteten Familien durch das emotionale Klima ihrer Familien stark geprägt sind. Es steht zu befürchten, dass lang andauernde wiederholte Belastungen der familiären Umwelt neuronal entsprechend verankert werden und diese‚ emotionalen Straßen’ auch dann aufgesucht werden, wenn es nicht mehr von Nöten ist. Dies zeigte sich bei denjenigen erwachsenen Personen, die bis ins hohe Alter keine Auflösung des familiären Tabus erfahren hatten, bei denen sich etwa Suchtbelastung durch etliche Jahrzehnte zog und auch im Erwachsenenalter lebensbestimmend blieb. Es scheint in diesem Fall schwer zu sein, eingefahrene Hirnstraßen zu verlassen (etwa die der Angst und Ohnmacht) und neue Straßen (Freude,Hoffnung etc.) zu befahren. Damit kann ein wesentlicher Faktor zur Orientierung in der Welt durch das familiäre Erleben maßgeblich negativ beeinflusst werden. Sogar genetisch scheinen diese Erfahrungen Spuren zu hinterlassen (In jüngerer Zeit wurde an Mäusen nachgewiesen, dass die Gene bei Nachkommen traumatisierter Mütter in Mitleidenschaft gezogen waren; sie zeigten sich als weniger Stressresistent und verzweifelter in eigenen Krisensituationen). Muss ich das wissen, denken Sie nun vielleicht, das ist doch nur traurig. Ich finde, ja, sie sollten sich mit diesen Dingen auseinandersetzen, um sich selbst ein Stück besser zu verstehen. Erst, wenn wir verstehen, warum wir wurden, was wir sind, können wir einen ZUgang zu unserer wahren Identität bekommen: im anderen Falle, wenn wir Altes nur unerkannt abspalten, drohen wir uns selbst fremd zu bleiben.

Hirne sind nutzungsabhängig: warum Kinder mit familiärer Belastung leicht ängstlich werden

Schauen wir weiter aus neurowissenschaftlicher Perspektive. Versuchte Erklärungen müssen im Angesicht der hochkomplizierten  Vorgänge in unseren Hirnen unverschämte Vereinfachungen bleiben…versuchen wir dennoch eine Annäherung: Außenwelt hinterlässt Spuren in der Innenwelt. Neurologisch spricht man hierbei von inneren Repräsentationen der Außenwelt. Auch die Repräsentationen unserer Gefühlswelt (neurowissenschaftlichen Untersuchungen u.a. von Braun, Spitzer) spiegeln  erlebte Erfahrungen. Unsere Gefühlswelt ist erlernt, vor allem in sozialer Erfahrung. Befinden, Stimmungen und Gefühle sind bei Kindern aus belasteten Familien stark in Mitleidenschaft gezogen. Kinder lernen etwa: „Wenn Papa trinkt, gibt es Ärger für mich!“ Wird diese Erfahrung wiederholt gemacht, wird diese Erfahrung auch neuronal verschaltet: sie bildet eine Hirnspur. Je öfter diese Erfahrung gemacht werden, umso tiefer gräbt sich diese Spur im Hirn ein, sprich: Kinder entwickeln Ängste ( eine Hirnautobahn „Angst“) und weitere mit diesem Erleben verbundene Gefühle werden nutzungsabhängig verschaltet. Aus dem Kind, das in einer Szene Angst hat, wird bei dauerhafter Wiederholung, leicht ein überängstliches Kind: insbesondere dann, wenn, wie oft in tabuisierenden Familien, das Gefühl des Kindes nicht benannt und besprochen werden darf, das Kind folglich keine angemessene Unterstützung in Form von Trost oder Halt erfährt. Das Befinden Betroffener wird durch dieses kindliche Krisenerleben geprägt, das Gehirn entsprechend gebaut – auch als Erwachsene, wenn das Elternhaus längst verlassen wurde, sind diese grundlegenden Verschaltungen angelegt. Es ist also nachvollziehbar, dass ein in der Kindheit entsprechend „verschalteter“ Erwachsener, der die Spur Angst zu einer regelrechten Autobahn im Kopf entwickelt hat (Formulierung in Anlehnung an Hüther), auch als Erwachsener schnell auf eben dieser Autobahn landet. Denkweisen, Selbstbild, Körpererfahrung usw. sind neuronal verschaltet: sie bilden ein Erlebens- Panorama im Jetzt, das im familiären System erlernt wurde.

Unterwegs auf der Hirnautobahn Gefühl

Gefühle sind neuronale Repräsentationen „Wir werden oft von den Gefühlen unbemerkt gesteuert.“ , sagt der Hirnforscher Spitzer schon vor einem Jahrzehnt. Emotionen bieten Kindern Orientierungshilfe beim Zurechtfinden in einer komplizierter werdenden Welt. (Spitzer 2003) Werden anstehende Probleme angemessen gelöst, stellt sich ein gutes Gefühl ein, das sich im Gehirn verankert. (Hüther 1999) Je früher diese Verschaltung erfolgt und je häufiger sie bei Belastungen und Herausforderungen aktiviert wird, umso stärker ist der Bahnungsprozess im Gehirn. Welche Verschaltung zu einem Gefühl gebahnt wird, hängt von subjektiven Empfindungen ab. „Mit jeder erfolgreich bewältigten Belastung, jeder bestandenen Herausforderung wird unter dem Einfluß der bei der kontrollierbaren Streßreaktion stattfindenden Aktivierung des noradrenergen Systems das jeweils empfundene Gefühl in Form von bestimmten dieser Empfindung zugrunde liegenden neuronalen Verschaltungen im Gehirn verankert.“ (Hüther 1999, S.69) Aber auch Belastendes und wiederholt nicht Bewältigtes wird im Gehirn als Trampelpfad abgespeichert. „Emotionale Verunsicherung führt zur Aktivierung limbischer und anderer stress-sensitiver neuro-endokriner Regelkreise und zwingt das Kind, nach geeigneten Strategien zur Wiederherstellung seines emotionalen Gleichgewichtes zu suchen. Einseitige, unbalancierte Bahnungsprozesse führen zwangsläufig zu defizitären Entwicklungen in anderen Bereichen (Wahrnehmung, Motorik, Lernverhalten, Motivierbarkeit, Sozialverhalten). (Trost 2003, S.60) Auch wiederholte Traumatisierungen wirkten nachhaltig destabilisierend auf die neuro-endokrinen und vegetativen Regelkreise.

Gefühle zwischen Ich und Du

Gefühle entstehen im sozialen Raum: Kinder und Erwachsene aus belasteten Familien fühlen nicht an sich, ängstigen sich nicht an sich, sind nicht an sich leer, schuldig, sondern ihre Gefühle sind Repräsentanten und zugleich Träger ihrer sozialen Beziehungen, sprich ihren belasteten Eltern oder Geschwister.

Gefühle werden in einer leibtherapeutischen Sicht sowohl in ihrer Leiblichkeit in Bezug aus Körper, Seele und Geist angesehen, als auch in ihrer Räumlichkeit aufgefasst, in letzterer insbesondere in ihrer Rückbeziehung auf das Subjekt. Psychiater und Leibphilosoph Thomas Fuchs: „Wie beim Tasten (‚Fühlen’) Empfinden und Selbstempfinden ineinsfallen, so ist das Gefühl als Gegenstandsbeziehung zugleich ein Selbstverhältnis, also Fühlen und sich-Fühlen in einem (sich fürchten, sich schämen, sich freuen). Die Furcht oder Angst vor (…) bedeutet auch Furcht oder Angst um mich selbst oder mein Leben. Die Scham vor den anderen ist zugleich die Scham über mich. Im Gefühl ist das Selbst sich nicht gegenständlich, als sein eigenes Objekt, sondern zuständlich, erleidend gegeben, als Subjekt affektiven Betroffenseins.“ (Fuchs 2000) Es lässt sich folgern, wie die sogenannte Zwischenleiblichkeit wirken kann: Betroffene aus belasteten Familien können innerlich derart verwoben sein mit erkrankten Angehörigen, auch und gerade in der Entwicklung ihrer eigenen Gefühlswelt, dass kaum noch eine Unterscheidung zwischen Ich und Du erlebt wird, weder leiblich noch räumlich. Die Gefühle der Eltern wabbern als Atmosphären in den Raum, für die Kinder kaum noch unterscheidbar, wo ihre eigenen Gefühle anfangen, wo sie teil einer Atmosphäre sind. „So werden Gefühle auch zu Indikatoren für die Qualität der Beziehung, in der die anderen Menschen und die Sachverhalte unserer Welt zu uns selbst stehen.“ (Fuchs) Es entsteht ein typischer Schwingungsraum zwischen Eltern und Kindern. Die gelungene oder misslungene Affektabstimmung und der Aufbau von Gefühlen ist maßgeblich für den Aufbau von weiteren Beziehungen. „Gefühle werden im Ausdruck, als Ausstrahlungen, Gesten und Handlungen ‚entäußert’, um so ihrerseits Gefühle in anderen zu induzieren. Ohne dass wir und dessen immer bewusst wären, wirken umgekehrt die Gefühle und Haltungen der anderen ständig auf unsere eigenen ein. So bilden Gefühle einen Raum mannigfaltiger Schwingungen, die sich ausbreiten und ein Eigenleben entwickeln, obwohl sie doch zugleich das persönlichste in uns sind.“ (Fuchs 2000) Also vereinfacht: was wir an Beziehungserfahrung gemacht haben, das wohnt in uns und das geben wir auch in irgendweiner Weise an andere weiter.

Tabu, Geheimnis, Gefühl

Wenn das, was Kinder aus belasteten Systemen bewegt, nicht besprochen werden darf,  nicht nach Außen dringen darf, verstärkt das Stress und Belastung. Zudem verfestigt sich eine Spaltung zwischen  innerem Erleben und dem nach Außen Gezeigten. Viele Kinder können folglich irgendwann nicht mehr unterscheiden, was sie im Angesicht der familiären Tabuisierung fühlen sollen und was sie tatsächlich erleben und fühlen. Gefühle werden zu Leerstellen des Erlebens oder mutieren zu diffusen Grundstimmungen. Dies kann zu einem chronifizierten schlechten Befinden führen, das sich die Betroffenen selbst nicht erklären können. Die erzwungene Verleugnung ihrer realen Lebenssituation (etwa die Drogensucht der Mutter) geht in der Regel so weit, dass sie sich sogar vorwerfen, sich grundlos schlecht zu fühlen. Dieses auf den ersten Blick paradox erscheinende Phänomen ist jedoch bei genauerer Sicht auf die belastete Biografie nachvollziehbar.

Stress und Krankheit

Viele kennen es aus eigener Erfahrung: Man wird zur anstehenden Prüfung nicht krank, aber kurz danach. Interessante Erkenntnisse hierzu liefert die Psychoneuroimmunologie: In der Stresssituation selbst ist ein Hochfahren des Systems erforderlich, eine Aktivierung des Immunsystems erfolgt. Ein Schutzsystem wird aufgebaut, da Entzündung  nun gefährlich wäre. Es erfolgt eine Corstisolausschüttung im Körper. Cortisol supprimiert die zelluläre Immunaktivität, die uns vor viralen Infekten schützt. Und so findet man der Harvard University Zusammenhänge: bei Überforderung und Stress fordert das Zwischenhirn an, in den Nebennieren Adrenalin zu produzieren. Es erfolgt also eine Verteidigung auf körperlicher Ebene, Erregung wird gedämpft. Chronischer Stress dämpft in der Folge Immunabwehr und zelluläre Abwehr. Folge waren eine Reihe von Anfälligkeiten: die Versuchspersonen zeigten sich  Grippe-und Herpesanfälliger, anfälliger für Neurodermitis-und Autoimmunerkrankungen sowie Allergien. Dies konnte auch an Kindern stressbelasteter Mütter nachgewiesen werden.Man fand beispielsweise Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen im Kindesalter und Rheumaerkrankungen im Alter. Biochemische Vorgänge sind komplex. Der Zusammenhang zwischen Stress in der Kindheit und späterer Krankheit lässt sich heute erklären: Das überforderte System ist irgendwann erschöpft. Es kommt zu vermehrten Entzündungen, was zu schweren Erkrankungen wie Rheuma, Krebs usw. führen kann (hierzu auch Christian Schubert, Innsbruck, Integrativer Therapeut und Psychoneuroimmunologie/Psychotherapie- Integrierte Medizin).

Denken wir die vorangestellten Forschungen für Erwachsene aus belasteten Familien weiter, so wird deutlich:

  • es besteht ein Zusammenhang zwischen emotionalen Belastungen in Kindheitstagen und emotionaler Befindlichkeit im Erwachsenenalter
  • es besteht ein Zusammenhang von wiederholten stressenden Kindheitserfahrungen und chronischen/schweren Erkrankungen im Erwachsenenalter.

Eine große Belastung der Lebensqualität von Menschen mit belasteter Kindheit erschent  evident.

„Help…I need somebody“

In der Überschrift, hier mit einem Oldie der Beatles, wird kurz auf den Punkt gebracht, was wir Kindheitsbelastungen, Stimmungs-und Befindlichkeitstörungen entgegensetzen können: Hilfe suchen und annehmen, die Verbindung und Zuwendung von anderen, nahestehenden Menschen… also können wir etwas tun!

Fasst man die vorab geschilderten Forschungsergebnisse zusammen, so sind die Belastungen und Folgen bei Kindheitsbelastungen hoch einzustufen. Und dennoch eine gute Nachricht aus der Forschung:  es gibt Stärkendes! Widerstandskräfte, die uns schützen, sogenannte Resilienzen. Resilienzen sind also das, was uns stark macht.  Resilienzen sorgen dafür, dass viele Menschen mit Kindheitsbelastungen eben auch nicht erkranken. Eine bedeutsame stabile Beziehung im Umfeld eines aufwachsenden Kindes ist eine solch hochwirksame Resilienz. Sind Erkrankungen vorhanden, zeigten sich etwa Meditation und soziale Anbindung als hochwirksam. Vernetzen und andere Menschen mit ins Boot Holen zeigt in allen Lebensphasen Wirkung. Nervensystem und Immunsystem können einander verständigen, dies können wir für uns nutzen. Decartes Dualismus hat lange Medizin bestimmt. Aber neuere Forschungen überprüfen, wie Gehirn und Immunsystem zusammenhängen und es wird deutlich: sie sind in ständigem Austausch. Ein gestresstes Gehirn beeinflusst das Immunsystem, somit gilt auch die Umkehrung: ein entspanntes Gehirn entlastet den Körper. Körper und Geist sind eine Einheit, was ganzheitliche, integrative, leiborientierte, kreative und komplementär-Medizin für Betroffene auf den Plan ruft. Basis bildet weiterhin die Schulmedizin. Gute Erfolge ließen sich auch durch kognitive Umstrukturierung erzielen, also problematische, dysfunktionale Gedanken, etwa durch einen anderen Gedanken zu ersetzen ( wie es in einigen Religionen und Philosophien auch seit Jahrtausenden gelehrt wird)…  Selbstheilung können Sie aktiv unterstützen. Sogar ein EEG kann signifikant verändert werden. Sie können durch Ihre Lebens-und Denkweise Einfluss nehmen.

Ein wichtiger Faktor: eine soziale Umgebung, ein Feld der Hoffnung und Zuwendung (teils Liebe genannt ), im Idealfall im eigenen Zuhause. Der Satz: „Ich kann gesund werden!“, oder: „Ich kann meine Kindheitswunden überwinden!“ gehört zur hochwirksamen Einstellung, die Veränderung möglich werden läßt. Hilfe für Betroffene muss individuell erfolgen, spezifisch zugeschnitten sein: sie benötigt mindestens einen wohlwollenden Anderen. Immer sollte sie Anregung zur Selbsttätigkeit beinhalten (hierzu auch das AWOKADO-Selbsthilfe-Programm in Vater, Mutter, Sucht 2015 und Meine schwierige Mutter 2017).
Glauben wir der Psychoneuroimmunologie, so helfen Krisenkindern bei der schwierigen Bewältigung vor allem: Optimismus, stabile Sozialkontakte, ein guter Alltag und körperliche Nähe.

Filmbeitrag Selbstheilungskräfte und Psychoneuroimmunologie

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=41334

Fuchs, T. (2000). Leib-Raum-Person. Entwurf einer Phänomenologischen Anthropologie. Stuttgart: Klett Cotta.

Fuchs, T. (2008): Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. Stuttgart: Kohlhammer.

Hüther, G. (1999): Biologie der Angst. Wie aus Stress Gefühle werden. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Lammel, U. A. (2007). Phänomenologie einer Jugendkultur in den 90er Jahren und Anfragen an Soziale Arbeit in Praxis und Ausbildung. In H. Petzold, P. Schay, P. & W. Ebert (Hg.), Integrative Suchttherapie. Theorie, Methoden, Praxis, Forschung (2. Aufl.) (S. 17-63). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Michaelis, K. & Petzold, H. (2010). Zur Situation von Kindern suchtbelasteter Familien aus Sicht der integrativen Therapie. Integrativ-systemische Überlegungen zur Entwicklung von Risiko und Resilienz bei Kindern mit suchtkranken Eltern. Integrative Therapie, 36 (2/3), 252-280.

Orth, I. ( 2012): Unbewusstes in der therapeutischen Arbeit mit künstlerischen Methoden,kreativen Medien – Überlegungen aus der Sicht „Integrativer Therapie“ in Polyloge, Internetzeitschrift der EAG-FPI.

Spitzer, M. (2002). Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum.

Trost, A. (2003). Interaktion und Regulation bei suchtkranken Müttern und ihren Säuglingen. In Landschaftsverband Rheinland, Dezernate Gesundheit und Jugend/ Landesjugendamt (Hg.), Suchtfalle Familie?!. Forschung und Praxis zu Lebensrealitäten zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Dokumentation der gemeinsamen Fachtagung der KFH NW, Forschungsschwerpunkt Sucht, und des Landschaftsverbandes Rheinland, Dezernate Gesundheit und Jugend/Landesjugendamt. Köln.

 

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Waltraut Barnowski-Geiser

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Zuverlässiges Navi gesucht? Wie das Herz zum Kompass wird

Neue Orientierung finden mit dem eigenen Herzen? Bei solchen Aussagen sind viele Menschen geneigt, abzuwerten und solche Worte in die abstruse, wenig bewiesene Ecke zu ordnen: das Herz, ist das nicht nur etwas für Romantiker und Esoteriker? Die Wissenschaft zeigt uns Neues: Das Herz ist nicht lediglich ein dumpfer Pumpensumpf zum Bluttransport, sondern ein kluges und komplexes „Herzgehirn“. In dieser Entdeckung liegen ungeahnte Chancen zu einem besseren Leben. Wie das Herz Menschen mit Kindheitsbelastungen auf dem Weg zu mehr Lebensqualität ein wertvoller Kompass sein kann, darum geht es im heutigen Blogbeitrag.

Frau T. hat einen Entschluss gefasst: Schluss mit Zielen und Vorsätzen für 2016!  Ihre Orientierung will sie ändern: Nicht mehr zukunftsorientiert, nicht mehr „höher, schneller, weiter“, sagt sie, sondern achtsam aus ihrem Herzen im Jetzt leben wolle sie. Das andere habe nichts gebracht, schimpft sie energisch. Sie bemerke, dass weder „weniger Kilos“ noch „mehr gemessene Schritte“ sie bislang wirklich erfüllt hätten. Gut habe sich ihr Leben immer nur dann angefühlt, wenn ihr Herz berührt worden wäre: Beim Singen im Chor, in Ruhestunden mit ihrer Katze, beim Wandern in der Abgeschiedenheit fällt ihr ein.

Viele Menschen aus belasteten Familien beklagen einen Mangel an Orientierung (insbesondere dann, wenn das Kreisen um die Erkrankten aus der Familie weniger werden soll) – Sie fühlen sich verunsichert. Gerade zu Beginn ein neuen Jahres geht es vielen dann neuerlich und insbesondere um „die richtigen“ Ziele und Vorsätze. In Gazetten ist alljährlich davon zu lesen…und immer scheinen diese festen Vorsätze dann doch zu scheitern, immer wieder geraten die Vorsätze irgendwie doch in Vergessenheit. Selbst, wenn Menschen einen Teil ihrer Ziele erreicht haben, scheinen sie nicht wirklich zufrieden: irgendetwas fehlt weiterhin, die Suche geht weiter. Ziele und Vorsätze, die lediglich die eigene Perfektion, die Selbstoptimierung in den Blick nehmen (schlanker, fitter) erweisen sich als wenig hilfreich. Anke Engelke hat dazu in der ARD eine interessante Film-Dokumentation präsentiert: Fast perfekt

Zufrieden beschreiben sich Menschen oft erst dann, wenn sie mit dem Herzen dabei sind, wenn Herzensberühung spürbar wird. In Konzerten etwa, wie es Frau T. beschreibt, im gesehen und mit-gefühlt Werden, in einem von Leidenschaft geprägten Tun, bei dem Zeit und Raum vergessen werden. Eine neue Orientierung wird erforderlich. Zufriedenheit und Glück scheint sich nicht allein über „das ganz große Rad Drehen“ einzustellen, sondern  ein neuer Kompass ist gesucht: manche entdecken dabei ihr eigenes Herz als zuverlässigen Navigator. Achtsam leben aus dem eigenen Grund, nennt es Willigis Jäger und schlägt die Brücke in eine umfassende Liebe . „Was wir am Ende unseres Lebens in Händen haben, sind nicht unsere Leistungen und unsere Werke. Wir werden uns vor allem die Frage stellen müssen, wie viel wir geliebt haben.“ (W.Jäger, Perlen der Weisheit, S.97)

Gerade Menschen mit Kindheitsbelastungen stellen sich oft in Frage, vergleichen sich mit anderen: Bin ich gut genug, müsste ich nicht besser sein, mich nicht noch mehr kümmern?…Da zwei zentrale Bedürfnisse, das Bedürfnis nach Verbundenheit und das Bedürfnis nach Wachstum, oftmals in der Kindheit zu kurz kamen, sind Menschen mit Kindheitsbelastungen bestimmt vom Mangel: unterwegs auf der Suche nach Ersatzbefriedigungen. Die Suche geht weiter und weiter, da verständlicher Weise versucht wird, diesen Mangel zu kompensieren, Abhilfe zu schaffen: Chatten und Shoppen statt Liebe lautet dann etwa ein Ersatzbefriedigungs-Muster.

 „Ersatzbefriedigungen nennt man das, was nun fortan zunehmend an Bedeutung für die betreffende Person gewinnt und dazu führt, dass ihre  ursprüngliche Offenheit, Beziehungsfähigkeit, uneingeschränkte Neugier und Gestaltungslust in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde. Dann werden allzuleicht Dinge bedeutsam, die in Wirklichkeit völlig unwichtig sind…“ ( Hüther (2014): Was wir sind und was wir sein könnten, S.46)

Auch die Medizin nimmt das Herz als heilendes Zentrum zur Kenntnis. Servan Schreiber arbeitet als Vorreiter der emotionalen Medizin mit „Herzkohärenz“ und beschreibt  ungewöhnliche Heilungswege, gerade auch über die Zuhilfenahme des Herzens. Arbeit mit Herzkohärenz sowie entsprechende Studien werden anschaulich hier im wertvollen Blogbeitrag auf MyMonk beschrieben.

Wirkliche Zufriedenheit bei Menschen mit Kindheitsbelastungen stellt sich meist erst dann ein, wenn sich Orientierung ändert. Diese geht einher mit neuem Erleben und in der Folge auch neuem Verhalten: Diese Art und Weise, in der Welt zu sein, scheint mehr Einfluss auf eine besser empfundene Lebensqualität zu besitzen als ein Bündel von selbstentfremdeten Zielen. Ein Mehr an Achtsamkeit, ein mehr an Erleben mit allen Sinnen zeigte sich in Befragungen an Betroffenen als hilfreich (AWOKADO-Konzept Barnowski-Geiser 2015).

Ein Herz ist nicht wie das andere: Sie müssen selbst herausfinden, was Ihr Herz genau möchte. Und das braucht Zeit, Raum und Übung: wie immer! Und Vorsicht: Sie riskieren, dass Ihr Leben sich verändert, wenn Sie Ihrem Herzen wirklich zuhören.

Kreativ-Coaching Mein Herzens-Kompass

Nehmen Sie sich ein wenig Zeit für sich, in einem Raum, in dem Sie ungestört sind. Gehen Sie mit Ihrer Achtsamkeit zu Ihrem Atem, indem Sie ihn für einige Minuten nur wahrnehmen… Legen Sie nun eine Hand auf den Bereich Ihres Herzens, so wie es angenehm für Sie ist. Atmen Sie in Ihr Herz: Stellen Sie sich vor, dass Ihr Herz sprechen kann und Ihnen erzählt, was es gebrauchen kann. Nehmen Sie sich Zeit zuzuhören und notieren Sie anschließend Wichtiges. Wie können Sie Ihre Herzenslust leben, z.B. aus dem Herzen singen, mit dem Herzen  sehen, zur Herzensmusik tanzen etc. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Herz ab sofort dem ihm zustehenden Raum und Gehör findet:

Nehmen Sie in den nächsten Wochen bei anstehenden Entscheidungen und Problemen Ihr Herz mit dazu, vertrauen Sie auf Ihre Herzensweisheit. Das bedeutet nicht, den Kopf nur noch auszuschalten: sondern Ihre Entscheidungen um ein wesentliche Ebene zu bereichern.

Mehr zum Thema

auch eine literarische Arbeit von Sergio Bambaren


Dr. Waltraut Barnowski-Geiser ist Therapeutin, Lehrende und Autorin. Vater, Mutter, Sucht (2015) und Hören, was niemand sieht (2009) sind ihre Bücher zur Thematik. In der Praxis KlangRaum in Erkelenz bietet sie Hilfe für Menschen mit Kindheitsbelastungen auf der Basis des von ihr entwickelten AWOKADO-7-Schritte-Programms.

Wer bin ich? Übung zu den Säulen der Identität

Eine erste Anregung, Ihrem „Wer bin ich?“, Ihrer Suche nach Identität ein Stück näher zu kommen, können die nachfolgenden Fragen zu den Säulen der Identität bieten. Diese wurden in der präventiven Arbeit mit Schülern im Rahmen der BEL-Kids-Projekte entwickelt (Barnowski-Geiser 2014 in Anlehnung an das bekannte Säulenmodell zur Identität von Hilarion Petzold). In diesem Ansatz, der der Integrativen Therapie entstammt, geht man davon aus, dasss unsere Identität von 5 zentralen Säulen getragen wird…oder eben auch nicht. In der nachfolgenden Übung können Sie sich mit Ihren Säulen ein wenig beschäftigen, feststellen, wo sie sich sicher fühlen oder wo Sie Ihr Augenmerk stärker hinrichten müssen und arbeiten möchten…

Übung

Säule 1 Leiblichkeit
Wie steht es um Ihre Gesundheit; wie ist Ihr körperliches und seelisches Befinden? Wie sind Sie mit Ihrer Erscheinung zufrieden? Verkörpern, Sie das, was Ihnen in Ihrem Leben wichtig ist? Wie schätzen Sie Ihre geistige Haltung ein? Woher bekommen Sie geistige „Nahrung“, Anregungen? Gab es Unfälle oder Erkrankungen, die sich auswirken? Hat die Erkrankung Ihres Elternteils Einfluss auf Ihre Befindlichkeit genommen? Wenn ja,In welcher Weise? Welche Stärken haben Sie aus der Erkrankung des Elternteils erlernt?
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Säule 2 Soziale Beziehungen
Wie steht es um ihre sozialen Netzwerke: Familie und Familienbeziehungen, Freundeskreis, Arbeitskollegen? Wer ist wichtig? Wer fällt aus? Welche Beziehung fordert den meisten Teil Ihrer Energie, welche Beziehung stiftet  Energie? Welche Beziehungen aus der Vergangenheit wirken sich bis heute aus? Wie wirkt die Erkrankung Ihres Elternteils sich auf Ihre anderen Beziehungen aus?
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Säule 3 Arbeit und Leistung
Wie ist Ihre Zufriedenheit in Ihrem Haupttätigkeitsfeld, etwa am Arbeitsplatz ( oder auch als Mutter etc.)? Tun Sie Ihre Arbeit gern? Ist Ihre Arbeit sicher? Empfinden Sie Ihre Arbeit als Bestimmung, Berufung? Ist Ihre Arbeit Erfüllung oder nur notwendig zum Lebensunterhalt? Wie sicher ist Ihre Arbeit? Welche Erwartungen haben andere an Sie? Wo sind Ihre Stärken, Ihre Defizite? Aus welchen anderen Bereichen schöpfen sie Kraft? In welchem anderen Bereich sind Sie zufrieden mit Ihrer Leistung? Wo sind Sie besonders erfolgreich, wo nicht?Welchen Einfluss hatte die Erkrankung Ihres Elternteils auf Ihre Berufstätigkeit?
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Säule 4 Materielle Sicherheit
Zu den materiellen Sicherheiten zählen Geld, Wohnung, Kleidung u. a. Wenn materielle Sicherheiten wegfallen, wird dadurch auch die Identität in Frage gestellt.

Wie steht es um Ihre materielle Situation? Worauf können Sie sich verlassen? Haben Sie manchmal Existenzängste? Wie sah Ihre finanzielle Situation zu Kindheitstagen aus? Welche Rolle hat hierbei die Erkrankung Ihres Elternteils gespielt?
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Säule 5 Werte
Menschen beziehen aus ihren Werten Sinn und Kraft. Ihre Zugehörigkeit zu Wertegemeinschaften (Kirchen- und Glaubensgemeinschaften, politische Organisationen, Arbeitsgemeinschaften usw.). Die Ziele des Menschen werden zu großen Anteilen durch seine Werte bestimmt. Werte werden verkörpert, führen zu einer Haltung, die sich im Verhalten zeigt.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?
Für welche Werte treten Sie aktiv ein?
Gibt es Werte, die Sie schwächen oder verunsichern?

Welche Rolle spielen Sucht- oder andere elterliche Erkrankungen in Ihrem Wertesystem?
Sind Ihre Werte von einer Gemeinschaft akzeptiert und getragen, wie stimmen diese mit Ihrer Familie überein?

Welche Werte Ihrer Herkunftsfamilie möchten Sie hinter sich lassen?
Wie passt die Sorge um den Erkrankten zu Ihren Wertevorstellungen?

Welche Überzeugung oder Lebensphilosophie stärkt mich?
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Zur weitergehenden Arbeit:
Welche Ihrer Säule erleben Sie als geschwächt, welche birgt besondere Stärken?

Sie können auch eine Einordnung Ihrer Säulen in Zahlen vornehmen: ordnen Sie jede Säule zischen 0 ( gar keine) und 100% (vollständig) Stabilität ein.

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Finden Sie, wenn möglich, eine grafische Darstellungsmöglichkeit Ihrer Säulen…unterscheiden Sie nach Größe, Form, Position, Farbe. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf…

Geben Sie anschließend Ihren Wünschen grafisch Raum….

Tauschen Sie sich mit Ihrem Partner oder einem Menschen Ihres Vertrauens aus…“Wer bin ich?“- die Antwort auf diese Frage unterliegt der Veränderung: Sie können im Jetzt Einfluss nehmen! Auch die vorhergehenden Übungen auf diesen Seiten können Ihnen weitere Anregungen zu dieser Frage bieten…

Übung 3: Mein Weg zum besseren Leben

In der letzten Übung haben Sie Ihre „Besser-Leben-Landschaft“ gemalt und gestaltet. Vielleicht werfen Sie nun noch einmal einen Blick auf diese Landschaft – falls Sie diese noch nicht gestaltet haben, holen Sie dies doch heute nach…

Betrachten Sie nun mit Ruhe…Was gefällt Ihnen an Ihrer-Besser-Leben- Landschaft? Möchten Sie heute noch etwas verändern, dass Sie jetzt gern anders hätten? Dann nehmen Sie sich ein wenig Zeit und malen/gestalten das ein.

Im nächsten Schritt suchen Sie bitte ein größeres Papier als das aus der letzten Übung oder Sie legen gerade so viele Blätter um Ihre Besser-Leben-Landschaft herum, wie erforderlich sind, um einen Rahmen zu erstellen.

Featured image

Wenn ihr Bild nun eingerahmt ist, lehnen Sie sich ein wenig zurück… Gehen Sie mit Ihrer Achtsamkeit zu Ihrem Atem (so wie wir es hier schon geübt haben) und treten ein wenig beiseite. Stellen Sie sich vor, dass Sie mit jedem Atemzug ein Stück mehr zu sich und Ihren inneren Bildern kommen.

Gehen Sie nun der Frage nach, welche Umgebung Ihre Besser- Leben-Landschaft braucht, damit sie entstehen kann. Welche Farben, Personen, Tiere, Menschen, Formen, Worte, Sprüche…

Suchen Sie nun Verbindungen zwischen Rahmen und Landschaft, malen sie alles herum, was Ihnen wichtig erscheint. …Folgen Sie jeweils Ihrem ersten Impuls.

Nun schauen Sie noch einmal hin: Wo in dieser Gestaltung befinden Sie selbst sich gerade. Gibt es einen Punkt in der Landschaft, an Ihrer Grenze, im Rahmen oder weiter außerhalb? Stellen Sie  Verbindungen von Ihrem Standpunkt zur Besser-Leben-Landschaft her. Greifen Sie Formen, Farben und Verbindungen auf. Vielleicht müssen Sie auch Hinderungen, Menschen, Gegenstände auf andere Plätze setzen, übermalen, herausschneiden…seien Sie aktiv und spielerisch, weniger kopflastig. Für eine kreative Gestaltung sind Sätze „Wie soll das gehen?“ …und „das ist doch Kinderkram!“ meist hinderlich.Falls diese Fragen in den Vordergrund rücken, gestalten Sie sie als Teil des Bildes mit.

Schauen Sie nun alles Entstandene noch einmal an: Welchen Schritt zu Ihrem besseren Leben nehmen Sie sich für die nächste Woche vor? Trauen Sie sich und formulieren diesen Schritt in einem einfachen, positiven Satz.

„Ich werde…

Wichtig ist, dass Sie einen Schritt, sei er auch noch so klein, wirklich tun. Was auch immer um Sie herum passiert: Sie sind Mitgestalter Ihres Lebens. Wenn  ein Angehöriger suchtkrank oder auch anders erkrankt sind gilt: Sie können ihn oder sie nicht ändern, aber sie können Einfluss auf ihr Leben nehmen!

Wenn Gestalten heute schwierig ist, lassen Sie sich Zeit und bearbeiten diese Übung zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.

Vertiefung:

Gibt es einen Punkt im Bild, der Ihnen am wichtigsten ist? Was macht diese Stelle aus? Finden Sie fünf Begriffe, die diese Stelle beschreiben. Schreiben Sie diese fünf Begriffe auf und hängen diese so auf, dass Sie sie in der nächsten Zeit inspirieren können! Wenn das Visuelle Sie mehr inspiriert, können Sie auch eine Minikopie dieses Ausschnitts anfertigen oder Sie mit Ihrem Handy oder Kamera abfotografieren und als Handy-Upload immer bei sich tragen.

Ich wünsche Ihnen eine gute „Besser-leben-Zeit“.

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Hören, was niemand sieht.Musiktherapie für Erwachsene Kinder alkoholerkrankter Eltern,Teil 1

„Als ich in der Therapie Musik gemacht habe, habe ich zum ersten Mal gespürt, dass es mich gibt.“
Sammy, 14 Jahre
Waltraut Barnowski-Geiser
Hören, was niemand sieht: Musiktherapie mit Kindern und Erwachsenen aus alkoholbelasteten Familien/Teil 1 von 5
Was passiert, wenn Kinder alltäglich von Erwachsenen umgeben sind, die krankhaft trinken und im Letzten nur noch um sich kreisen? Welche Folgen hat das für die kindliche Seele, ihren Körper und Geist, insbesondere dann, wenn über das, was zu Hause passiert, nicht gesprochen werden darf? Kann Musik das Unaussprechliche zur Sprache bringen, sodass wir endlich „Hören, was niemand sieht!“, wie es der Titel der Studie verspricht. Betroffene Kinder frühzeitig entdecken, obwohl ihre Eltern im Tabu gefangen sind und keinen Auftrag zur Therapie erteilen, sie nicht allein zu lassen in ihrer Not und ihre gesunden Potenziale zu stärken, sind gesellschaftliche und therapeutische Herausforderungen, die neue Wege der Hilfe erfordern. Und ebenso für Erwachsene, die meist noch Jahrzehnte an den lang zurückliegenden Kindheitsbelastungen tragen, exakt zugeschnittene Hilfen anzubieten: dieser abenteuerliche Pionierweg  soll mit Musik und Musiktherapie beschritten werden. Wie Musik, Tanz und Phantasie das beinahe unmöglich Erscheinende möglich macht, darum geht es in der vorliegenden Forschungsstudie. Und: obwohl Musik so besonders geeignet erscheint, ohne Worte zu helfen, ist die vorliegende Studie die erste (auch international), die diesen kreativen Weg untersucht und verfolgt. Die gute Nachricht vorab: sanfte Entlastung und Hilfe durch Musik für betroffene Kinder ist möglich! Und wie, das erzählen uns vom Alkoholismus ihrer Eltern betroffene Kinder am Ende sogar selbst mit Worten und auf Instrumenten.

Wie es in einer alkoholbelasteten Familie klingt
Wenn Kinder mit Musik über den Alltag in ihren Familien erzählen, dann klingt das oftmals sehr abenteuerlich. Ich möchte sie einladen, vor ihrem inneren Ohr diese Musik mit mir anzuhören. Manche wählen zur Beschreibung das Stück „Dialogue du vent et de la mer des französischen Komponisten Claude Debussy, das ich hier mit meinen Eindrücken und Stimmungsbildern füllen mag: grollend, fast unheimlich schon zu Beginn. Es tönen die tiefen Blechbläser und Streicher, lassen die Unberechenbarkeit des Meeres erahnen, Wellen beginnen sich zu türmen. Ungeheure Anspannung, Anschwellen, starke Crescendi und Decrescendi, drängende Erregung, kaum aushaltbar! Aufsteigende Bilder, immer neu und anders das Meer, wohin zuerst schauen? Unberechenbarkeit der Naturgewalten, klingend in Szene gesetzt, auch nach mehrfachem Hören neu und nicht in allen Facetten er-hört. Suche nach friedvollem Miteinander, Geborgenheit nun. Nach den abrupten stürmischen Szenen fast seltsam anmutende Sanftheit, sehnsüchtig wirkende Klänge der Oboe. Rührung, Elegie, Verspieltheit, Anmut, fragile Zartheit tönt.“
Wie ging es Ihnen beim Hören dieser Musik? Haben Sie sich vielleicht ausgeliefert und bedroht, unsicher gefühlt? Hatten sie den Eindruck, dass sie nicht berechnen können, was als nächstes passieren wird, während doch schon wieder Frieden einkehrt, der zu verkünden scheint: es ist gar nichts, hier war nichts. Sie fragen sich, ob sie eben wirklich richtig gehört haben, wo es doch nun so friedlich um sie herum erscheint, während die Musik neuerlich losschlägt – diese Musik, wie sie oft von Betroffenen für die Situation in ihren Familien gewählt und gespielt wird, ermöglicht Anklänge an das Unberechenbare, an das Tobende und Verschlingende, an die von Hocherregung bestimmten Krisensituationen, an die abrupten Stimmungswechseln, denen betroffene Kinder und Erwachsene aus alkoholbelasteten Familien ausgesetzt sind. Sie drohen neben den im Kampf um die Sucht gefangenen Elternpaar förmlich unterzugehen. Die Atmosphäre in diesen Familien ist extrem belastet, geht es doch vor allem um eines: den Alkohol und den Elternteil, der diesen trinkt. Schuld wird weitergegeben, willkürlich und unangemessen und alles oftmals unter einem Mantel des Geheimen. In Schulen weiß niemand so recht, was mit diesen Kindern eigentlich los ist, sie sitzen dort meist unerkannt und leiden stumm – allenfalls abweichendes Verhalten erzählt verdeckt von ihrem häuslichen Leiden.
Erinnern Sie sich an das Hören der Musik! Lassen Sie uns gemeinsam darauf achten, wie Sie sich gegen die Musik geschützt haben: haben sie sich die Ohren zugehalten? Haben sie versucht, innerlich abzuschalten, aus der Situation zu fliehen oder sich wegzuträumen? Dann haben sie all das getan, was auch Kinder in alkoholbelasteten Familien tun, um sich zu retten. Und allzu oft wird dann dieser Schutz, wenn er alltäglich nötig wird, förmlich zur zweiten Haut und Natur der Kinder. Sie spielen, dass „nichts ist“, vielleicht in leisen, friedlich wirkenden Harfenglissandi, während innerlich das Chaos tobt: das Meer stürmt und die Kinder sitzen äußerlich scheinbar unberührt da. Ein anstrengender Kampf, der Folgen hat für die Seele, für das Denken, aber auch für den Körper der Kinder. Die Folgen können massiv sein, wenn keine Hilfe im Kindesalter erfolgt.

Zum Beispiel Frau R.

Frau R., 37 Jahre alt, kommt zum ersten Mal zur ambulanten Musiktherapie. Sie hat zwei mehrjährige Gesprächstherapien hinter sich. „Diese Therapien waren in Ordnung!“, meint sie, „aber ich fühle mich nicht gut. Mir geht es einfach oft schlecht und ich habe gar keinen Grund dazu.“ Die Frage, ob sie dieses Gefühl auf einem Instrument ausdrücken möchte, verneint sie vehement. „Es fehlt noch, dass das auch noch zu hören ist!“, runzelt sie entsetzt die Stirn. Sie schaudert förmlich, „Musik ist furchtbar, da muss ich ja nur heulen!“ Sie springt in ein anderes Thema… „Ich habe oft schlimme Kopfschmerzen und panische Wellen beim Auto fahren. Manchmal denke ich, dass ich spinne, weil ja eigentlich gar nichts ist. Ja, in meiner Beziehung läuft es nicht so toll, aber…!“ Sie seufzt. „Ah, da fällt mir ein, träumen“, meint sie, „meine Träume sind ganz schrecklich. Können Träume in der Therapie auch ein Thema sein?“, fragt sie. Ich bejahe. „Ich habe ganz oft einen Traum, nach dem es mir dann immer sehr schlecht geht. So ein ganz bescheuerter. Ich sehe ein Kind, das auf einer heißen Herdplatte sitzt und dann sehe ich sein verbranntes Gesicht. Das Kind hat ein verbranntes Gesicht… Puh, danach ist mir immer furchtbar beim Aufwachen! Ich möchte endlich wissen, was das bedeutet.“ In der Identifikation mit dem Traum stellt Frau R. fest, dass sie das Geträumte tatsächlich erlebt hat. „Ich hatte tatsächlich Verbrennungen als Kind. Das hatte ich völlig vergessen. So mit drei oder vier Jahren war das, diese Szene haben mir meine älteren Geschwister erzählt!“, erinnert sie sich nun. „Meine Mutter hat gekocht und mich dabei auf der heißen Herdplatte vergessen.“ Frau R. lacht, sie wirkt ungerührt. Ich äußere meine Betroffenheit. „Meine Mutter hatte halt viel mit dem Haushalt zu tun und vergessen, dass ich dort sitze. Das kann ja mal passieren!“, meint Frau R. Ich äußere mein Entsetzen über das Vorgefallene. Frau R. findet nun viele entschuldigende Worte für ihre Mutter, und dass diese ihr ja nicht wirklich Böses gewollt habe. Dann stellt sie in Frage, ob es wirklich so gewesen sei, verwirft diesen Gedanken jedoch, da dieser Vorfall so durch ihre älteren Geschwister erzählt und bestätigt wurde. „Ach, wissen Sie, ich war so ein nerviges Kind, dass ich meine Mutter damit an ihren nervlichen Rand gebracht habe.“ Erst nach beständigem Nachfragen äußert Frau R., dass ihre Mutter Alkoholikerin war und meist nicht zurechnungsfähig durch ihre Betrunkenheit. Solange Frau R. denken kann. Immer.„Aber darüber haben wir nie gesprochen, meine Mutter hatte einen angesehen Beruf, also, das hätte niemand erfahren dürfen. Nur mein Vater wusste das, klar, aber der ist dann gegangen, als ich elf war. Ich glaube aber nicht wegen meiner Mutter. Dem war ich zu viel, wir Kinder überhaupt.“ Ihre Mutter sei inzwischen gestorben, Frau R. hat nun ein schlechtes Gewissen, ihre Mutter so negativ dargestellt zu haben. Thema in den vorherigen Therapien sei das nicht gewesen, weil Frau R. daran gar nicht mehr gedacht habe…( Barnowski-Geiser 2009)
So wie Frau R. erleben sich viele Kinder und erwachsene Kinder trinkender Eltern: sie erleiden oftmals Schlimmes, sie wissen aber nicht um sich und ihr Leiden, ihre Symptome und Krankheiten setzen sie nicht in Zusammenhang mit dem häuslich Erlebten, sie finden Entschuldigungen für ihre Eltern, auch wenn diese ihnen großes Leid zugefügt haben und geben sich sogar selbst die Schuld daran, wenn sie sich schlecht fühlen. Sie wissen nicht mehr, was sie wirklich fühlen und was sie fühlen sollten, sie verlieren oftmals ein Gespür dafür, was sie wirklich wollen, wer sie wirklich sind. Oftmals sind ihnen ihre Probleme im Zusammenhang mit dem elterlichen Trinkverhalten wenig bewusst. Ihre Probleme und Leiden gibt es nicht wie es auch die elterliche Sucht nicht gibt. Ein paar Zahlen: in Deutschland leben 1,6 Millionen Alkoholabhängige, mehr als 10 Millionen Erwachsene gelten als riskant Konsumierende, 2-3 Millionen Kinder leben diesen Zahlen zufolge mit alkoholerkrankten Eltern. Nur 14,5% aller Alkoholabhängigen jedoch nimmt überhaupt je therapeutische Hilfe in Anspruch, wenn wir aktuelle Erhebungen (etwa im Suchtbericht) ernst nehmen. Nur eine verschwindend geringe Zahl betroffener Kinder erfährt infolge dessen tatsächlich eine ihnen wirklich angemessene Behandlung. Es ist von einer wenig erforschten und stark gefährdeten Hochrisikogruppe für Eigenerkrankung auszugehen sowie von einer weitaus größeren Zahl mit betroffener Angehöriger.Immer mehr Kinder werden selbst frühzeitig zu Komatrinkern. Da die Kinder über ihre Leiden nicht sprechen dürfen, gilt es neue Wege zu finden, Betroffenen zu helfen. Hier bietet sich das Medium Musik als Sprache an, die Ausdruck über das gesprochene Wort hinaus ermöglicht. Ein neuerliches Erstaunen: national und international gibt es bislang keine Forschung zu Musiktherapie bei Kindern aus alkoholbelasteten Familien. Wie Musik und kreative Medien eine Hilfe sein können, zeigt sich im AWOKADO-Konzept. Zu den Ergebnissen der Studie und mehr in Teil 2-5 in Kürze.