Wenn gestern nicht einfach vorbei ist… Wie wir schwierige Kindheitserfahrungen überwinden

Wenn Menschen als Kinder in ihren Familien Ungutes erlebt haben, und das oftmals über Jahre hinweg, manchmal von Geburt an, dann trifft der Ausspruch „Vorbei ist vorbei!“ bei ihnen oftmals einen sehr empfindlichen Nerv. So wahr diese Aussage, (oftmals von Angehörigen oder Freunden sogar durchaus gut gemeint) auch an den aktuellen Fakten gemessen sein mag, so wenig hilft sie Betroffenen: denn ihr tägliches Erleben ist ein anderes. Sie fühlen sich oftmals innerlich, scheinbar grundlos, ängstlich, überfordert und hilflos, und das, obwohl sie im Außen oftmals Ungeheures leisten. Treten im Außen Krisen auf, wie etwa die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine, wirken diese Ereignisse verstärkend, wie Trigger in alte Krisenzeiten.

Was passiert genau bei diesen Menschen? Lassen Sie uns, um das genauer zu verstehen, neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu Rate ziehen. Wir wissen heute (und natürlich sind Beschreibungen für diese hochkomplexen Vorgänge zwangsläufig sehr vereinfachend), dass unser Gehirn sich so aufbaut, wie es genutzt wird. Die Verschaltung der Synapsen ist also nutzungsabhängig,  bestimmt von anschwellenden und abschwellenden Erregungspotenzialen. Das gilt auch, so beschreibt es etwa Gerald Hüther in seinem Buch „Biologie der Angst“, für emotionale Verschaltungen. Wenn also ein Kind in eine Familie hineingeboren wird, in der die Eltern große eigene Probleme haben, dann wird es schon als Säugling viel davon mitbekommen, dazu in Resonanz gehen. Wir wissen heute aus entwicklungspsychologischen Forschungen, dass schon Säuglinge viel mehr wahrnehmen als wir je angenommen haben: auch Atmosphären, Stimmungen, Emotionen. Stellen wir uns eine Familie vor: vielleicht  lebt hier ein suchtkranker Vater, der, wenn er trinkt laut wird und Streit anfängt, täglich über sich die Kontrolle verliert und eine Mutter, die sich liebevoll um ihr Baby kümmert, aber durch die Probleme mit dem Ehemann gereizt und an ihren Grenzen der Belastbarkeit angekommen ist: all dies wird ihr Baby mitbekommen, Angst und Schrecken gleichsam mit der Muttermilch aufsaugen. Auf das Wahrgenommene kann das Baby unterschiedlich reagieren: eine Möglichkeit zu reagieren kann sein, Angst zu entwickeln. Aus dieser befeuerten Hirnspur der ersten Lebensmonate, der verschalteten Synapsenspur der Angst, wird leicht ein breiterer Hirnweg, wenn er künftig täglich genutzt wird. Wird, um im Bild zu bleiben, die Angstspur lange Zeit und wiederholt gefahren (etwa weil die Sucht und die damit vorhandenen familiären Probleme stärker werden), kann sie zu einem breiten Trampelpfad, einer regelrechten Hirnautobahn werden. Wird diese Autobahn über Jahre, gar Jahrzehnte so weiter genutzt, dann kann es passieren, dass unser Säugling, nennen wir ihn hier Suchtkind, auch als erwachsene Frau mit 40 oder gar 60 Jahren alltäglich auf dieser Angstautobahn fährt. Sie hat den Eindruck, gar nicht anders fahren zu können. Scheinbar hat sie grundlos Angst, gibt es doch aktuell gar keinen Anlass zu Ängsten und Sorgen. Frau Suchtkind fühlt sich nun ihren Gefühlen hilflos aufgeliefert. Doch das heutige Gefühl ist nicht sinnlos, auch wenn Frau Suchtkind es berechtigter Weise als unangenehm empfindet: dieses Gefühl macht unsere Frau Suchtkind darauf aufmerksam, dass das früh als Kind Erlebte heute Hinwendung und Zuwendung verlangt.

Nicht mehr Fühlen – auch ein (Paar)-Problem
So wie sich Frau Suchtkind ständig sorgt und ängstigt, gibt es andere Menschen mit unguten Kindheitserfahrungen, die andere Bewältigungsstrategien gefunden haben: sie fühlen nicht mehr. Gefühle, das haben sie bemerkt, sind ungeheuer schmerzhaft. Damit soll Schluss sein! Sie wollen sich nicht mehr erschüttern lassen. Dieser Vorgang läuft nicht bewusst ab, sondern ist oftmals ein Schutzmechanismus der Seele, den Betroffene selbst nicht einmal bemerken. Oftmals bemerken sie erst erst durch die Rückmeldungen von anderen, dass etwas problematisch und nicht ganz in Ordnung ist. Die Partnerin etwa drängt: „Mach mal Therapie, ich komme nicht an dich heran!“ Eine neuerliche Verzweiflung. Sich mit diesen schlimmen Erfahrungen auf einen fremden Menschen einlassen, gar einen Therapeuten, wo sich Betroffene selbst schon manchmal fragen, ob mit ihnen noch alles stimmt? Dann besser nichts machen! Und nun stecken sie fest. Derart Betroffene und ihre Partner stecken oft in Krisen fest, die von großer Sprach-und Hilflosigkeit gezeichnet sind. Neben Angst und Gefühllosigkeit, Scham und Schuld, leidet dann mit der Zeit vor allem eines: das eigene Selbstwertgefühl. Die Lebensqualität leidet, Betroffene bleiben unter ihren eigenen Möglichkeiten zurück- sie sind unzufrieden, fühlen sich diffus unzulänglich – ihr Umfeld, vor allem ihre Beziehung, leidet oft mit. Und wieder droht eine Familie unglücklich zu werden, so wie es die Betroffenen aus ihrer Herkunftsfamilie kennen- und gerade das wollten sie in ihrem Leben doch unbedingt vermeiden. Ein Teufelskreis.

Der erste Schritt aus dem Dilemma
Was kann aus diesem Dilemma heraushelfen? Der erste Schritt ist der schwierigste: er bedeutet, wahrzunehmen, was wirklich los ist. Dazu gehört viel Mut. Vielleicht brauchen Sie dabei Unterstützung. Einen Menschen, der die Belastungen, die sie getragen haben, würdigen kann, aber der auch mit ihnen einen Blick auf Ihre Stärken und das, was sie bis heute geschafft haben, werfen kann.  Die Würdigung der Belastungserfahrung und die Würdigung der eigenen Stärken, die sie aus und in diesen Krisen entwickelt haben, beschrieben Menschen in meinen Befragungen als einen der wichtigsten Hilfefaktoren, sich besser und entlasteter zu fühlen (Barnowski-Geiser (2015): Vater, Mutter, Sucht). Kreative Wege eröffnen Möglichkeiten, sich diesen Stärken anzunähern. Sie ermöglichen uns, neue Hirnspuren zu ebnen und Abfahrten von der alten Autobahn. Da folgt der zweite Schritt, der im Angesicht von schwierigen Kindheitserfahrungen zugegeben sehr schwer ist: Sie müssen an die Möglichkeit der eigenen Veränderung glauben!

Alles Beste in diesen schwierigen Zeiten wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Mussten Sie auch Ihren eigenen Eltern Eltern sein?…wenn Kindsein einfach ausfällt

 

Fällt es Ihnen schwer, kindlich und verspielt zu sein? Tun Sie sich schwer mit Leichtigkeit? Dann kann es sein, dass Sie allzu früh den Ernst des Lebens leben mussten allzu früh Verantwortung in Ihrer Familie übernahmen – für bedürftige Eltern oder andere Familienmitglieder, vor allem auch für Geschwister. Selten wird diese frühe Überforderung durch die Familie gewürdigt. Meist wird die Leistung der Kinder dann sogar von den Eltern kritisiert und herabgestuft – man tut so, als wäre das normal, dass Kinder Erwachsenenarbeit tun. Für viele Betroffene endet dies in chronischen Gefühlen von Überforderung und Erschöpfung, zugleich können Sie sich als Erwachsene selbst wenig Wertschätzung entgegenbringen für all das, was Sie meist immer noch im Übermaß leisten und tun. Das für andere Dasein wird zur zweiten Haut, was sich auch in der Übernahme starrer Rollenmodelle im Erwachsenenalter zeit: Mutter Teresa, Robin Hood, Superman etc. (Barnowski-Geiser: Vater, Mutter, Sucht 2015) werden zu einem Korsett, an dem sich Betroffene dann verzweifelt festhalten. Ein Korsett, das sie aus großer Not heraus viel zu früh anlegen und schwerlich ablegen können, scheinen sie doch nur als Heilige und Retter wirklich Bestätigung und Wertschätzung zu erfahen, überhaupt Bedeutung zu erlangen. Im Titel Vater, Mutter, Sucht klingt es an: die Erkrankung (hier die Sucht) nimmt in den Familien den Platz ein, der eigentlich den Kindern zusteht.

Wie sehr sich das bis tief in die eigene Identität webt, zeigt die Arbeit mit Sammy.In seiner Traumreise begegnet Sammy seiner gegenwärtigen Rolle erneut, dadurch wird sie ihm erstmalig bewusst:

Der 14jährige Sammy sorgt bereits seit Jahren für seine Geschwister…Während einer Imagination mit der R.L.M. -Methode (Methode der Rezeptiven Musiktherapie) reist der 14jährige Sammy imaginär in sein Traumland. Hier trifft er einen alten weisen Mann, den er um Rat zu seiner augenblicklichen Situation fragen kann. Er erzählt anschließend: „Ich konnte dem alten Mann helfen, er war froh, dass ich kam, weil er konnte sein Holz nicht mehr tragen und fühlte sich so alleine. Da habe ich ihm seine Wohnung aufgeräumt und Feuer gemacht und er konnte mir auch mal alles erzählen, was ihn so belastet.“ Ich frage, ob er denn auch etwas von dem weisen Mann bekam. „Nee!“, sagt Sammy, „Ich helfe meistens den anderen, auch den Erwachsenen.“ Nach einigem Überlegen sagt er: „Hier in der Therapie ist es das erste Mal, dass ich zugebe, selber Probleme zu haben und mir dabei helfen lasse.“ (Sammy, 14 Jahre zit. nach Barnowski-Geiser (2009) Hören, was niemand sieht).

In kleinen Schritten, auch mit Unterstützung seiner Eltern, die für seine Helferproblematik sensibilisiert werden konnten, konnte Sammy allmählich sein Helferkorsett ein wenig lockern. Dieses De-Parenting (wieder kindlich werden) ist Teil der Arbeit nach dem AWOKADO-Konzept. Betroffene Kinder benötigen frühzeitig Orte, an denen Sie selbst unbeschwert Kind sein dürfen. Erwachsene müssen einerseits achtsam sein, ob sie in einer der klassischen Rollen gefangen sind und immer noch im alten Korsett stecken (vielleicht nur in einer anderen Beziehung als früher- und das fühlt sich lange Zeit sehr vertraut und richtig an).Und sie müssen suchen, wie und auf welche Weise sie ihren kindlichen Anteil nachholen können: Übungen dazu finden Sie auch auf dieser Seite. Kreativ Sein ist ein wichtiger Schlüssel zu mehr Leichtigkeit, zu einem Mehr an kindlichen Anteilen in Ihrem Leben. Auch wenn es schwerfällt, steckt hier ein großes Potenzial für ein Leben, das Sie so mit mehr Lebensqualität füllen können.

Dr. Waltraut Barnowski-Geiser ist Therapeutin, Lehrende und Autorin. Vater, Mutter, Sucht (2015) und Hören, was niemand sieht (2009) sind ihre Bücher zur Thematik. In der Praxis KlangRaum in Erkelenz bietet sie Hilfe für Menschen mit Kindheitsbelastungen auf der Basis des von ihr entwickelten AWOKADO-7-Schritte-Programms

Heilung braucht Hoffnung

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„Glaube kann Berge versetzen!“ Diese Volksweisheit ist  für Menschen, die eine tiefgreifende Kindheitsbelastung erfahren haben, von besonderer Bedeutung. Viele erwachsene Kinder aus belasteten Familien haben früh Verletzungen  ihres Glauben und Hoffens erfahren. Als Erwachsene möchten sie die Folgen dieser Kindheitsbelastung verständlicherweise endlich hinter sich lassen. Wie dies auf gute Weise gelingen kann, darüber herrscht oft Ratlosigkeit, selbst bei Ärzten und Therapeuten. Schauen wir an, was Menschen als heilend auf ihrem persönlichen Weg beschreiben, so fällt auf: Wege zur Heilung sind vielfältig und individuell. Es gibt nicht  „das“ Rezept. Ob in Forschungen oder in therapeutischer Arbeit, immer jedoch zeigte sich eine Fähigkeit als zentral auf dem Weg zur Heilung: die Fähigkeit, zu hoffen. Das klingt schlicht und einfach… und ist doch für Menschen mit schweren Kindheitsbelastungen eine der schwierigsten Herausforderungen. ….mehr lesen

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Dr. Waltraut Barnowski-Geiser ist Therapeutin und Autorin.

Ihre Bücher zum Thema: Vater, Mutter, Sucht (2015) und Hören, was niemand sieht ( 2009).

Arbeit und Unterstützung nach dem AWOKADO-Hilfe-Konzept (auch in individuell zugeschnittenen Kompaktblöcken) in ihrer Praxis KlangRaum in Erkelenz

Wenn gestern nicht einfach vorbei ist… Schwierige Kindheitstage trotzdem überwinden!

Wenn Menschen als Kinder in ihren Familien Ungutes erlebt haben, und das oftmals über Jahre hinweg, manchmal von Geburt an, dann trifft der Ausspruch „Vorbei ist vorbei!“ bei ihnen oftmals einen sehr empfindlichen Nerv. So wahr diese Aussage, (oftmals von Angehörigen oder Freunden sogar durchaus gut gemeint) auch an den aktuellen Fakten gemessen sein mag, so wenig hilft sie Betroffenen: denn ihr tägliches Erleben ist ein anderes. Sie fühlen sich oftmals innerlich, scheinbar grundlos, ängstlich, überfordert und hilflos, und das, obwohl sie im Außen oftmals Ungeheures leisten.

Was passiert genau bei diesen Menschen? Lassen Sie uns, um das genauer zu verstehen, neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu Rate ziehen. Wir wissen heute (und natürlich sind Beschreibungen für diese hochkomplexen Vorgänge zwangsläufig sehr vereinfachend), dass unser Gehirn sich so aufbaut, wie es genutzt wird. Die Verschaltung der Synapsen ist also nutzungsabhängig,  bestimmt von anschwellenden und abschwellenden Erregungspotenzialen. Das gilt auch, so beschreibt es etwa Gerald Hüther in seinem Buch „Biologie der Angst“, für emotionale Verschaltungen. Wenn also ein Kind in eine Familie hineingeboren wird, in der die Eltern große eigene Probleme haben, dann wird es schon als Säugling viel davon mitbekommen, dazu in Resonanz gehen. Wir wissen heute aus entwicklungspsychologischen Forschungen, dass schon Säuglinge viel mehr wahrnehmen als wir je angenommen haben: auch Atmosphären, Stimmungen, Emotionen. Stellen wir uns eine Familie vor: vielleicht  lebt hier ein suchtkranker Vater, der, wenn er trinkt laut wird und Streit anfängt, täglich über sich die Kontrolle verliert und eine Mutter, die sich liebevoll um ihr Baby kümmert, aber durch die Probleme mit dem Ehemann gereizt und an ihren Grenzen der Belastbarkeit angekommen ist: all dies wird ihr Baby mitbekommen, Angst und Schrecken gleichsam mit der Muttermilch aufsaugen. Auf das Wahrgenommene kann das Baby unterschiedlich reagieren: eine Möglichkeit zu reagieren kann sein, Angst zu entwickeln. Aus dieser befeuerten Hirnspur der ersten Lebensmonate, der verschalteten Synapsenspur der Angst, wird leicht ein breiterer Hirnweg, wenn er künftig täglich genutzt wird. Wird, um im Bild zu bleiben, die Angstspur lange Zeit und wiederholt gefahren (etwa weil die Sucht und die damit vorhandenen familiären Probleme stärker werden),kann sie zu einem breiten Trampelpfad, einer regelrechten Hirnautobahn werden. Wird diese Autobahn über Jahre, gar Jahrzehnte so weiter genutzt, dann kann es passieren, dass unser Säugling, nennen wir ihn hier Suchtkind, auch als erwachsene Frau mit 40 oder gar 60 Jahren alltäglich auf dieser Angstautobahn fährt. Sie hat den Eindruck, gar nicht anders fahren zu können. Scheinbar hat sie grundlos Angst, gibt es doch aktuell gar keinen Anlass zu Ängsten und Sorgen. Frau Suchtkind fühlt sich nun ihren Gefühlen hilflos aufgeliefert.Doch das heutige Gefühl ist nicht sinnlos, auch wenn Frau Suchtkind es berechtigter Weise als unangenehm empfindet: dieses Gefühl macht unsere Frau Suchtkind darauf aufmerksam, dass das früh als Kind Erlebte heute Hinwendung und Zuwendung verlangt.

Nicht mehr Fühlen – auch ein (Paar)-Problem
So wie sich Frau Suchtkind ständig sorgt und ängstigt, gibt es andere Menschen mit unguten Kindheitserfahrungen, die andere Bewältigungsstrategien gefunden haben: sie fühlen nicht mehr. Gefühle, das haben sie bemerkt, sind ungeheuer schmerzhaft. Damit soll Schluss sein! Sie wollen sich nicht mehr erschüttern lassen. Dieser Vorgang läuft nicht bewusst ab, sondern ist oftmals ein Schutzmechanismus der Seele, den Betroffene selbst nicht einmal bemerken,Oftmals bemerken sie erst erst durch die Rückmeldungen von anderen, dass etwas problematisch und nicht ganz in Ordnung ist. Die Partnerin etwa drängt: „Mach mal Therapie, ich komme nicht an dich heran!“ Eine neuerliche Verzweiflung. Sich mit diesen schlimmen Erfahrungen auf einen fremden Menschen einlassen, gar einen Therapeuten, wo sich Betroffene selbst schon manchmal fragen, ob mit ihnen noch alles stimmt. Dann besser nichts machen! Und nun stecken sie fest. Derart Betroffene und ihre Partner stecken oft in Krisen fest, die von großer Sprach-und Hilflosigkeit gezeichnet sind. Neben Angst und Gefühllosigkeit, Scham und Schuld, leidet dann mit der Zeit vor allem eines: das eigene Selbstwertgefühl. Die Lebensqualität leidet, Betroffene bleiben unter ihren eigenen Möglichkeiten zurück- sie sind unzufrieden, fühlen sich diffus unzulänglich – ihr Umfeld leidet oft mit.Und wieder droht eine Familie unglücklich zu werden, so wie es die Betroffenen aus ihrer Herkunftsfamilie kennen- und gerade das wollten sie in ihrem Leben doch unbedingt vermeiden. Ein Teufelskreis.

Der erste Schritt aus dem Dilemma
Was kann aus diesem Dilemma heraushelfen? Der erste Schritt ist der schwierigste: er bedeutet, wahrzunehmen, was wirklich los ist. Dazu gehört viel Mut. Vielleicht brauchen Sie dabei Unterstützung. Einen Menschen, der die Belastungen, die sie getragen haben, würdigen kann, aber der auch mit ihnen einen Blick auf Ihre Stärken und das, was sie bis heute geschafft haben, werfen kann.  Die Würdigung der Belastungserfahrung und die Würdigung der eigenen Stärken, die sie aus und in diesen Krisen entwickelt haben, beschrieben Menschen in meinen efragungen als einen der wichtigsten Hilfefaktoren, sich besser und entlasteter zu fühlen (Barnowski-Geiser (2015): Vater, Mutter, Sucht). Kreative Wege eröffnen Möglichkeiten, sich diesen Stärken anzunähern. Sie ermöglichen uns, neue Hirnspuren zu ebnen und Abfahrten von der alten Autobahn. Da folgt der zweite Schritt, der im Angesicht von schwierigen Kindheitserfahrungen zugegeben sehr schwer ist: Sie müssen an die Möglichkeit der eigenen Veränderung glauben!