Jetzt.besser.Leben-Kindheitsspuren überwinden/ Dr.Barnowski-Geisers Blog

In Jetzt.Besser.Leben-Kindheitsspuren überwinden schreibe ich seit 2015 rund um die Themen Sucht-und Kindheitsbelastung. Ich freue mich, auf diesem Wege viele Menschen zu diesem tabuisierten Feld zu erreichen. Dieser Blog richtet sich vor allem an erwachsene Kinder von:

  • Alkokol-und Suchtkranken
  • psychisch kranken Eltern,
  • bindungproblematischen Eltern
  • (emotional) missbrauchenden Eltern
  • traumatisierten Eltern
  • ihre Partner und Kindeskinder
  • fachspezifisch interessierte Therapeutinnen und Therapeuten

In unregelmäßigen Abständen veröffentliche ich hier Hilfreiches, das mir und Betroffenen in Therapie und Praxis, in der Literatur, im Web und TV oder auch in den sozialen Medien begegnet sowie zentrale Positionen aus meinen Forschungen rund um das AWOKADO-Hilfe-Konzept. Unter den angegebenen Kategorien finden Sie Stichworte, die Ihre Suche erleichtern kann. Die oft gelesenen Rubriken „Impuls der Woche“ und „Selbstcoaching kreativ“ finden Sie ebenfalls im Überblick unter der entsprechenden Kategorie.Wenn Sie ganz neu in der Thematik unterwegs sind, lohnt sich die Einführung in die Thematik erwachsener belasteter Kinder – hier finden Sie auch von mir nach Erscheinungsdatum geordnete empfohlene Literatur zum Themenfeld. Weitere Kontaktadressen und Projekte für Kinder aus belasteten Familien hier. Wenn Sie eine Ihnen wichtig erscheinende Adresse oder Publikation nicht finden, kontaktieren Sie mich gern – gern füge ich wertvolle Infos für Betroffene hinzu.

Inspirierende Lesestunden und Erfahrungen wünscht Ihre

Dr.Waltraut Barnowski-Geiser

Auch verdammt stark: von den uebersehenen Stärken der Suchtkinder.

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Kinder aus Suchtfamilien, und das wurde die längste Zeit (sogar in Forschungsaktivitäten jüngerer Zeit) sträflich übersehen, entwickeln auch besondere Stärken. Diese Stärken zeichnen die betroffenen Kinder in besonderer Weise aus; sie sind ihnen jedoch meist selbst wenig bewusst. Da sie für Ihre besonderen Leistungen in ihren Familien kaum Anerkennung erhielten, sogar eher zum Sündenbock gestempelt wurden, ist ihnen der Zugang zu ihren Stärken oft verwehrt: sie übersehen diese als Erwachsene so, wie sie es im Kindesalter durch die eigenen Eltern erfahren haben. Die betroffenen Kinder (auch Kinder psychisch und anders schwer belasteter Eltern) geraten in eine Tabu-Stärkenfresserspirale. In der elterlichen Scham über das eigene Unvermögen, elterliche Fürsorge angemessen und dauerhaft anzubieten, sondern diese viel zu früh an das Kind delegiert zu haben, fällt die alltägliche Höchstleistung des Kindes unter den Tisch. Es beginnt eine Negativspirale in einer verquer anmutenden familiären Dynamik: es wird so getan,als gaebe  keine (Sucht)-Erkrankung, kein elterliches Versagen, kein Leiden der Kinder und folglich keine besondere Leistungen der Kinder. Über Jahrzehnte gelebt, wird diese Spirale Teil der Selbstzuschreibung der Kinder: das erwachsene Suchtkind leistet und leistet, und bewertet das in vertrauter Manier: „Ich habe doch gar nichts gemacht!“ Kommen dann noch entsprechende Partner, Arbeitskollegen oder Chefs dazu, wiederholt sich die Tabu-Stärkenfresserspirale allzu ungut.Die Tabu-Stärkenfresserspirale tritt auch bei anderen elterlichen Erkranungen

auf, die mit Tabusisierung einhergehen ( z.B. elterliche psychische Erkrankung, elterliche Traumatisierung etc.).

Vielleicht wagen Sie heute einen Blick auf Ihre Staerken,auch wenn das vielleicht ungewohnt erscheint.Welche besondere Staerke mussten Sie beinahe zwangslaeufig entwickeln…welche war Ihnen schon on die Wiege gelegt?

Eine gute Zeit in diesen sonnigen Spaetsommertagen wuenscht Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Ich stoppe meine Selbstabwertung!…ein wichtiger Vorsatz fuer Erwachsene mit Kindheitsbelastungen

Sich selbst abzuwerten, ist Menschen mit Kindheitsbelastungen seltsam vertraut. Dies lässt sich entwicklungspsychologisch nachvollziehen: wer von klein an mit schwierigen Belastungen, etwa mit psychisch oder suchterkrankten Eltern aufwächst, bezieht das Verhalten der Erkrankten oftmals auf sich. Verhalten die ihn Umgebenden sich über lange Zeit „krankhaft“, so glaubt das Kind, das sich in der Phase des Egozentrismus befindet, für dieses Verhalten verantwortlich zu sein. Erfährt es in dieser Phase keine angemessene Auflösung (hält etwa das süchtige und für das Kind wenig befriedigende Verhalten der Eltern über lange Zeit an) , so kann dies  zum lebensbegleitenden Thema werden. Irgendwann ist die eigene Abwertung und sich für alles Negative verantwortlich Fühlen so vertraut, dass es Betroffenen gleichsam zur zweiten Haut wird. Oft zieht Selbstabwertung ungesunde Selbstausbeutung nach sich. Ein Um-und Neulernen wird nötig. Vielleicht auch Ihr Vorsatz nach dem Sommer?

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

„Unfassbar schuldig“- Wie erwachsene Kinder belasteter Eltern zu Therapeuten ihrer Eltern werden

 Zurück nach der Sommerpause hoffe ich, dass es Euch und Ihnen gut geht. Da ich während des Schreibens an unserem neuen Buch (das schreibe ich mit meiner Tochter gemeinsam und es wird wieder um Erwachsene Kinder und ihre Eltern gehen/ erscheint bei Klett-Cotta im Frühjahr 2017)  Interessantes gelesen habe, hier zunächst Bewegendes zum Themenfeld: aus dem neuen Roman der Autorin Sarah Kuttner, den mir eine Freundin ans Herz legte. Eindrücklich schildert Sarah Kuttner, wie sich die Situation der psychisch erkrankten Mutter in das Leben der Erzählerin webt: und es auch als Erwachsene noch bestimmt. Auch ihre Beziehung. Ihr Partner fragt irritiert: „Wo bist du die ganze Zeit?“…“Ich meine natürlich nicht körperlich, sondern, keine Ahnung, dein Geist, dein Herz. Du. Wo bist du die ganze Zeit?“ (Kuttner , S. 28)

In eine andere Welt zu flüchten, ist eine der (meist nicht bewussten) Rettungsstrategien erwachsener Kinder aus belasteten Familien, vor allem dann, wenn die kindlichen Belastungen zu groß sind und allzu lange andauern. Oftmals werden die Kinder mit diesen Belastungen tragischerweise komplett alleingelassen, beispielsweise wenn das andere Elternteil „flieht“:

Die Erzählerin in Sarah Kuttners Roman: „ Zuhause war ich der Mann in der Familie, eine Verantwortung, die ich zurecht tragen musste, war der echte Mann in der Familie ja durch meine Schuld nicht mehr da….ich fühlte mich immer unfassbar schuldig.“ ( S: 31)

Immer wieder unfassbar: wie Schuldgefühle aktiviert werden, wenn KInder eigentlich Überforderndes leisten. Es ist nie genug, so erscheint es. Allzu früh werden diese Kinder Helfer, Therapeuten ihrer Eltern

„…dann bin ich eben so ein Therapeut. Ich passe auf, wende Leid ab…Wenn meine Mutter in den Hochphasen ihrer Traurigkeit so viele Beruhigungstabletten nimmt, dass sie nicht wach genug ist, um auf die Toilette zu gehen. Dann wasche ich das Laken und hänge es auf dem Balkon zum Trocknen auf. Wenn die Nachbarn auf dem NebenBalkon die Laken beäugen und fragen, ob ich nicht ein bisschen zu alt sei, um noch einzupullern, sage ich leise: „Ja“, und schäme mich, als wäre es tatsächlich mein Urin auf den Streublumen.“ (Kuttner S. 32)

Stellvertretende Scham: der siamesische Zwilling der Schuld, bei erwachsenen Kinder belasteter Eltern im Lebensrucksack: ein schweres Marschgepäck. Beschämendes und Belastendes an Eltern Stelle in der Öffentlichkeit auf sich selbst zu schieben, ebenso. Ebenso typisch, dass die Leistung des Kindes nicht gesehen wird: im eigenen kindlichen Film und in der Erkrankung feststeckend, nehmen belastete Eltern dann ihre KInder und deren Tun, ihre Fürsorge, oftmasl bis zur Aufopferung und Entwürdigung, kaum zur Kenntnis.

„Jeder zaghafte Moment der erneuten Annäherung meinerseits wird mit purer, egoistischer Vereinnahmung quittiert. Monika ( name der Mutter, Anm. d. Verf.), die einfach nur irgendwen braucht, der zuhört, wenn das Leben sich anstellt. Der ihr offiziell bescheinigt, dass sie auch nur ein Mensch ist, dass sie immer nur gibt und für andere da ist, dass sich nie jemand um sie sorgt. Nun, ich habe mich meine ganze Kindheit um Monika gesorgt. Jetzt soll bitte jemand anderes übernehmen.“ (Kuttner, S. 40)

Dauerkrisen an der Tagesordnung; und wenn keine Krise da ist, wird eine erzeugt:

„Das Übliche: Monika  spielt Notfall und redet nur über Belangloses. Probleme, die keine sind, die aber behandelt werden sollen, als wären sie welche. Fertig. Sieben Anrufe in Abwesenheit für indisches Echthaar.“ ( Kuttner, S.41)

Wenn das Zusammenleben dann noch eine Dauerfrage von Leben und Tod ist, wenn Suizidalität der Eltern von Kindern getragen wird, wird es dramatisch:  die KInder fühlen sich neben ihrer Überforderung zusätzlich isoliert. Eine Dramatik, die ihnen das Kümmern und Aufpassen, das ständig um andere Kreisen,   das kontrollieren Müssen und verfügbar Sein,  tief in die Seele brennt. Ebenso das Gefühl, ohnmächtig, ausgeliefert und hilflos zu sein, ohne wirklich etwas bewirken zu können.

„…denn Monika ist nicht nur eine arme Wurst, sondern eine arme Wurst, die ihre sechsjährige Tochter fest an der Hand hielt, als sie vor ein Taxi warf, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat, eine arme Wurst zu sein. Jemand, der auch die anderen halbgaren Selbstmordversuche nicht ohne Kinderpublikum über die Bühne bringen konnte.“ ( Kuttner, S. 40)

Lesenswert!

Wunderbare Sonnentage wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

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