Vom Über-Leben zum Erleben/ Impuls fuer Ihre Woche

„Ich will nicht länger  bloß über-leben, sondern endlich er-leben!…Und manchmal gelingt mir das schon!“, sagt Herr S., ein 32jähriger Sozialarbeiter, erwachsener Sohn eines psychisch kranken Vaters. „Mein Leben war von Klein auf geprägt durch die Krisen meines Vaters, meine Mutter war damit völlig überfordert. Ich kam schnell in die Rolle des einzig Verlässlichen, galt als der „Große“, der alles managt. Auch nach dem Auszug aus dem Elternhaus habe ich geschaut, wo die nächsten Bedürftigen und Herausforderungen sind. Irgendwann habe ich erkannt: Ich bleibe neben all den Bedürftigen, neben allen hohen Zielen auf der Strecke…ich habe angefangen, mir Auszeiten zu nehmen, die zu Anfang vor allem mein Körper engefordert hat. Heute ist eine Stunde am Tag, in der ich mich nur um mich kümmere, unverzichtbar. MIt dieser Stunde für mich bin ich in eine andere Haltung gekommen. Ich bin achtsamer mit mir. Ich muss nicht mehr weiter und höher! Ich glaube, mein Leben fängt gerade erst richtig an.“

Sind auch Sie im Krisen-Überlebensmodus stecken geblieben? Wahrscheinlich sind Sie dann MeisterIn der Krisenbewältigung, meistern eine Herausforderung nach der anderen, (womöglich ohne dies wirklich als Leistung zu würdigen)… Muße und Freizeit gestalten, mit allen Sinnen erleben dagegen ist Ihnen ein Angang?…Dann braucht es neue Wege, vor allem oft eine andere Haltung und Bewertung,denn Dauerkrisenmanagement kann krank machen…

Wenn Sie sich von diesen Zeilen angesprochen fühlen und etwas aendern möchten in Ihrem Leben, notieren Sie vielleicht als ersten Schritt drei Dinge, die Sie in der nächsten Woche erleben wollen, abseits von Muss, abseits von Druck… einfach ganz für Sie selbst…achten Sie bei Ihren Muessiggaengen auf Ihren Atem,Ihren Koerper und werden langsam immer absichtsloser.

Eine gute Woche wünscht Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Nichts fuehlt sich richtig an:Wie Erfahrungen mit (sucht-)belasteten Eltern Ihre Bewertungen beeinflussen

„Bei uns zu Hause ist immer Karneval!“, lacht der Kleine (von seinen Lehrern in die Beratung geschickt wegen fehlender Impulskontrolle und unangemessenem Verhalten gegenüber seinen Mitschülern) und beschreibt damit treffend, wie seine Sucht-Familie lebt: mit ständig wechselnden Regeln, die, wenn Papa trinkt, komplett außer Kraft gesetzt sind, alles ist erlaubt… um diese Regeln allerdings dann, wenn der Vater mit dem Trinken aufgehört hat, unter Strafandrohungen wieder einzufordern. Wertungen und ethische Prinzipien werden hier immer wieder in Frage gestellt. In seiner Familie, so erzählt Herr S., Sohn eines Alkoholikers, seien alle Werte vom Alkohol bestimmt gewesen: Menschen wurden als „gut“ eingestuft, wenn sie viel Alkohol anboten und tranken, Nichttrinker galten als zu vermeidende schlechte Menschen- sie provozierten den Vater und wurden folglich gemieden. Solche Erzählungen von Betroffenen muten teils absurd an: und genau diese Absurdität stellt die Lebenswelt der Kinder und erwachsenen Kinder aus belasteten Familien dar.

Die dritte Säule der Identität, die die Normen und Werte betrifft, ist somit, wenn derartige Belastungen sich durch die gesamte Kindheit oder mehrere Jahre ziehen,  stark beeinträchtigt. Betroffene wissen in der Folge nicht mehr, was richtig und falsch, was gut oder schlecht ist: ihre eigenen Bewertungen schwappen ähnlich unsicher hin und her, wie sie es vormals bei ihren Eltern erlebt haben. Vielleicht ist falsch ja richtig, fragen sie sich, und irren kernverunsichert durch ihr Leben, jede noch so kleine kleine anstehende Entscheidung erleben sie dann als große Herausforderung.

 Nina, 17 Jahre, erzählt wie sich ihre Kernverunsicherung in den Alltag webt, hier bei ihrem Zahnarztbesuch: wegen einer  Kieferfehlstellung wurde ihr eine Zahnklammer angepasst. Sie sollte fühlen, ob diese Klammer sich nach dem Einsetzen richtig anfühle. Sie habe weinen mögen, erzählt sie, denn darauf hätte sie keine Antwort gehabt…Wie sollte Nina das auch beantworten können: ihr Kiefer hatte noch nie in der richtigen Position gestanden….Falsch ist für Nina zu richtig geworden. So verhalte es sich auch mit ihrer Gefühlswelt, beschreibt sie aufgeregt….

Wie Nina ergeht es vielen Kindern aus belasteten Familien: wenn tatgtäglich zu Hause Dinge passieren, die eigentlich unmöglich, übergriffig und unwürdig sind, diese aber keinerlei Beachtung oder Sanktion erfahren, kein Entsetzen und kein Aufschreien, keinen Trost und keinen Zuspruch, dann wird  das Übergriffige und eigentlich Unmögliche zur Normalität. Erst im Kontakt mit anderen, etwa nichtsüchtigen Familiensystemen, bemerken die Betroffenen, dass es andere Wertungen und ethische Prinzipien gibt: eine Kernverunsicherung mit großer Lebensunsicherheit ist dann oftmals die Folge. Es gibt einen Weg aus diesem Dilemma, wie sich in der Arbeit mit erwachsenen Betroffenen zeigte: sich mit  Wertvorstellungen und Sinnfragen aktiv zu beschäftigen,  eigene Werte zu definieren, zu ändern oder auch zu stärken, die eigene innere Stimme zu aktivieren, stellt dann eine Kernaufgabe für Betroffene dar. Wenn diese angegangen wird, zeigt sich das Leben oft aus neuer, eigener Perspektive, es wird sinnig-er und stimmig-er.

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

 

Verwandlung:wie Sie Ihrer Identitaet auf die Spur kommen

„Gib mir ein kleines Stückchen Sicherheit, in einer Welt in der nichts sicher scheint!“ , spielte und sang die Gruppe Silbermond vor einiger Zeit und schien mit diesen Zeilen, die Teil eines erfolgreichen HIts wurden, einen Lebensverv getroffen zu haben. Was gibt Sicherheit in diesen von großen, existenziellen Problemen, wie Covid19, Klimakatastrophen etc, geprägten Zeiten? Die Antworten wie Hilflosigkeiten sind so vielschichtig wie unterschiedlich und ebenso individuell. Gerade Menschen mit Kindheitsbelastungen tragen oft schwer an Krisenzeiten, die ihnen im Erwachsenenalter erneut begegnen – dies ist, ziehen wir aktuelle Forschungerkenntnisse zu Rate, nur allzu gut nachvollziehbar.  Getrieben von einem fortwährenden Zwang, jemand anders werden zu müssen, erscheinen sie sich und anderen oftmals…hat nicht das fehlende oder unzureichende Geliebtwerden durch die Eltern gezeigt, dass sie anders, richtiger, ja einfach perfekter sein müssten? Da verbinden sich gesellschaftliche Schreie nach Changemanagement, nach unermüdlichem „höher/ schneller/ weiter“ perfekt mit inneren Antreibern.

In diesem gedanklichen Zusammenhang begegnete mir kürzlich ein Vortrag von Anselm Grün, den ich Ihnen empfehlen mag: er riet in seinem Vortrag zu einem Prozess, den er mit dem Begriff der Verwandlung beschreibt. Verwandlung sei gemeint als Begriff für den Prozeß, immer mehr man selbst zu werden…und tritt hier an die Stelle von seelenlosem, vom Selbst weit entfernten, rastlosen Verändern, das nur äußeren Forderungen nachjage. Anselms Grüns Worte, fußend auf einem christlichem Menschenbild ( das man, um sich anregen zu lassen zur eigenen Verwandlung nicht teilen muss), regen umfassend an: sie können Kontrapunkt-Botschaft in einer Zeit des multiplen Dauer-Change sein, gerade auch, wie ich finde, für Kindheitsbelatete. Ein Aufruf, endlich aus den eigenen Quellen und inneren Bildern zu schöpfen.

Vielleicht mögen Sie Grüns Vortrag anhören…dann empfehle ich ihnen, das Wort Firma gedanklich da und dort durch „Familie“ zu ersetzen: so können sich interessante systemische Brückenschläge eröffnen.

Ich wünsche Ihnen gute Anregungen und eine gute Zeit,

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Bücher zur Thematik von Autorin Dr. Waltraut Barnowski-Geiser

…machen wir das Beste draus!

Waehrend ich an einem neuen Blogbeitrag sitze, schickt mir eine liebe Freundin die weitergeleitete Nachricht der Gruppe „Silbermond“. Ein toller Song mit einer wunderbaren Aktion im Gepäck- ich finde, Besseres kann ich heute nicht schreiben…deshalb heute diese Zeilen zu Ihnen, liebe LeserInnen, da draußen überall in der Welt. Ja, machen wir das Beste draus!
Herzliche Grüße
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
https://youtu.be/q62vWAmBPrg

Am Mittwoch haben wir bei Mark aus der Forsterstraße sehr spontan ein neues Lied gespielt, dass wir letzte Woche geschrieben haben.
Uns haben viele persönliche Zeilen erreicht, in denen gefragt wurde, wo man das Lied hören kann. Die Wahrheit ist, nirgendwo.
Das wollten wir so natürlich nicht auf uns sitzen lassen und da diese Zeiten von allen Erfindungsreichtum und Kompromisse fordern, sind gestern und vorgestern irgendwo zwischen Kleiderschrank, Küche und Couch diese Aufnahmen entstanden.
Wir waren in keinem Studio und wir 4 haben uns dafür nicht gesehen. Auch das Video haben wir selbst gemacht, wie man sieht😊

„Machen wir das Beste draus“ – Homerecordings im wahrsten Sinne des Wortes.

Dieses Lied soll uns nicht bereichern und wir wollen keinen Profit aus der aktuellen Lage schlagen!
Musik ist aber gerade in solchen Zeiten vielleicht ein Anker und ja auch irgendwie ein Garten für uns. Rauskommen, reflektieren, traurig sein, Hoffnung tanken. Wir wollen das mit euch teilen – ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir hoffen so sehr, dass wir im Sommer mit euch feiern können.

Achso:

Sollte dieses Lied Kohle einspielen, wird die gespendet. Das versteht sich von selbst.
Die Erlöse gehen an die Tafel Deutschland. https://www.tafel.de

So jetzt sind wir auch schon still.

Bleibt gesund und allen, denen es nicht gut geht: viel Kraft.

Stefanie, Thomas, Johannes und Nowi

Also teilen, teilen, teilen,…. jeder Klick kommt der Tafel Deutschland zugute!

Corona-Auszeit: Die Begegnung mit unserer inneren Heimat

Vor der Corona-Krise haben sich viele Menschen teils sehnsüchtig gewünscht: endlich einmal Ruhe haben, niemanden hören und sehen müssen. Und nun ist plötzlich von einem Tag auf den anderen alles anders. Die Kontaktvermeidung ist staatlich angeordnet, viele Menschen sind vom Arbeiten auswärts freigestellt, alte Menschen sitzen allein in ihren Häusern. Manche von unseren LeserInnen sitzen, wie mir geschrieben wurden, in Ländern fernab der Heimat in Quarantäne, wissen noch nicht, wann sie diese verlassen dürfen und auch nicht, wann und wie sie zurück in die Heimat gelangen können. Schlimm, besonders für Kindheitsbelastete! Von hier ersteinmal mein herzliches Mitgefühl. Die augenblickliche Situation lässt, wie ich schon in den letzten Tagen beschrieben habe, alte Erfahrungen hochkommen: allein, mit existentiell erscheinenden Unsicherheiten konfrontiert, stehen wir plötzlich vor uns selbst: für Menschen mit Kindheitsbelastungen oftmals eine mehr als große Herausforderung. Warum fühlt es sich im inneren Zuhause quälend, leer, verloren an…andere scheinen unter der neuen Situation doch förmlich aufzublühen? Ein erster Schritt ist nach meinen Erfahrungen, uns selbst besser zu verstehen, nicht vor dem Inneren davon zu laufen, sondern erst einmal anzuschauen, was uns dort begegnet. Wird es greifbar, wandelt es sich.

Wie wir unser Elternhaus der Kindheitstage erlebt haben, hat Einfluss darauf, wie wir unser Inneres empfinden. Haben wir diese erste Heimat  als blühende Landschaft erfahren, dann haben wir diese so als guten „Wohnraum“ in uns abgespeichert. Wohlig fühlen wir uns meist von Grund aus, heimelig, gewärmt und geborgen vielleicht. Ebenso kann es, um im Bild zu bleiben, die eiskalte einsame Fjordlandschaft sein, die uns permanent ein Frösteln in die Seele treibt, ein verloren Fühlen, wie heimatlos, auf der Flucht: Stimmungsfarben, Narben und Spuren des Gestern bestimmen Ihre innere Heimat, Ihre innere Erlebenslandschaft, maßgeblich mit. Wie sieht Ihre innere Heimat  aus?…Versuchen Sie es doch einmal mit einer Landschaftsbeschreibung in einigen Sätzen…ist Ihnen diese Vorstellung zu unangenehm, starten Sie erst mit der Wohlfühl-Landschaftsimagination am Ende dieses Beitrags.

Welcher Ton in unserer inneren Heimat vorherrscht, die Weise, wie wir mit uns sprechen, das „Klima“, das hier herrscht, die Weise, wie wir in uns zu Hause sind, wie wir in uns wohnen, hängt nachhaltig mit unseren ersten Beziehungen, meist zu unseren Eltern, zusammen. Wie wir uns im Zusammensein mit unseren ersten wichtigen Bezugspersonen erlebt haben, prägt die Weise, wie wir heute in uns leben und erleben. Das hat Einfluss auf unser Selbstbild, unsere Identität und wie wir mit uns selbst umgehen.

Unsere Kindheitserfahrungen  prägen also unsere innere Heimat,aber: nicht unveränderbar in dem Sinne, dass diese nicht mehr zu gestalten und verändern wäre! Das Fundament, eine architektonische Grundanlage, Stimmung und Färbung, werden uns im Zusammenleben mit uns wichtigen Bezugspersonen als Grundsteinlegung mit auf den Weg gegeben. Denn: Menschliche Gehirne sind nutzungsabhängig („Plastitzität“), auch und gerade bei Kindern: Wie Sie sich als Kind alltäglich gefühlt haben, bildete neuronale Netzwerke, das Hirn speicherte Erlebtes als Gefühlslandschaften: es gestaltete sich Ihre innere Welt. Die Summe der vergangenen Erfahrungen und der aktuellen im Jetzt bilden Ihre innere Welt, die Welt, von der aus Sie losgehen in die äußere Welt hinein. Diese innere Welt ist vorgestaltet und doch nie vollendet: Sie lässt sich immer weiter neu gestalten, auch und gerade „Jetzt“!. Ein Schritt der Veränderung ist die Innenschau aus der Sicht des inneren Beobachters: achtsam den eigenen Stimmungen zu folgen kann eine spannende Reise sein…gerade jetzt in diesen schwierigen Tagen eine lohnenswerte Reiseform. Ich wünsche Ihnen den Mut, sich selbst zu begegnen. Sie sind nicht mehr das kleine, hilflose Kind von damals, auch wenn es sich in diesem Moment, heute zur Coronazeit, vielleicht exakt so anfühlt. Also: ein 1. Schritt kann sein, die Gewissheit zuzulassen, dass heute etwas anders ist als zu Kindheitszeiten und Sie erwachsen etwas tun können- vor allem entscheiden Sie, wie Sie die aktuelle Situation bewerten und einordnen. Sie haben vermutlich schon so Vieles in Ihrem Leben geschafft, auch das werden Sie bewältigen. Ihr heutiges Mantra könnte also lauten: „Ich weiß, dass ich mir selbst helfen kann!“ und „Ich werde heute zuversichtlicher denken!“ Auf diesem Weg können Sie Ihre inneren Bilder, Imaginationen, Ihre innere Weisheit ( ja, ich bin sicher, über diese verfügen Sie) unterstützen:

Corona-Auszeit-KreativChallenge: Stellen Sie sich eine Landschaft vor, in der Sie sich gut fühlen, malen und gestalten  Sie diese…wenn Sie noch an den Strand, in den Garten etc dürfen, sammeln Sie doch für Sie passende Materialien, gleich bei einem Spaziergang…

Wie ist es Ihnen mit der Arbeit mit Musik gestern ergangen? Noch nicht angegangen? Das „Nichts-Tun“ ist evt Teil der alten Überzeugung, dass sich eh nichts ändern wird, ihr innerer Sabboteur am Werke? Dann kann das für Sie im Augenblick noch nicht der richtige Zeitpunkt sein oder: Probieren Sie es doch heute einfach mal für einen Tag anders!

Ich wünsche Ihnen einen Tag, mit kleinen Glücksmomenten – Sie müssen zulassen, diese dennoch wahrzunehmen.

Alles Liebe, besonders auch in die weiten Fernen und in die „strengen“ Quarantänen, wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Selbstwert-Mutmacher: wie wir Selbstwert durch das Besinnen auf unsere eigenen Werte steigern können

Liebe Blogleserin und Leser,

ich melde mich nun mal wieder und hoffe, dass es Ihnen so gut als möglich geht…: Neues habe ich gelesen und ist mir begegnet. Dazu nun wieder regelmäßiger hier Blogbeiträge.

Dauerbrenner: Selbstwertprobleme! Immer wieder begegnen mir Menschen aus belasteten Familien, die nach allgemeinen Kriterien erfolgreich scheinen, die sich aber unter der nach Außen gezeigten Stärke unbedeutend, klein und schwach fühlen. Selbstwertprobleme bleiben für Erwachsene mit Kindheitsbelastungen meist ein großes Thema: ja,eine Lebensaufgabe.

Heute erzähle ich Ihnen:

  • wie diese Selbstwertproblematik in belasteten Familien entsteht
  • wie Sie wieder zu mehr Selbstwert finden
  • eine Anleitung, sich auf kreative Weise mit Ihren Werten auseinanderzusetzen

Denn: Sie können etwas tun, Ihr Lebensgefühl und Ihr Selbstwert sind veränderbar!

Wie Kindern in belasteten Familien der Selbstwert abhanden kommt

Wenn Eltern über viele Jahre schwer belastet sind (etwa durch Krankheiten, Süchte, Persönlichkeitsstörungen u.a.), dann bekommt oftmals in ihrem Leben anderes zentrale Bedeutung. Dieses „andere“ erfährt dann die Aufmerksamkeit, die eigentlich ihren Kindern zusteht. Die den Kindern zustehende Wertschätzung geht verloren. Da dreht sich das Leben der Mutter etwa nur noch darum, wie sie ihren Alkohol bekommt und wie sie in Ruhe trinken kann, Fassade bewahrt – das Kind wird Teil des süchtigen Systems der Mutter, auch ihres Bewertungssystems: es droht bewertet zu werden über den alles bestimmenden Suchtfaktor, sein Wert im Bewertungssystem der Mutter droht sich dann an der Frage zu orientieren: Ist mein Kind  dienlich, mein Trinkverhalten zu sichern? Der  Wert, der dem Kind dann zugeschrieben wird, bemisst sich im kranken System nach völlig verschobenen Maßstäben, die sich über Jahre intern ungut aufgebaut haben. Das Kind wird in diesen Fällen (und das reicht oftmals bis ins hohe Erwachsenenalter) wenig bis gar nicht um seiner selbst Willen gesehen, sondern dann vor allem in seiner Funktonalität für das Aufrechterhalten des Systems bewertet, hier das Kranke. Das Kind lernt, insbesondere wenn dieser ungute Mechanismus über viele Jahre andauert und wenig andere Bezugspersonen zur Verfügung stehen, seinen Selbstwert aus diesem System zu beziehen… und verhält sich entsprechend der Systemnorm: es „schluckt“ das Unangenehme, es macht keinen Ärger, lügt vielleicht für die süchtige Mutter, besorgt Alkohol für sie, obwohl es genau an den Folgen, die durch den Alkoholgebrauch entstehen, besonders leidet. Es ist jedoch meist chancenlos, denn positive Aufmerksamkeit erhält es, wenn es der Mutter dient. Die fehlende Wertschätzung durch die so wichtige erste Bezugsperson droht Teil seines Selbstkonzeptes zu werden: „Ich bin nur etwas wert, wenn ich jemanden anderen stütze!“, lautet dann die unbewusste Selbstzuschreibung. Betroffene erlangen in belasteten Familien so meist einen sehr niedrigen Selbstwert. Verstärkt wird diese Problematik durch weitere systemtypische Faktoren: betroffenen KIndern fehlen adäquate Modelle , hat doch schon das erkrankte Elternteil selbst einen geringen Selbstwert (Beobachtungslernen). Süchtige Elternteile neigen teils zu fortgesetzter Entwertung ihrer Umwelt, spalten zwischen ihrem Kind und dem „feindlichen“ Außen.  Scham über die Unfähigkeit, gute Eltern zu sein, wird vertuscht, Im Gegenteil führt diese vertuschte Scham dazu, dass das Kind keine Anerkennung für seine (familiären) Leistungen erhält. Die erlernte und stillschweigend eingeforderte Selbstaufgabe bis hin zum emotionalen missbraucht Werden, erfährt eine Entwertung im internen Bewertungssystem ( „Ich müsste doch mal für mich eintreten!“ , denken sie „Immer schlucke ich alles und kriege den Mund nicht auf“ etc.). Als Erwachsene drohen diese KInder im besonderen Maße abhängig zu sein von der Wertschätzung anderer, von Partnern, Chefs und hierarchisch höher gestellten, Eltern ähnlichen Figuren: meist bleibt ihnen nach einer Kindheit, die von emotionalem Missbrauch gezeichnet war ( oder auch bis zum heutigen Tage immer noch ist), eine klaffende Leerstelle im Inneren erhalten, die sich nicht zu füllen scheint – Leere- und Sinnlosigkeit machen sich breit, fortschreitende Selbstentwertung greift Raum. Aus Entwertung und entwertendem Umgang wird geschwächter Selbstwert.

Wie Sie wieder zu mehr Selbstwert finden

Erst, wenn Betroffene beginnen, diesen Prozess der familiären Bewertungsentwicklung zu durchschauen und in Zusammenhang zu Ihrem Selbstwert zu setzen… können sie sich endlich auf ihre eigenen Normen und  Werte zurückbesinnen… ihre eigenen Werte neu überprüfen… oder auch sie erstmalig entdecken… familiäre Bewertungen entdecken und von den eigenen Werten unterscheiden … und schließlich ihren Selbstwert nicht mehr nur an der Anerkennung durch andere, sondern in der Übereinstimmung mit ihren eigenen Werten finden…Erst dann tritt meist ein manifester Selbstwert, der stabil auf dem eigenen Inneren begründet ist, zutage. Die nachfolgende Kreative Selbsterfahrung kann Sie auf diesem Weg unterstützen.

Kreative Selbsterfahrung  Meine Werte

Wie hoch schätzen Sie Ihren Selbstwert augenblicklich ein? (1-10, 10 als höchster, 0 als niedrigster Wert)

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Wie hoch war der Selbstwert in Ihrer Kindheit?

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Nennen Sie spontan fünf Werte, für die sie sich persönlich einsetzen möchten…

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Stellen sie sich vor, diese Werte wären Reiseproviant, das sie nur begrenzt mitnehmen könnten. Tauschen sie einen Wert nach dem anderen solange aus, bis der Ihnen wichtigste übrig bleibt.

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Welche Werte galten in Ihrer Herkunfts-Familie? Wo gibt es Schnittmengen mit Ihren eigenen Werten, wogegen grenzen Sie sich klar ab?



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Gibt es Werte in Ihrer Familie, die sie förmlich „schräg“ oder „verrückt“ finden?

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Fertigen Sie eine kleine Zeichnung an, um diese Schrägheiten in einem Comic darzustellen. Gestalten Sie anschließend Ihre eigenen Werte hinein.

Inwieweit passen Ihre Werte zu denen an Ihrem Arbeitsplatz, wie ist das dort das vorherrschende Menschenbild?


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Nennen Sie 3 konkrete Schritte, die Sie aktiv tun können, um mehr in Übereinstimmung mit Ihren Werten zu leben…

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Fertigen Sie ab sofort eine Selbstwert- Kurve an, in die Sie täglich Ihren Selbstwert eintragen ( 10 ist hoher Selbstwert, 0 ist niedrig). Notieren Sie Ereignisse, die den Kurvenverlauf stark beeinflussen.

Durch die Beschäftigung mit Ihren Werten machen Sie eine wichtige Bestandsaufnahme. Wenn sie mehr Ihren Werten gemäß leben, hat dies in der Regel auch ein besseres Selbstwertgefühl zufolge. Für Erwachsene aus belasteten Familien ist dies eine schwierige Aufgabe…scheuen Sie sich nicht, eine Person Ihres Vertrauens hinzuzuziehen, wenn Sie an Punkten in der Bearbeitung  Schwierigkeiten entdecken.

Ich hoffe, Sie können bald, ganz herbstlich, Ihre Früchte und Ernte einfahren,

herzlich

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Bücher zur Thematik von Autorin Dr. Waltraut Barnowski-Geiser hier

Mehr unter www.barnowski-geiser.de

Gut in Deckung? Vom Schutz in familiären Dauerstürmen und anderen Katastrophen

Wenn Herr N, 34 jähriger Mathematiker, die Atmosphäre in seiner Herkunftsfamilie beschreibt, dann könnte man denken, man habe es mit einer Katatstrophenmeldung zu tun. „Meine Mutter ist ein Tornado!“, erzählt Herr N, „Wenn sie loslegt, fühlen wir uns alle vernichtet, kein Stein steht mehr auf dem anderen. Und das Schlimme ist: nach dem Tornado ist vor dem Tornado.“

Elterliche Tornados können tiefe Spuren hinterlassen ( Buch zum Thema).In Kindern, die die Kindheitsjahre hindurch mit einem besonders schwierigen Elternteil überstehen mussten (und manchmal dieser Belastung weit ins Erwachsenenalter hinein ausgesetzt sind), können diese Erfahrungen  nachhaltig wirksam bleiben, insbesondere, wenn sie über Jahrzehnte, oftmals ohne jede Zuwendung von Außen durchlebt werden mussten. Oft haben diese Eltern selbst als Kinder Dinge erlebt, die sie nicht verkraftet haben: ihr Blick auf ihre elterlichen Aufgaben, die sich z.B. mit Trösten und Halten, mit einfühlendem auf das Kind Eingehen beschreiben lassen, ist dann meist verstellt. Im Gegenteil fordern diese Eltern diese Qualitäten sogar von ihren Kindern selbst ein.

Was tun? Schutz ist von Nöten. Kinder verfügen teils über günstige Widerstandskräfte. sogenannte Resilienzen. Was tun, wenn die Belastung bis ins Erwachsenenalter anhält? Schauen wir pragmatisch. Was rät man Menschen, die in klimatisch schwierigen Gegenden reisen wollen: möglichst die Gegend meiden. Menschen, die dort beheimatet sind, rät man fortzugehen, wenn möglich oder entsprechenden Schutz aufzubauen ( die Seele findet Wege, indem sie etwa nicht mehr wahrnimmt)- aus therapeutischer Arbeit kennen Sie vielleicht die Arbeit mit imaginären Schutzräumen ( dazu auch Bücher von Reddemann und Huber empfehlenswert). Als Kind können die meisten nicht fort, als Erwachsene jedoch gibt es, auch wenn sich das oftmals anders anfühlt, eine Wahl: Distanzieren kann dann eine not-wendige Option sein. In Ambivalenz zwischen Liebe und Lösen gefangen, stellt dies eine schwierige Herausforderung für Betroffene dar.

Wenn das Leben der Liebe zum erkrankten Elternteil regelmäßig in Zerstörung und Selbstaufgabe mündet, kann es an der Zeit sein, das Kontaktmaß auf ein erträgliches Maß zurückzustufen und so Belastung zu reduzieren ( s.a. Beziehungs-Entlastungs-Diagramm). Herr N beschreibt, dass es ihm helfe,  das Geschehen zu Hause heute endlich zu begreifen… Worte zu finden… die Schwierigkeit bei der Mutter und weniger bei sich selbst zu suchen..und zu wissen, dass er nicht so viel Kraft habe, jeden mütterlichen Tornado mitzuerleben- Selbstschutz durch weniger Besuche laute sein Rezept. Er sei jetzt achtsam auf Tornados gefasst…

Liebe Grüße und Bestes für eine gute Woche

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser