Vom schweren Erbe der Ahnen und wie wir doch Bildhauer unseres Lebens werden (mit Übung „Skulpturenpark“)
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: so spricht der Volksmund, um die Weitergabe bestimmter Eigenschaften von Generation zu Generation zu pointieren. Dieser Weisheit scheinen gerade manche Menschen aus belasteten Familien unbewusst zu folgen: sie schreiben sich vor allem Negatives aus ihren Familien zu, machen es sich wiederholt zu eigen. Auch wenn Kinder belasteter Eltern höhere Risiken für eigene Erkrankungen haben gegenüber Kindern aus nicht belasteten Familien, so bedeutet das jedoch nicht (und das zeigen aktuelle Studien), dass sie selbst zwangsläufig erkranken müssten, etwa Kinder trinkender Eltern zwangsläufig selbst zu Alkoholikern würden. Es gibt offenbar Schutzfaktoren, die diese Weitergabe von Generation zu Generation (auch Transmission in der Fachsprache genannt) verhindern. Eine gute Nachricht: Die weitaus höhere Zahl der Kinder von belasteten Eltern erkrankt nicht selbst an der elterlichen Sucht.Schauen wir jedoch allein auf die Weitergabe der Sucht, so greift das m.E. zu kurz. Denn: viele Betroffene im Erwachsenenalter leiden dennoch an der Qualität ihres Lebens. Sie fühlen sich schlichtweg nicht gut in ihrer Haut – sogar auch dann, wenn sie ein scheinbar erfolgreiches Leben führen. Da sie über viele Jahre Schweres erlebt haben, fällt es ihnen schwer zu glauben, dass Veränderung möglich ist: Oftmals fehlt überhaupt eine Vorstellung davon, was ein gutes Leben ausmacht und wie es sich anfühlt, da mit Eltern leb(t)en, die ihnen wenig Modell für ein gelingendes Leben sein konnten. Und wenn etwas gut läuft, so haben Betroffene durch ihre vielen ungünstigen Erfahrungen gelernt, diese gute Phase lediglich als Zwischenstadium zur nächsten Katastrophe zu interpretieren. Hier hilft es, manchmal leider nur unter großer Anstrengung, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, die Selbstwirksamkeit und die aus den Kindheitstagen ebenso erwachsenen Stärken wiederzuentdecken, den Glauben an die Möglichkeit eines guten Lebens zurückzugewinnen. Als Voraussetzung zu diesem notwendigen Perspektivwechsel zeigte sich, dass die Betroffenen in der Lage waren, ihre Sicht als Erleidende, (in der sie sich, durchaus nachvollziehbar, als „Opfer“ ihrer erkrankten Eltern erlebten), allmählich zu wandeln und dem Wunsch folgten, aktiv ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Schon der Philosoph Foucault sah im Menschen einen „Gestalter“ , im Sinne eines Lebenskünstlers. Die Integrative Therapeutin und Mitbegründerin der Posietherapie Ilse Orth spricht in diesem Zusammenhang vom „Bildhauer der eigenen Existenz“.
Vielleicht nehmen Sie sich Zeit für eine passende Übung, die diesen Gestaltungsprozess auf kreativem Wege folgt. Dafür sollten sie mindestens 30 Minuten Zeit einplanen.
Übung: Skulpturenpark
Gehen Sie, wie schon in den vorhergehenden Übungen angeregt, zunächst in Ihre Atemachtsamkeit…Stellen Sie sich nun vor, dass Sie mit jedem Atemzug ein Stück tiefer zu ihren inneren Bildern reisen…
Vor Ihnen liegt ein wunderbarer Park im Sonnenschein. Sie wandern hindurch, spüren mit jedem Schritt das Gras unter ihren Füßen, spüren die Sonne auf Ihrer Haut. Sie hören die vielfältigen Geräusche im Park, sehen den Farbreichtum.
Nun entdecken Sie, dass hier viele unterschiedliche Skulpturen stehen, die jeweils den Namen einer Person tragen. Offensichtlich hat ein Künstler dem Leben dieser Person Gestalt in einer Skulptur gegeben…Sie wandern an vielen Skulpturen vorbei, die ganz unterschiedlich aussehen. Sie bekommen eine Anmututng über das Leben des jeweiligen Person.
Nun stehen Sie vor einer Skulptur, die Ihren eigenen Namen trägt. Schauen Sie das Werk genau an. Wie sieht es aus? Aus wechem Material ist die Skulptur, aus welcher Farbe? Sehen Sie Ihre Skulptur aus unterschiedlicher Perspektive an.
Betrachten Sie diese Skulptur nun mit einem wertschätzenden Blick: Was gefällt Ihnen besonders? Was macht die Skulptur einzigartig gegenüber den anderen Kunstwerken?
Möchten Sie der Skulptur noch etwas hinzufügen?…Tun Sie das nun in Ihrer Fantasie…
Vielleicht malen Sie die Skulptur später und versehen sie mit einem passenden, ergänzenden Titel.Werden Sie Bildhauer Ihres Lebens…vom Papier sind es nur wenige Schritte bis in Ihr Leben!
(Übung in Anlehnung an Barnowski-Geiser, 2009:Hören, was niemand sieht)
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Aktiv ein neues Leben bauen- Perspektivwechsel 2
Beim Lesen der Morgenzeitung fühle ich mich durch ein Interview, das Hennig Rasche mit Gipfelstürmer Reinhold Messmer führte, angeregt. Seine Tatkräftigkeit, das Machen und seine es nicht nur bei Visionen belassen-Haltung, wird in seinen Worten lebendig. Deshalb mag ich Auszüge den Perspektivwechseln des letzten Blogbeitrages hinzufügen: gerade für Kinder aus belasteten Familien kann es nach Phasen des Betrauerns, der Hilflosigkeit und des Ringens um angemessene elterliche Zuwendung, wichtig werden, nicht mehr nur dem Gestrigen nachzugehen, im Blick zurück verhaftet zu bleiben, sondern das Leben aktiv nach vorn zu gestalten, sich selbst neu zu erschaffen.
„Ich sage nicht, ich habe ein gelingendes Leben hinter mir, ab jetzt schaue ich in die Sonne…Ich lebe davon, dass ich im Hier und Jetzt Ideen umsetze. Und während des Umsetzens passiert gelingendes Leben. Nicht der Blick zurück auf das gelungene Leben, sondern während ich das gelingende Leben schaffe, erleide, erstreite, bin ich am glücklichsten.“ (RP Kultur 30.10.17)
Gerade, wenn die Belastung durch schwierige oder kranke Eltern, nicht nur eine kurzzeitige Phase der Kindheit, sondern eine lebenslängliche wird, erscheint die „anders nach vorne-Leben“ -Perspektive mir als überlebenswichtig, als zentral in der Identitäsbildung, in der Beantwortung der Frage „Wer bin ich“ und „wer kann ich sein?“ sowie in der Einschätzung des eigenen Selbstwerts. Auch auf die Frage, wie Menschen überhaupt gut älter werden können, erscheint Messmers Perspektive zentral. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen vielleicht auch das Buch „Älter werden“ von Sylvia Bovenschen im Thalia-Verlag empfehlen.
Die Sonne scheint über dem Rheinland, ein neuer Tag wartet auf Sie und mich,
herzliche Grüße
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser
Autorin Dr. Waltraut Barnowski-Geiser ist Künstlerische Therapeutin ( Musiktherapie) und Lehrende. Ihre Bücher zur Thematik, mehr auf der Webseite
Verbitterung oder Mitgefühl: Du hast eine Wahl!
Nat
Auf schlimme Efahrungen können wir unterschiedlich reagieren, oft bewegen wir uns dabei zwischen extremen Polen, wie sie Desmond Tutu plastisch beschreibt. Gern greife ich in diesem Zusammenhang eine weise Aussage Desmond Tutus auf (er tat sie, etwas abgewandelt, über das Leben und Wirken Nelson Mandelas), weil ich sie auch für Menschen mit Kindheitsbelastungen als bedeutsam erachte. Für Menschen mit Kindheitsbelastungen zeigt sich oft ein UND hilfreich: beide Pole, die in der Aussage Tutus beschrieben werden, fordern ihren Platz und wollen gelebt sein. Ungelebte Trauer und Verbitterung kann zu einer mächtigen Triebfeder im Unbewussten werden, ungelebtes Mitgefühl ebenso. Leicht werden sie unsichtbare Antreiber, die das eigene Leben negativ bestimmen und in der Folge auch das Leben der Menschen, die uns umgeben. Wurden beide Pole gelebt, zeigten sich diese kindheitsbelasteten Menschen erstarkt: sie verfügen dann über besondere Stärken und eine spezifische (Lebens-)Weisheit.
Bildhauer deines Lebens (mit Übung Skulpturenpark)
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: so spricht der Volksmund, um die Weitergabe bestimmter Eigenschaften von Generation zu Generation zu pointieren. Dieser Weisheit scheinen gerade manche Menschen aus belasteten Familien unbewusst zu folgen: sie schreiben sich vor allem Negatives aus ihren Familien zu, machen es sich wiederholt zu eigen. Auch wenn Kinder belasteter Eltern höhere Risiken für eigene Erkrankungen haben gegenüber Kindern aus nicht belasteten Familien, so bedeutet das jedoch nicht (und das zeigen aktuelle Studien), dass sie selbst zwangsläufig erkranken müssten, etwa Kinder trinkender Eltern zwangsläufig selbst zu Alkoholikern würden. Es gibt offenbar Schutzfaktoren, die diese Weitergabe von Generation zu Generation (auch Transmission in der Fachsprache genannt) verhindern. Eine gute Nachricht: Die weitaus höhere Zahl der Kinder von belasteten Eltern erkrankt nicht selbst an der elterlichen Sucht.Schauen wir jedoch allein auf die Weitergabe der Sucht, so greift das m.E. zu kurz. Denn: viele Betroffene im Erwachsenenalter leiden dennoch an der Qualität ihres Lebens. Sie fühlen sich schlichtweg nicht gut in ihrer Haut – sogar auch dann, wenn sie ein scheinbar erfolgreiches Leben führen. Da sie über viele Jahre Schweres erlebt haben, fällt es ihnen schwer zu glauben, dass Veränderung möglich ist: Oftmals fehlt überhaupt eine Vorstellung davon, was ein gutes Leben ausmacht und wie es sich anfühlt, da mit Eltern leb(t)en, die ihnen wenig Modell für ein gelingendes Leben sein konnten. Und wenn etwas gut läuft, so haben Betroffene durch ihre vielen ungünstigen Erfahrungen gelernt, diese gute Phase lediglich als Zwischenstadium zur nächsten Katastrophe zu interpretieren. Hier hilft es, manchmal leider nur unter großer Anstrengung, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, die Selbstwirksamkeit und die aus den Kindheitstagen ebenso erwachsenen Stärken wiederzuentdecken, den Glauben an die Möglichkeit eines guten Lebens zurückzugewinnen. Als Voraussetzung zu diesem notwendigen Perspektivwechsel zeigte sich, dass die Betroffenen in der Lage waren, ihre Sicht als Erleidende, (in der sie sich, durchaus nachvollziehbar, als „Opfer“ ihrer erkrankten Eltern erlebten), allmählich zu wandeln und dem Wunsch folgten, aktiv ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Schon der Philosoph Foucault sah im Menschen einen „Gestalter“ , im Sinne einer Lebenskunst. Die Integrative Therapeutin und Mitbegründerin der Posietherapie Ilse Orth spricht in diesem Zusammenhang vom „Bildhauer der eigenen Existenz“.
Vielleicht nehmen Sie sich Zeit für eine passende Übung,die diesen Gestaltungsprozess auf kreativem Wege folgt. Dafür sollten sie mindestens 30 Minuten Zeit einplanen.
Übung: Skulpturenpark
Gehen Sie, wie schon in den vorhergehenden Übungen angeregt, zunächst in Ihre Atemachtsamkeit…Stellen Sie sich nun vor, dass Sie mit jedem Atemzug ein Stück tiefer zu ihren inneren Bildern reisen…
Vor Ihnen liegt ein wunderbarer Park im Sonnenschein. Sie wandern hindurch, spüren mit jedem Schritt das Gras unter ihren Füßen, spüren die Sonne auf Ihrer Haut. Sie hören die vielfältigen Geräusche im Park, sehen den Farbreichtum.
Nun entdecken Sie, dass hier viele unterschiedliche Skulpturen stehen, die jeweils den Namen einer Person tragen. Offensichtlich hat ein Künstler dem Leben dieser Person Gestalt in einer Skulptur gegeben…Sie wandern an vielen Skulpturen vorbei, die ganz unterschiedlich aussehen. Sie bekommen eine Anmututng über das Leben des jeweiligen Person.
Nun stehen Sie vor einer Skulptur, die Ihren eigenen Namen trägt. Schauen Sie das Werk genau an. Wie sieht es aus? Aus wechem Material ist die Skulptur, aus welcher Farbe? Sehen Sie Ihre Skulptur aus unterschiedlicher Perspektive an.
Betrachten Sie diese Skulptur nun mit einem wertschätzenden Blick: Was gefällt Ihnen besonders? Was macht die Skulptur einzigartig gegenüber den anderen Kunstwerken?
Möchten Sie der Skulptur noch etwas hinzufügen?…Tun Sie das nun in Ihrer Fantasie…
Vielleicht malen Sie die Skulptur später und versehen sie mit einem passenden, ergänzenden Titel.Werden Sie Bildhauer Ihres Lebens…vom Papier sind es nur wenige Schritte bis in Ihr Leben!
(Übung in Anlehnung an Barnowski-Geiser, 2009:Hören, was niemand sieht)
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