Meine schwierige Mutter- News für erwachsene Töchter und Söhne

Frau R., 27jährige Bankkauffrau, fühlt sich gequält: sie und ihr Partner denken seit kurzer Zeit über Nachwuchs nach. Seitdem sie diesen Entschluss fassen wollten, gerät Frau R. in große Ängste. Sie erkennt sich nicht mehr wieder: sie fühle sich zutiefst verunsichert, habe Zukunftsängste, Angst vor Erkrankungen und glaube, keine gute Mutter sein zu können. Nun wird, wie so oft, die eigene problematische Beziehung zu ihrer Mutter Thema. Eine ganz andere Mutter als ihre eigene möchte sie sein, doch fehle es ihr, wie sie nun wie viele Töchter schwierig erlebter Mütter  überrascht feststellt,  ein geeignetes Rollenmodell (in Anlehnung an Barnowski-Geiser/Geiser-Heinrichs, Buch hier)

Meinen Sie manchmal am Gestern zu verzweifeln? Holen Sie oft alte Bilder ein,  Szenen die doch Jahre oder Jahrzehnte hinter ihnen liegen? Und dann reagieren Sie auf Menschen, die ihnen im Heute doch wichtig sind, nicht so wie Sie möchten, so wie Sie es eigentlich angemessen fänden, und das, obwohl Sie sie doch lieben? Womöglich spüren sie täglich neu das alte Zurückweisungsgefühl,  Bedeutungslosigkeit, empfinden schmerzhaft Lieblosigkeit…  Dann kann es sein, dass ihre Beziehung zu ihren Eltern sich schwierig gestaltete und bis heute nachwirkt. Der erste Bindunsgtanz, in der Regel zwischen Mutter und Kind, ist womöglich nicht gelungen. Wenn das so war, dann ist eine alte Rechnungen offen geblieben. Viele Kinder, die spüren, dass ihre Mütter keine guten Bindungstänzerinnen sind (etwa überfordert oder wenig feinfühlig sind), geben schlichtweg alles, damit der Tanz doch gelingen möge. Denn sie spüren , so klein wie sie auch sein mögen, dass sie auf ihre Mütter und deren Tanz angewiesen sind.Und oft sind sie in diesem Tanz dann die Erwachsenen und die Mütter leben kindliche Anteile, die in ihrer Geschichte unbefriedigt blieben. Die Rollen verschwimmen, das Kind wird, statt selbst mütterliche Zuwendung zu erfahren, allzu früh und ungefragt zur Mutter der MUtter. Es muss dem kindlichen Anteil der Mutter mit mütterlichen Anteilen zur Verfügung stehen: es wird oft besonders kompetent im Erspüren, im Feinfühligen Eingehen auf die Mutter, aber seine eigenen kindlichen Bedürfnisse bleiben auf der Strecke. Nur seine sehnsüchtige Suche nach all diesem in KIndhitstagen zu kurz Gekommenen erzählt  dann vom Mangel im  Gestern: diese Sehnsucht erscheint so unermesslich und zugleich dem Kind selbst so unangemessen, dass es sie verdrängt und abwehrt, sich dieser Sehnsucht schämt. Scham ist verschwistert mit Schuld, oftmals wurde so sich schuldig fühlen zum ständigen Belgeiter. Ob das Schwierigsein der Mutter nun einen Namen trug ( z. B- „Borderline-Störung“ oder „Suchtkrank“ etc.), öffentliche Stellen auf den Plan rief ( vielleicht als Vernachlässigung wahrgenommen) oder hinter perfekter Fassade wohnte: diese Spuren können lange nachwirken und eine Art Strippenzieher des Unterbewusten werden. Zutiefst selbstverunsichert fühlen sich diese Kinder sonderbar selbst-entfremdet, verloren und ihren Gefühlen ausgeliefert, bis dahin , dass sie nicht mehr fühlen. Die neuen Beziehungen im Erwachsenenalter scheinen das zu kurz Gekommensein, das Stehengelassen-Werden auf sonderbare Weise zu wiederholen. Zu laut tönen die verinnerlichten mütterlichten Stimmen, der gnadenlosen Richterin etwa, der Abhängigmachenden etc., um nur einige zu nennen. Werden diese Stimmen nicht gehört und erkannt, fühlen sich Betroffene oft wie Statisten im eigenen Leben. Es scheint an der Zeit, das Drehbuch des eigenen Lebens neu zu schreiben: selbstbewusst  Werden durch Bewusstheit (zit. nach Meine schwierige Mutter/ 2017.

Auch gerade jetzt, in diesem Augenblick, kann der passende Zeitpunkt gekommen sein, Ihre Fäden des Gestern in die Hand zu nehmen. Nicht länger Marionette sein, nicht länger Opfer der Geschehnisse gestern, sondern  die Chance ergreifen, das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Hier setzt unser Selbsthilfeprogramm an. Denn unsere Erfahrungen zeigen: Ein Blick auf unsere Eltern lohnt, auch im Erwachsenenalter und oft gerade dann; denn oftmals ist, wenn die Kindheit belastend war, der Blick erst aus dem Abstand des Erwachsenenalters, auf dem Boden eines neuen Lebens, in dem die Eltern nicht mehr die Tage bestimmen, möglich. Das, was Sie stark gemacht hat, besonders und einzígartig auf dem Boden ihrer speziellen Muttergeschichte, gilt entdeckt zu werden: es ist der Boden für ein jetzt.besser.leben. Auch für Ihre Kinder und Kindeskinder.

Eine gute Woche wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Meine schwierige Mutter? News für erwachsene Töchter und Söhne/Teil 1

„Erst als ich die Beziehung zu meiner Mutter bearbeitet habe, hat sich meine Beziehung zu meiner Tochter entscheidend verbessert!“ (Frau I. , 40-Jährige Pädagogin und Mutter einer 12jährigen Tochter)

Häufig ist in der Fachliteratur von schwierigen Kindern die Rede. Aber was ist mit schwierigen Eltern?  Dieses Thema wird eher stiefkindlich behandelt… und wenn es um erwachsene Kinder mit schwierigen Kindheiten geht, erst Recht: wenig und nur vereinzelt kliententelspezifische Hilfe (wie etwa dankenswerterweise in den Beiträgen der KollegInnen Jens Flassbeck, Dami Charf); auch in der therapeutischen Szene muss man das Thema als Ordchideendisziplin bezeichnen. Die Not der betroffenen Menschen erscheint groß, die Ratlosigkeit der therapeutisch Tätigen ebenso: deshalb haben wir, meine Tochter Maren Geiser-Heinrichs ( Psychologin in einer Beratungsstelle) und ich, beschlossen, unsere Erfahrungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Begonnen haben wir diese gemeinsamen Schritte mit einem Selbsthilfebuch für erwachsene Betroffene und begrenzen aufgrund der großen Komplexität der Themen: Wir haben uns als erstes der Mütterthematik  bei erwachsenen Kindern gewidmet, die Väterthematik soll folgen. So viel vorab: wir halten beide Eltern (0der auch andere nahe Bezugspersonen) für bedeutsam in der Lebensentwicklung.

Gern möchten wir mehr Menschen für die Bedeutung kindlicher Erfahrungen sensibilisieren und für Veränderungswege öffnen. Erkennen ist der 1. Schritt auf dem Weg zur Veränderung. Die Qualität der Interaktion (wir beschreiben es in unserem Buch als lebenslangen Tanz) zwischen nahen Betreuungspersonen, meist zwischen der leiblichen Mutter und dem Kind, ist gerade in den ersten Lebensjahren des Kindes entscheidend und wird (nicht nur zu Beginn) entscheidend geprägt durch die Kompetenz der Mutter; sie sollte als die weisere  (Begriff nach Grossmann&Grossmann) agieren ( und kann es nicht zwangsläufig wie gewünscht oder angenommen).  Vor allem Feinfühligkeit und Bindungssicherheit sind als mütterliche Kompetenzen gefragt. Erlebt das Kind hier wenig Einfühlsames und wenig Sicheres, so kann dies weitreichenden Einfluss nehmen: u.a. auf seine Art und Weise in die Welt zu gehen, auf seinen Lebenserfolg, aber auch vor allem auf sein Selbsterleben. Ich empfehle zum tifergehenden Verständnis  an dieser Stelle gern einen Vortrag von Karin Grossmann, in dem sie ihre eindrucksvollen Langzeit- Forschungsarbeiten zur Bindung zwischen Eltern ( auch unter väterlich-feinfühligen Aspekten) und Kind prägnant und gut verständlich erklärt (gut investierte 40 Minuten, finde ich). Wer mehr erfahren mag, dem sei das allerdings hochpreisige Buch des Forscherpaares ans Herz gelegt.

Ein Kind einer, nennen wir sie wie im Buch  „schwierige“ Mutter, kann  an den Folgen eines nicht gelungenen Bindungstanzes zeitlebens mit Leib und Seele leiden -und doch sind die Folgen  nicht zwangsläufig, und auch nicht irreversibel oder irreparabel. Wie genau dieser Tanz zwischen Mutter und Kind vonstatten geht, wie der kindlich erlernte Tanz unser Erwachsenenleben bestimmt und vor allem, wie Betroffene sich im Erwachsenenalter selbst helfen können, möchten wir in unserem neuen Buch beschreiben: Meine schwierge Mutter. Das Buch für erwachsene Töchter und Söhne. Ein kreatives Selbsthilfeprogramm mit Selbsttest kann Sie in Ihrem persönlichen Veränderungs-Prozess unterstützen.

Unser Anliegen: Die Weitergabe durch die Generationen abmildern

In der therapeutischen Praxis zeigt sich: viele Probleme, die Mütter an ihren Kindern beschreiben, kennen diese selbst auch aus Kindheitsttagen… ohne dass ihnen dieser Teil ihrer Biografie wirklich bewusst wäre. Erst auf Nachfragen, etwa „Wie ging es Ihnen im Alter Ihrer Tochter?„, werden plötzlich Paralellen, Wiederholungen durch die Generationen überdeutlich. Die Mutter will nicht gewalttätig sein wie ihre Mutter…und findet doch in Augenblicken der Überforderung mit der eigenen Tochter keinen anderen Weg- Verzweiflung, Selbstvorwürfe, Schuld: ein ungutes Gebräu. Heute wollen diese Frauen und Männer es bei ihren Kindern anders machen: aber weit und breit kein geeignetes Modell in Sicht, ebenso kein verinnerlichtes Arbeitsmodell, das fähig schien, das Alte zu ersetzen. Wer keine feinfühligen Eltern erleben durfte, hat es schwerer, diese Fähigkeit in sich selbst auszubilden. Es wird zur Herausforderung, den eigenen Kindern das nötige Feingefühl, die erforderliche Bindungssicherheit zu geben. Dann lieber gar nicht erst Mutter oder Vater werden? Kinderlosigkeit wird oftmals die Not- Lösung, die zugleich selten gut erträglich scheint.Beim Thema schwierige Mütter bewegen wir uns in vielerlei Hinsicht auf einem engen Grat, Frauen vor allem  zwischen den Polen eine schwierige Mutter Haben und schwierige Mutter- Sein.

Muttermythos und Tabu

Ihre eigene Mutter schwierig zu empfinden, können sich manche Menschen gut eingestehen und locker darüber plaudern (in manchen Kreisen gilt das sogar als cool und chick), für andere ist das ein so verbotenes Thema, das es kaum denkbar, geschweige denn aussprechbar wäre. Wenn das Schwierigsein ein geringeres Ausmaß zeigt, ist es leichter, wahrzunehmen und mitzuteilen, wenn das Ausmaß große ist, Traumatisierung, Beschämung und wiederholte tiefe Kränkungen beinhaltet, wird der Umgang schwieriger. Erschwert wird dieser Umgang, so zeigt sich in unseren Arbeiten, durch ethisch-moralische Maßstäbe. Man darf doch nicht die eigene Mutter in Frage stellen, denken Betroffene, das wollte man als Mutter doch auch nicht! Getreu dem ethischen Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren!“, können sich dann Betroffene, die in ihrer Kindheit viel Ungutes erlebten, oft nur noch ins Verdrängen retten- in der Folge ins Verstummen- und beschreiten so unbemerkt einen unguten Pfad der Weitergabe von Schwierigkeiten an die nächste Generation… Tabuisieren und Verschweigen waren der Preis, den die Kinder für ihre Zugehörigkeit zur Familie zu zahlen hatten. Die Gefahr ist dann groß, dass aus dem betroffenen Kind einer schwierigen Mutter neuerlich selbst eine schwierige Mutter wird: wer nicht um seine Biografie weiß, wer schwere Bindungsdefizite und Leerstellen im Erleben in sich trägt, droht unbewusst Ungutes an die nächste Generation weitergzugeben. Zugleich kann das Erkennen und Auseinandersetzen ebenso wie gute neue Erfahrungen einen Weg in ein jetzt.besser.leben.  ebnen, auch im gute Mutter- oder Vater-Sein.

Im nächsten Beitrag mehr rund um diese Thematik. Für heute Danke fürs Lesen, fürs Weiterempfehlen, Diskutieren… wir freuen uns, wenn unsere Arbeit Ihnen weiterhilft.

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser