Schwierige Eltern…warum es helfen kann, die Perspektive zu wechseln

Frau I. ist es leid, sagt sie: alles habe sie versucht, aber ihre Mutter trinke weiter mehr als ihr gut tue, sei mit nichts zufrieden, ihre Besuche seien der Mutter nie genug… während die Mutter zugleich vermittle, dass sie, die Tochter, ihr schon immer zuviel sei, eine Belastung für die früh Mutter gewordene… und zudem mache die Mutter sie verantwortlich dafür, dass ihr Leben durch die Geburt des Kindes aus den Fugen geraten sei. Zum ersten Mal dämmert Frau I.: Frau I. kann die Mutter nicht verändern, die Mutter wird voraussichtlich bleiben wie sie seit vielen Jahrzehnten ist, nur sie selbst kann sich ändern…

Nicht nur Kinder können schwierig sein, sondern auch Eltern…Wenn das Zusammenleben und treffen mit Eltern ein Leben lang schwierig ist, kann das viele Ursachen haben. Diese Schwierigkeit kann im subjektiven Erleben des Kindes begründet liegen, in einer ungünstigen Passung ( s.a. Geiser-Heinrichs 2017), aber auch in schwerwiegenden Belastungen und Störungen, die die Eltern selbst tragen. Letztere sind oftmals wenig im Blick und können für  Angehörige, insbesondere für die Kinder, zur großen Lebenserschwernis werden. Ob diese Belastung nun Sucht, psychisches Problem, chronische Erkrankung, Traumatisierung oder Bindungsstörung heißt, ob sie mit einer Diagnose belegt wurde oder auch nie offiziell benannt wird: die betroffenen Kinder können bei aller Schwere und erlebter Hilflosigkeit, wenn sie alt genug sind, immerhin ihre Perspektive, ihre Haltung und ihre Einstellung zu den elterlichen Schwierigkeiten verändern. Einige hilfreiche Perspektivwechsel, die Betroffene wiederholt als erfolgreich beschrieben, seien hier, (auch wenn sie nicht als allgemeingültiges, alleiniges und einfaches Rezept verstanden sein wollen) als Anregung auf Ihren persönlichen Weg zum besseren Leben gegeben:

Einen Schritt zurücktreten…aus einem Abstand heraus die Situation mit dem schwierigen Elternteil betrachten…in einer konzentrierten Zurückgezogenheit den Konflikt neu ansehen…sich die Beziehung mit dem schwierigen Elternteil als Tanz auf einer Bühne imaginieren…sich in die Schuhe der Eltern stellen: die eigene Lebensgeschichte aus der Sicht von Mutter oder Vater erzählen…Loslassen: nicht mehr um Beziehung ringen, sondern sich anderen Dingen und Menschen zuwenden, bei denen man Freude verspürt…die Bedeutsamkeit der schwierigen Beziehung relativieren…sich selbst, vielleicht erstmals, in den Mittelpunkt der eigenen Aufmerksamkeit stellen…nicht mehr darauf hoffen, dass sich die Eltern ändern, sondern sich selbst verändern…die Kontrolle über das elterliche Verhalten ( zum Beispiel Trinken) loslassen…sich nicht selbst die Schuld geben…mit anderen sprechen statt sich hinter Burgmauern zu verbarrikaridieren…die Scham bei demjenigen lassen, zu dem sie gehört…, wenn Sie es bislang mit Härte versucht haben, probieren Sie die Weichheit als Weg ( und umgekehrt)…den Blick richten auf das, was mit dem schwierigen oder erkrankten Elternteil noch geht und dies zusammen machen statt  wieder und wieder den Mangel und die Enttäuschung zu  fokussieren und wiederholen…

Perspektivwechsel durch Imaginationen auch in Alman/Lambrou: Selbsthypnose. Ein Handbuch zur Selbsttherapie.

Eine gute Woche und den Mut, neue Perspektiven zu wagen wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Meine schwierige Mutter? News für erwachsene Töchter und Söhne/Teil 1

„Erst als ich die Beziehung zu meiner Mutter bearbeitet habe, hat sich meine Beziehung zu meiner Tochter entscheidend verbessert!“ (Frau I. , 40-Jährige Pädagogin und Mutter einer 12jährigen Tochter)

Häufig ist in der Fachliteratur von schwierigen Kindern die Rede. Aber was ist mit schwierigen Eltern?  Dieses Thema wird eher stiefkindlich behandelt… und wenn es um erwachsene Kinder mit schwierigen Kindheiten geht, erst Recht: wenig und nur vereinzelt kliententelspezifische Hilfe (wie etwa dankenswerterweise in den Beiträgen der KollegInnen Jens Flassbeck, Dami Charf); auch in der therapeutischen Szene muss man das Thema als Ordchideendisziplin bezeichnen. Die Not der betroffenen Menschen erscheint groß, die Ratlosigkeit der therapeutisch Tätigen ebenso: deshalb haben wir, meine Tochter Maren Geiser-Heinrichs ( Psychologin in einer Beratungsstelle) und ich, beschlossen, unsere Erfahrungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Begonnen haben wir diese gemeinsamen Schritte mit einem Selbsthilfebuch für erwachsene Betroffene und begrenzen aufgrund der großen Komplexität der Themen: Wir haben uns als erstes der Mütterthematik  bei erwachsenen Kindern gewidmet, die Väterthematik soll folgen. So viel vorab: wir halten beide Eltern (0der auch andere nahe Bezugspersonen) für bedeutsam in der Lebensentwicklung.

Gern möchten wir mehr Menschen für die Bedeutung kindlicher Erfahrungen sensibilisieren und für Veränderungswege öffnen. Erkennen ist der 1. Schritt auf dem Weg zur Veränderung. Die Qualität der Interaktion (wir beschreiben es in unserem Buch als lebenslangen Tanz) zwischen nahen Betreuungspersonen, meist zwischen der leiblichen Mutter und dem Kind, ist gerade in den ersten Lebensjahren des Kindes entscheidend und wird (nicht nur zu Beginn) entscheidend geprägt durch die Kompetenz der Mutter; sie sollte als die weisere  (Begriff nach Grossmann&Grossmann) agieren ( und kann es nicht zwangsläufig wie gewünscht oder angenommen).  Vor allem Feinfühligkeit und Bindungssicherheit sind als mütterliche Kompetenzen gefragt. Erlebt das Kind hier wenig Einfühlsames und wenig Sicheres, so kann dies weitreichenden Einfluss nehmen: u.a. auf seine Art und Weise in die Welt zu gehen, auf seinen Lebenserfolg, aber auch vor allem auf sein Selbsterleben. Ich empfehle zum tifergehenden Verständnis  an dieser Stelle gern einen Vortrag von Karin Grossmann, in dem sie ihre eindrucksvollen Langzeit- Forschungsarbeiten zur Bindung zwischen Eltern ( auch unter väterlich-feinfühligen Aspekten) und Kind prägnant und gut verständlich erklärt (gut investierte 40 Minuten, finde ich). Wer mehr erfahren mag, dem sei das allerdings hochpreisige Buch des Forscherpaares ans Herz gelegt.

Ein Kind einer, nennen wir sie wie im Buch  „schwierige“ Mutter, kann  an den Folgen eines nicht gelungenen Bindungstanzes zeitlebens mit Leib und Seele leiden -und doch sind die Folgen  nicht zwangsläufig, und auch nicht irreversibel oder irreparabel. Wie genau dieser Tanz zwischen Mutter und Kind vonstatten geht, wie der kindlich erlernte Tanz unser Erwachsenenleben bestimmt und vor allem, wie Betroffene sich im Erwachsenenalter selbst helfen können, möchten wir in unserem neuen Buch beschreiben: Meine schwierge Mutter. Das Buch für erwachsene Töchter und Söhne. Ein kreatives Selbsthilfeprogramm mit Selbsttest kann Sie in Ihrem persönlichen Veränderungs-Prozess unterstützen.

Unser Anliegen: Die Weitergabe durch die Generationen abmildern

In der therapeutischen Praxis zeigt sich: viele Probleme, die Mütter an ihren Kindern beschreiben, kennen diese selbst auch aus Kindheitsttagen… ohne dass ihnen dieser Teil ihrer Biografie wirklich bewusst wäre. Erst auf Nachfragen, etwa „Wie ging es Ihnen im Alter Ihrer Tochter?„, werden plötzlich Paralellen, Wiederholungen durch die Generationen überdeutlich. Die Mutter will nicht gewalttätig sein wie ihre Mutter…und findet doch in Augenblicken der Überforderung mit der eigenen Tochter keinen anderen Weg- Verzweiflung, Selbstvorwürfe, Schuld: ein ungutes Gebräu. Heute wollen diese Frauen und Männer es bei ihren Kindern anders machen: aber weit und breit kein geeignetes Modell in Sicht, ebenso kein verinnerlichtes Arbeitsmodell, das fähig schien, das Alte zu ersetzen. Wer keine feinfühligen Eltern erleben durfte, hat es schwerer, diese Fähigkeit in sich selbst auszubilden. Es wird zur Herausforderung, den eigenen Kindern das nötige Feingefühl, die erforderliche Bindungssicherheit zu geben. Dann lieber gar nicht erst Mutter oder Vater werden? Kinderlosigkeit wird oftmals die Not- Lösung, die zugleich selten gut erträglich scheint.Beim Thema schwierige Mütter bewegen wir uns in vielerlei Hinsicht auf einem engen Grat, Frauen vor allem  zwischen den Polen eine schwierige Mutter Haben und schwierige Mutter- Sein.

Muttermythos und Tabu

Ihre eigene Mutter schwierig zu empfinden, können sich manche Menschen gut eingestehen und locker darüber plaudern (in manchen Kreisen gilt das sogar als cool und chick), für andere ist das ein so verbotenes Thema, das es kaum denkbar, geschweige denn aussprechbar wäre. Wenn das Schwierigsein ein geringeres Ausmaß zeigt, ist es leichter, wahrzunehmen und mitzuteilen, wenn das Ausmaß große ist, Traumatisierung, Beschämung und wiederholte tiefe Kränkungen beinhaltet, wird der Umgang schwieriger. Erschwert wird dieser Umgang, so zeigt sich in unseren Arbeiten, durch ethisch-moralische Maßstäbe. Man darf doch nicht die eigene Mutter in Frage stellen, denken Betroffene, das wollte man als Mutter doch auch nicht! Getreu dem ethischen Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren!“, können sich dann Betroffene, die in ihrer Kindheit viel Ungutes erlebten, oft nur noch ins Verdrängen retten- in der Folge ins Verstummen- und beschreiten so unbemerkt einen unguten Pfad der Weitergabe von Schwierigkeiten an die nächste Generation… Tabuisieren und Verschweigen waren der Preis, den die Kinder für ihre Zugehörigkeit zur Familie zu zahlen hatten. Die Gefahr ist dann groß, dass aus dem betroffenen Kind einer schwierigen Mutter neuerlich selbst eine schwierige Mutter wird: wer nicht um seine Biografie weiß, wer schwere Bindungsdefizite und Leerstellen im Erleben in sich trägt, droht unbewusst Ungutes an die nächste Generation weitergzugeben. Zugleich kann das Erkennen und Auseinandersetzen ebenso wie gute neue Erfahrungen einen Weg in ein jetzt.besser.leben.  ebnen, auch im gute Mutter- oder Vater-Sein.

Im nächsten Beitrag mehr rund um diese Thematik. Für heute Danke fürs Lesen, fürs Weiterempfehlen, Diskutieren… wir freuen uns, wenn unsere Arbeit Ihnen weiterhilft.

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser