„Ich erwarte nichts, dann werd ich auch nicht enttäuscht!“ – Warum sich freuen für Kindheitsbelastete eine Mutprobe bedeutet

„Ich erwarte nichts!“, sagt Herr I.mit dem Brustton der Überzeugung, „dann werde ich auch nicht enttäuscht.“ Zugleich beschreibt er Gefühle von Verdruß, eine aufkommende Lebensunlust, nichts mache ihm wirklich Freude.

Menschen aus belasteten Familien, wie auch Herrn I., scheint manchmal die Freude abhanden gekommen zu sein: Wie bei Herrn I. ist dieser Freudverlust Teil einer lebenslangen Geschichte, Teil einer Biografie des schleichenden Freudverlustes. Erkrankte Eltern ( etwa diejenigen, die an einer Sucht leiden) versprechen oft Dinge und halten sie nicht ein. Zum x-ten Male verspricht die Mutter, nicht mehr zu trinken, zum Familienausflug „clean“ zu sein, das Kind zu begleiten…und wieder und wieder wird es nichts, wieder und wieder läuft die Freude ins Leere und wird enttäuscht. Machen Kinder, wie auch Herr I., diese Erfahrung wiederholt und über Jahre, ist einer ihrer Bewältigungswege, das Hoffen und Freuen einzustellen. Die wiederholt erlebte Frustration und Resignation wird gleichsam vorweggenommen, um sie nicht wieder zu erleben. Dieser Selbstschutzmechanismus geht oft einher mit einem Verlust von Lebensqualität. Erst wenn dieser Mechanismus erkannt wird, kann sich langsam die Freude einen Weg in das Leben Betroffener bahnen. Dies erfordert Mut, Mut, einer neuerlichen Enttäuschung ins Auge zu sehen, aber auch den Mut, sich auf eine andere Erfahrung einzulassen.

Gerade in den schwierigen Pandemiezeiten muessen wir selbst Freudvolles regelrecht suchen.Kreativitaet ist gefragt.Und: worauf freuen Sie sich?

Mut zu Freudigem wünscht

IHre

Waltraut Barnowski-Geiser