Besser leben? Warum ein Atemzug, der Mount Everest und ein ungewöhnliches Früchtchen Ihre Helfer sein können.

Von Waltraut Barnowski-Geiser

Jetzt besser leben – das wollen die meisten Menschen! Vor allem natürlich wünschen das all jene, die in ihrer Kindheit Schweres erlebt haben. Oftmals haben aber gerade diese Menschen ihre Hoffnung auf ein besseres Leben aufgegeben. Soviel Enttäuschung, so viele leere Versprechungen haben sie bereits erlebt! Jetzt besser leben: „Wie könnte das gehen?“ fragen sie sich, und vor allem: „Wie sieht mein Weg zu einem besseren Leben aus?“ Denn: jede und jeder hat eine andere Vorstellung davon, was ein Leben zu einem besseren macht

…Vielleicht wollen Sie auf kreativem Weg  etwas über Ihre persönliche Vorstellung erfahren.Dann könnte die folgende Übung hilfreich sein. Wenn Sie gerade Zeit nehmen wollen, dann starten Sie jetzt in die Übung. Sie können diese auch jetzt überspringen und später nach dem Lesen machen!

Übung MEINE Besser-Leben-Landschaft

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit: schließen Sie, wenn Sie mögen, die Augen…nehmen Sie Ihren Atem wahr…wenigstens drei Atemzüge wahrnehmen: wie Sie ein und wieder ausatmen…

Nun lassen  Sie vor Ihrem inneren Auge langsam eine Landschaft entstehen, in der Sie sich gut und glücklich fühlen. Wie duftet es hier, wie schmeckt es, welche Farben sehen Sie. Wie klingt es, welche Geräusche hören Sie? Lassen Sie sich ein wenig Zeit…vielleicht wollen Sie diese Landschaft später malen.

 Kommentar zur Übung: Bilder können helfen, etwas zur Sprache zu bringen, für das wir noch keine Worte haben.  Indem wir unsere Sinne aktivieren, aktivieren wir auch Potenziale, Sehnsüchte und Wünsche,die vielleicht längst vergessen schienen.

Flucht aus dem Jetzt
Viele Menschen mit Kindheitsbelastungen pendeln sich mehr schlecht als recht auf einem sie wenig befriedigenden Level ein: zwischen Vergessen und Verdrängen, zwischen Trauer und Zorn. Sie beschreiben, nichts mehr zu fühlen, oftmals allenfalls Leere. Das Fühlen des Unangenehmen wurde unbewusst aufgehoben, unglücklicher Weise aber auch das Fühlen von Schönem. Andere leben ständig im Gestern, wälzen schlimme Ereignisse von damals. Sie werden bis zum heutigen Tag von der Vorstellung gequält, an den Ereignissen der Kindheit Schuld zu tragen:

Ein trinkender Vater? Das erwachsene Suchtkind denkt, es hätte damals ein besseres Kind sein müssen, dann wäre der Vater nicht unglücklich gewesen und hätte folglich auch nicht trinken müssen.

Die Mutter, die in Depressionen aus dem Leben schied? Bestimmt hätte der Sohn vielmehr für sie Dasein müssen, ihr mehr Freude bereiten sollen, mehr und Besseres leisten sollen.

In diesen und anderen Gedankenketten sitzen Menschen fest.

Andere nehmen die Flucht nach vorn: sie leben in der Zukunft. Sie träumen, nicht nur ein bisschen und manchmal, sondern eigentlich immer und überall. Träumen hat sie als Kind gerettet, um dem Schlimmen zu entfliehen. Diesem Mechanismus können sie nun bis heute schwer entfliehen (manche haben bereits die Diagnose ADS/Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität erhalten): So träumen sie auch heute… von einem Traumprinzen, der so ganz anders ist als der enttäuschende Mann  jetzt an ihrer Seite, anders als der Vater früher. Sie träumen von einer Zeit, in der sie endlich glücklich sind, weil sie zum Beispiel materiell unabhängig sein werden. Morgen, irgendwann in ferner Zukunft. wird alles besser sein. Und so warten sie und warten und warten, während das Leben an ihnen ungelebt vorbeizieht.

Mit einem Atenzug ins Jetzt
Bei all diesen Arten der Lebensbewältigung verpassen die Menschen etwas sehr Wesentliches: nämlich das Jetzt. Auch Glück findet immer gerade jetzt statt. Wenn keine Achtsamkeit für das Jetzt vorhanden ist, dann gehen kostbare Momente einfach verloren, dann rauscht das Glück vorbei, da es nicht einmal wahrgenommen wird.

Das Zurückerobern des Lebensglückes bedeutet, sich in das Jetzt zurückzutrauen.
Ein wichtiger Helfer in das Jetzt ist unser Atem: wahrnehmen, ohne jede Absicht und ohne jede Bewertung, wie der Atem einfließt und wie er wieder den Körper verlässt: Das ist die Brücke in die Gegenwart. Das klingt so einfach: und ist doch gerade für Menschen aus schwierigen Elternhäusern so schwer. Da damals das Jetzt so unangenehm war, haben sie, um ihre Seele zu retten, begonnen aus dem Jetzt zu fliehen. Und damals viel Lebensqualität verloren. Diese gilt es heute wieder zurückzugewinnen: und diesen Schritt können nur Sie selbst für sich tun. Vielleicht sagen Sie jetzt: „Ich habe viel zu tun, wann das noch?“ oder „Das fühlt sich so unangenehm an, wenn alles ruhig ist und ich mich spüre!“

Meditation ohne Geheimnnis

Es gibt viele Wege zur Achtsamkeit und Meditation. Als eine weise Lehrerin giltie buddhistische Nonne Ayya Khema (leider ist sie inzwischen längst verstorben, aber ihre Ausführungen sind  auf youtube abrufbar) Ayya Khema vermittelt Meditation ohne Geheimnis, aus der ich hier nur sehr vereinfachend Wichtiges zusammengefasst und sehr gekürzt darstelle. Eine Einsicht lautet, dass alle Empfindungen vergehen, wenn man sie einfach nur beobachtet: so wie alles vergeht! Auch Gedanken lassen sich demnach beobachten, sie werden in dieser Praxis etikettiert – die vorbeiziehenden Gedanken erhalten gleichsam einen Karton, in den man sie steckt. So merkt der Meditierende, welche Kartons er meistens benutzt, sprich, womit er sich meist beschäftigt und lernst sich dabei selbst bestens  (er)-kennen. Erwachsene Kinder aus Suchtfamilien beschreiben, mit ihren Gedanken ständig um einen ihnen wichtigen Menschen zu kreisen. Ihr Wohl hängt dann, so erleben sie es, von diesem einen Menschen ab – Abhängigkeit entsteht. Im Sinne der Lehre des Buddhas lässt sich hier als Methode anwenden: Etikettieren und Ersetzen. Eine spannende Idee! Probieren sie es aus: Wenn Sie an einen bestimmten Menschen denken, förmlich um ihn kreisen, sagen Sie innerlich „Stop!“ Ersetzen Sie diese Gedanken an den anderen, indem Sie zu sich selbst zurückkehren: Achten Sie auf Ihren Atem, nehmen Sie wahr, was Sie gerade spüren. Und in einem weiteren Schritt erspüren Sie, was sie selbst jetzt gerade brauchen.
Es gibt viele unterschiedliche Verfahren und Wege, um Achtsamkeit zu erlernen. Neben alten Lehren wie dem Buddhismus (hier auch Thich Nhat Hanh), unterschiedlichen Formen im Yoga usw. gibt es diese Ansätze auch in modernen Therapieverfahren, wie etwa dem MBSR nach Kabat-Zinn, der Hypnotherapie nach Milton Ericson oder auch im Integrativen und Hypnosystemischen Therapieverfahren. Suchen Sie im Vertrauen auf sich selbst den für Sie passenden Weg. Es gibt viele Cds und Bücher zu diesem Feld, die Ihnen Hilfe anbieten können.

AWAOKADO…was für ein Früchtchen!
In meinen Befragungen von Erwachsenen und Kindern aus Suchtfamilien (Barnowski-Geiser 2009) beschrieben Menschen neben der Achtsamkeit sechs weitere Faktoren, die Ihnen auf dem Weg zu einem besseren Leben geholfen haben:
A chtsamkeit lernen
W ürdigung der Kindheitsbelastungen, aber auch der eigenen Stärken
O rientierung finden, einen eigenen Standpunkt
K reativität und Ausdruck leben
A nklang und Beziehung finden
D eckung und De-Parenting ( Sicherer Raum und Kind sein dürfen, etwa das Spielen entdecken)
O ffenheit und Öffnung
Sie haben es wahrscheinlich schon gesehen: die Anfangsbuchstaben ergeben in der Vertikalen das Wort AWOKADO und erinnern somit an eine kleine sehr heilsame Frucht. Ihre große Wirkung entfaltet diese Frucht, so wird es von Betroffenen beschrieben, indem man sie dosiert einsetzt. Das gilt auch für Sie und den Beginn Ihrer Veränderung hin zu einem besseren Leben. Dosiert sollten Sie, vertrauen wir den Erfahrungen, beginnen: der erste Baustein ist Achtsamkeit (vgl. Das AWOKADO-Hilfe-Konzept in Barnowski-Geiser/2015:Vater,Mutter,Sucht. Wie erwachsene Kinder suchtkranker Kinder trotzdem ihr Glück finden). Achtsam ist gleichsam die Mutter der Heilung!

Jetzt starten…schließlich haben Sie schon den Mount Everst bestiegen!
Alle große Veränderung, auch in Ihrem Leben, beginnt mit einem kleinen Schritt. Diesen können Sie gerade heute tun. Atmen Sie sich für Augenblicke ins Jetzt und steigern Sie diese Zeit innerhalb der nächsten Tage, wenn wir uns hier wieder treffen. Ich bin sicher: Wenn Sie den Weg auf diese Seite gefunden haben, dann haben Sie in ihrer Kindheit viel zu früh Großes geleistet. Sie haben wahrscheinlich schon ganz früh, um einen Vergleich zu wählen, den Mount Everest bestiegen. Nur: Das hat Ihnen niemand gesagt, man hat Ihnen erst recht nicht gedankt, weil vielleicht die Probleme ihrer Eltern, um die sie sich viel zu früh kümmern mussten, angeblich gar nicht vorhanden waren. Tabuisieren war dann der Weg ihrer Eltern; Ihre Eltern haben es nicht anders geschafft. Es ist wichtig, aus dieser familiären Negativkette auszusteigen, damit Sie Neues an ihre Kinder und Partner weitergegeben können. Mit nur einem Atemzug kann Neues in ihr Leben und das Leben Ihrer Familie treten.

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Interessante Blogs im Themenfeld:

http://www.projekt-gesund-leben.de/achtsamkeit-mbsr/

http://burnout.blog.de/

https://meditationfuerskeptiker.wordpress.com/

Video

Einführung in die Meditation, Teil 1/4 – Ayya Khema

Vielen Betroffenen hilft zu Beginn das mit der Wahrnehmung verbundene Loslassen, wie es

Thich Nhat Hanh hier vorführt

Kabat-Zinn/MBSR

Sie möchten sich selbst endlich besser verstehen?

Auf den Spuren der eigenen Identität begegnen uns auch Menschen, an die wir uns nicht gern erinnern…

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Viele Erwachsene aus belasteten Familien entdecken irgendwann an sich selbst Verhaltensweisen oder Stimmungslagen, in denen sie sich nicht verstehen. Sie fühlen sich etwa grundlos traurig, wertlos, obwohl sie eigentlich viel leisten, sie beobachten an sich Suchtverhalten, dass sie doch so unbedingt vermeiden wollten, in dem Anspruch, bloß nicht so zu werden wie Vater oder Mutter. Tragisch zu beobachten, wie sich Belastungen in bestimmten Familien verdichten und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Kinder aus Suchtfamilien haben ein um sechsfach erhöhtes Risiko selbst an einer Suchterkrankung zu erkranken gegenüber Kindern nichtsüchtiger Eltern. So sehen wir, dass oftmals Großvater, Vater und Sohn Alkoholiker sind etc. Ebenso gibt es ein hohes Risiko für andere psychische Eigenerkrankungen, so etwa für Töchter von Alkoholikern ein hohes Risiko für Essstörungen. Jeder Erwachsene aus einer belasteten Familie bewegt sich zwischen Chance und Risiko: die Kette der Weitergabe der Sucht (Transmission) unhinterfragt fortzusetzen oder die Weitergabe der familiären Dynamik zu durchbrechen. Dies gelingt u.a. dadurch,  dass familiäre Tabus, verleugnete Gefühle und die spezifische Dynamik endlich zur Sprache kommen können. Meist können diese erwachsenen Kinder sich selbst in ihrem „So-Sein“ erst dann verstehen, wenn sie es gewagt haben, in den Ihnen wie ein Abgrund erscheinenden familiären Kontext ihrer Kindheitstage zu blicken. Oft erst dann, wenn die Spuren dieser Tage verstanden und entdeckt sind, wird Veränderung möglich.

„Ich möchte dazugehören“- die Sehnsucht der Kindheitsbelasteten

Menschen aus belasteten Familien fühlen sich oftmals einsam und nicht zughörig. Zugehörigkeit zu finden wird dann eine bestimmende Lebensaufgabe. Oftmals haben diese Gefühle ihre Wurzeln in Kindheitstagen. Familien, die im Tabu gefangen sind, entwickeln eine eigene Dynamik. Die familiäre Wahrnehmung wird so ausgerichtet, dass das Tabu und die Täuschung in jedem Fall  aufrecht erhalten werden kann. Daran arbeiten alle Familienmitglieder mit, dieser Prozess läuft meist unbewusst ab. Besonders tragisch gestaltet er sich für all diejenigen, die sich in ihrer Familie um das Aussprechen der Wahrheit bemühen. Da sich das tabuisierende System bedroht fühlt, geraten diejenigen Familienmitglieder, die um Wahrhaftigkeit ringen, an den Rand des Systems: sie gelten als Sündenböcke, als Verräter, paradoxer Weise sogar als „nicht richtig“, „nicht glaubwürdig“. Wenn dieser Prozess über wichtige Jahre in der Kindheit anhält, wird die familiäre Fremdzuschreibung den betroffenen Familienmitgliedern zur eigenen Sicht, sozusagen zur zweiten Haut. MIt dieser Selbstzuschreibung gehen sie künftig in andere Systeme Gruppen, in Klassengemeinschaften, in eigene Familienbeziehungen usw.: ein zu schwerer kindlicher Rucksack, der kaum alleine zu tragen ist!

An diesem Punkt brauchen derart belastete Menschen andere Menschen: Menschen, die wohlwollend mit ihnen auf ihre Wahrnehmung schauen, die stärkend in ihrem Rücken sind, die aufmerksam zu-und  hinhören. Manchmal ist es dann auch an der Zeit, therapeutische Hilfe zu suchen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Sommerzeit mit lieben Menschen an Ihrer Seite und vielen schönen Momenten,

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Bin ich ein Suchtkind? Könnte „Vater, Mutter, Sucht“ auch die Überschrift über Ihrer Kindheit sein?

Viele Erwachsene aus suchtbelasteten Familien wissen nicht, ob sie wirklich als betroffen gelten. Sie fragen sich oftmals quälend: „Bin ich ein Suchtkind?“ Denn Vater, Mutter, Kind: dieses alte Kinderspiel erfährt in Familien mit Suchtkranken eine tragische Abwandlung. Wenn Eltern suchtkrank sind, nehmen ihre Kinder einen anderen Platz ein, als es bei Kindern mit gesunden Eltern der Fall ist. Bei einem Menschen, der an einer Sucht leidet, kommt diese immer an erster Stelle. Die Sucht nimmt den Platz ein, der eigentlich den Kindern zusteht. Das Handeln des Süchtigen ist nicht auf seine Kinder, sondern auf sich und das Suchtmittel konzentriert, letzteres ist bei Suchtkranken der Dreh- und Angelpunkt. Wie und wann ist das Suchtmittel zu bekommen? Wie ist es zu vermeiden. Das sind die Fragen, die den Alltag bestimmen. Die Gedanken eines alkoholkranken Elternteils kreisen letztlich nur darum, wie er an Alkohol kommen kann, der Tablettensüchtige denkt ständig an seine Tabletten, der Drogensüchtige an seinen Stoff, der Workaholic an seine Arbeit usw. Dies bleibt nicht ohne Folgen für das System, für die Umgebung, in der Suchtkranke leben, hier vor allem für die Familien.

Alle in der Familie sind von der Sucht betroffen

Der Gebrauch des Suchtmittels greift in das Familienleben ein, bestimmt, wie die Mitglieder zusammen leben können oder eben auch nicht mehr.Featured image
So bekommen Kinder aus Suchtfamilien ungewollt einen Platz zugewiesen, der ihnen wenig gerecht wird. Die mit der elterlichen Sucht einhergehende Belastung wird nie mehr von ihnen weichen, denn wie eine Betroffene es ausdrückte: »Suchtkind bleibt man ein Leben lang!« Selbst wenn sie das Elternhaus schon lange verlassen haben oder der süchtige Elternteil verstorben ist: Sucht gleicht einem Zombie, der die Seelen der Kinder zu zerfressen droht – und das unbemerkt. Die Menschen aus dem Umfeld werden leicht zu Statisten, zu hilflosen Zuschauern, die unbeteiligt wegsehen, weil das Leid und die Ohnmacht zu unfassbar erscheinen, nicht begreifbar, nicht veränderbar. So sehen Erzieher/innen, Lehrer/innen und Nachbarn in der Regel untätig zu, während sich hinter den verschlossenen Türen der Suchtfamilie womöglich tagtäglich Dramatisches abspielt. Die Kinder dürfen nicht über ihr Leid sprechen, die Eltern schweigen aus Scham. Wenn sie doch mit ihrer Sucht an die Öffentlichkeit gehen, finden sie vielleicht einen Platz, an dem ihnen geholfen wird, ihre Kinder dagegen bleiben meistens selbst dann noch auf tragische Weise im Abseits.
Kommt die Sucht, wie so oft, nicht laut, sondern mehr schleichend, leise daher, wird es noch schwieriger, sie zu erkennen. Die Belastung für die Betroffenen nimmt immens zu, denn sie fragen sich, ob es diese Sucht überhaupt gibt oder gab, ob sie sich diese nur einbilden. »Ist das nicht normal, was meine Eltern da gemacht haben!«, lautet dann die Frage der Verunsicherten, oder: »Ist es nicht normal, dass Mama täglich Tabletten nimmt, die sie doch braucht!«, »Ist es nicht normal, ein paar Bier zu trinken?«, »Ist es nicht normal, auf sein Gewicht zu achten?« Oft noch als Erwachsene sind die Kinder suchtkranker Eltern tief verunsichert.

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Übung 4: Bin ich ein „Suchtkind“?

Vielleicht fragen Sie sich, ob sie selbst zum Kreis der betroffenen Erwachsenen gehören, die hier (auch im Buchtitel) angesprochen werden. Das wäre sehr typisch für die Art und Weise, wie erwachsene Kinder aus Suchtfamilien mit ihrer Kindheitsbelastung umgehen. »Suchtkinder«, wie ich erwachsene Kinder suchtkranker Eltern hier im Folgenden nennen möchte, nehmen oft grundsätzlich an, dass dieses Thema aus Kindertagen erledigt sei, und zum anderen, dass sie keine Probleme haben, oder wenn doch, dass diese Probleme (Symptome etwa körperlicher Art) nichts mit der früheren Situation in der Herkunftsfamilie zu tun haben. Dies kann ein tragischer Fehlschluss sein, mit weitreichenden Folgen für Ihre Lebensqualität…

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 Was Suchtkinder erzählen

Zitate aus Befragungen (2008/2009; 2015) im Folgenden unkommentiert: Vielleicht finden Sie sich oder jemanden, der Ihnen wichtig ist, in diesen Aussagen wieder?

Die nachfolgenden Zitate stammen von Erwachsenen, die über mehrere Jahre mit suchtkranken Eltern gelebt haben:

„Es (das Suchtverhalten/ Anm. d.Verf.) war in unserer Familie zu einem stummen Thema geworden!“/Frau L.

„Es ging fortwährend darum, dass wir nach Außen eine perfekte Fassade lieferten – wie es mir ging, spielte keine Rolle!“/Frau I.

„… denn offensichtlich ist dieser familiäre Wahnsinn das Leben!“/Frau H.

„Wenn meine Mutter schreckliche Dinge im Suff getan hatte, taten alle so, als wäre nichts passiert!“/Frau Z.

„… ich bettle schon ein Leben lang um Liebe.“/Frau I.

„Entsetzt bemerkte ich, dass es dieses „Ich“ nicht mehr gab!“ /Frau I.

„… ich verschwinde, während ich sein Verschwinden zu verhindern suche.“/Frau E.

„Wir sind du und du bist wir!“/Frau E. zur Einstellung ihrer Mutter

Ich habe lieber, wenn etwas Schreckliches passiert! – Wenn es mal gut ist, warte ich nur auf das Schreckliche- das WARTEN ist noch furchtbarer“/Frau I.

„Vielleicht hätte ich ihn mehr lieben müssen! Dann hätte mein Vater vielleicht nicht getrunken“ (Frau S.)

„Ich tanze auf einer Hochspannungsleitung im kühlen Korsett!“/Frau P.

„Und ich war ihrer Ansicht nach schuld, dass sie immer mehr trank…“/Herr I.

Drogen waren für meine Eltern „Lifestyle“- sprach ich von Belastung wurde ich ausgelacht und als spießig dargestellt.“/Herr H.

„Bei uns zu Hause gab es gar keine Grenzen.“/Frau O.

„Ich habe oft schon Angst gehabt, bevor meine Mutter nach Hause gekommen ist/Felix

                                          „…alle Männer in unserer Familie waren depressiv…und süchtig.“ (Frau G)

„Ich kann ihm wirklich nicht die Mutter ersetzen!“ (Frau R.)

„Wir waren voll mit Gefühlen, die aus der Suchterkrankung resultierten und doch durften wir nie über unsere Gefühle reden. Gefühle waren das absolute Tabu!“/Herr I.

Wenn einige dieser Aussagen auch von Ihnen stammen könnten und sie sich zugleich schon lange fragen, ob das Verhalten ihrer Eltern mit dem Etikett „süchtig“ zu bezeichnen ist/war, dann könnten das Hinweise auf eine (möglicherweise auch verdeckte) elterliche Suchterkrankung oder andere familiäre Belastungen in der Kindheit sein. Vielfach ist die elterliche Suchterkrankung, wie Suchtkinder oftmals fälschlich annehmen, nicht nur an der konsumierten Menge fest zu machen (und auf die Kontrolle und Beweisführung wird oft viel Energie bei Angehörigen verwendet): Bedeutsamer und wirksamer für den eigenen Weg der Suchtkinder ist das Aufspüren krankmachender Familiendynamiken sowie der spezifischen Familienatmosphäre. Denn diese Dynamik und Atmosphäre kann massive Auswirkungen auf das Erleben der Suchtkinder haben, sogar wenn sie viele Jahrzehnte zurückliegt. Wenn Sie sich oftmals, (scheinbar grundlos) leer, schuldig und „unnütz“, nicht „richtig“, nicht zugehörig oder wertlos fühlen (obwohl sie z.B. „objektiv“ viel leisten), dann kann die Wurzel dieser Gefühle in elterlicher Suchterkrankung begründet sein.Dann kann es für Sie wichtig sein, sich mit Familienatmosphären näher zu beschäftigen. Häufig stellen Suchtkinder in dieser Beschäftigung fest, dass diese negativen Stimmungen und Gefühle eigentlich gar nicht zu ihnen gehören, sondern zu ihren belasteten Eltern. Diese haben sie über Jahre während ihrer Erkrankung, meist unbewusst, an sie weitergegeben oder abgegeben (delegiert).

Zusatzanregung: Suchen Sie ein Musikstück, das erzählt, wie Sie sich eine gute Familienatmosphäre vorstellen…Lassen Sie sich Zeit: Hören Sie in den nächsten Tagen Stücke im Radio oder zu Hause bewusster aus dieser Perspektive.

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Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich, wie viele professionell Tätige in diesem Bereich, mit erwachsenen Kindern aus Suchtfamilien gearbeitet, ohne wirklich das Ausmaß ihrer Belastung zu kennen. In meiner Praxis, in der Schule, in Ausbildungszusammenhängen gehörte dieses Thema zu meinem Aufgabenfeld, doch ich bemerkte zunächst nicht, wie weitreichend die Folgen der elterlichen Suchtbelastung wirklich waren – ich wusste ebenso wenig darum wie die Betroffenen selbst. Erwachsene Kinder aus Suchtfamilien ahnen oftmals nichts von ihrer Belastung und deren Ausmaß, sie sprechen nicht über ihre Herkunftsfamilie, scheint das alles doch viel zu lange her zu sein. Viele wissen nicht mehr, dass ihnen etwas angetan wurde – aufgrund diffuser körperlicher und seelischer Beschwerden merken sie nur, dass irgendetwas nicht mit ihnen stimmt. Da ihnen das Ausmaß selbst nicht bewusst ist, sie zudem gelernt haben, zu tabuisieren und zu verdrängen, sprechen sie nicht über das in der Kindheit Erlittene. Betroffene lebten und leben mit Eltern, die ihre Sucht verleugnen, und so verleugnen sie selbst, was ihnen angetan wurde.

Es soll nicht etwa »Grässliches«, Schlimmes und Traumatisches, das in Suchtfamilien passiert ist, gewaltsam an die Oberfläche gezerrt oder als Sensation zur Schau gestellt werden, vielmehr wird versucht, mit Hilfe eines gemeinsamen Blicks auf die kindliche Vergangenheit, eine neue Basis für ein zufriedeneres Leben mit sich und anderen zu schaffen.

Frau L. 44 Jahre: „Ich habe eigentlich neu laufen gelernt!“
„Ich fühlte mich vor der Therapie wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir daran die Schuld. Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen. Ich glaube, mir hat geholfen, dass ich in der Therapie Schritt für Schritt Begleitung hatte. Ich musste bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten.

Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.

Nach meinen Erfahrungen können erwachsene Kinder, auch wenn die Erfahrungen mit süchtigen Eltern schon Jahrzehnte zurückliegen, nur dann wirkliches Verständnis für sich selbst, ihr Verhalten, ihre Gefühle und ihre Nöte entwickeln, wenn sie einen Blick auf das, was ihnen angetan wurde, wagen. Oftmals sind sie erst dann in der Lage, ihre Stärken zu würdigen und Rollenmodelle des eigenen Lebens zu verstehen – im Buch Vater, Mutter, Sucht ermöglicht ein Selbsttest darüber näheren Aufschluss. Mittels meiner Forschungen und Praxiserfahrungen habe ich das AWOKADO-Programm zusammengestellt, das Suchtkinder auf dem Weg in ein glücklicheres Leben unterstützen kann; auch professionell Tätige können es bei der Arbeit mit Suchtkindern einsetzen. Wer verdrängt, steckt fest! Wer hinschaut und aktiv wird, kann wachsen – …

Text in Anlehnung an eine Leseprobe zu Vater, Mutter, Sucht beim Klett-Cotta-Verlag.

Nichts fuehlt sich richtig an:Wie Erfahrungen mit (sucht-)belasteten Eltern Ihre Bewertungen beeinflussen

„Bei uns zu Hause ist immer Karneval!“, lacht der Kleine (von seinen Lehrern in die Beratung geschickt wegen fehlender Impulskontrolle und unangemessenem Verhalten gegenüber seinen Mitschülern) und beschreibt damit treffend, wie seine Sucht-Familie lebt: mit ständig wechselnden Regeln, die, wenn Papa trinkt, komplett außer Kraft gesetzt sind, alles ist erlaubt… um diese Regeln allerdings dann, wenn der Vater mit dem Trinken aufgehört hat, unter Strafandrohungen wieder einzufordern. Wertungen und ethische Prinzipien werden hier immer wieder in Frage gestellt. In seiner Familie, so erzählt Herr S., Sohn eines Alkoholikers, seien alle Werte vom Alkohol bestimmt gewesen: Menschen wurden als „gut“ eingestuft, wenn sie viel Alkohol anboten und tranken, Nichttrinker galten als zu vermeidende schlechte Menschen- sie provozierten den Vater und wurden folglich gemieden. Solche Erzählungen von Betroffenen muten teils absurd an: und genau diese Absurdität stellt die Lebenswelt der Kinder und erwachsenen Kinder aus belasteten Familien dar.

Die dritte Säule der Identität, die die Normen und Werte betrifft, ist somit, wenn derartige Belastungen sich durch die gesamte Kindheit oder mehrere Jahre ziehen,  stark beeinträchtigt. Betroffene wissen in der Folge nicht mehr, was richtig und falsch, was gut oder schlecht ist: ihre eigenen Bewertungen schwappen ähnlich unsicher hin und her, wie sie es vormals bei ihren Eltern erlebt haben. Vielleicht ist falsch ja richtig, fragen sie sich, und irren kernverunsichert durch ihr Leben, jede noch so kleine kleine anstehende Entscheidung erleben sie dann als große Herausforderung.

 Nina, 17 Jahre, erzählt wie sich ihre Kernverunsicherung in den Alltag webt, hier bei ihrem Zahnarztbesuch: wegen einer  Kieferfehlstellung wurde ihr eine Zahnklammer angepasst. Sie sollte fühlen, ob diese Klammer sich nach dem Einsetzen richtig anfühle. Sie habe weinen mögen, erzählt sie, denn darauf hätte sie keine Antwort gehabt…Wie sollte Nina das auch beantworten können: ihr Kiefer hatte noch nie in der richtigen Position gestanden….Falsch ist für Nina zu richtig geworden. So verhalte es sich auch mit ihrer Gefühlswelt, beschreibt sie aufgeregt….

Wie Nina ergeht es vielen Kindern aus belasteten Familien: wenn tatgtäglich zu Hause Dinge passieren, die eigentlich unmöglich, übergriffig und unwürdig sind, diese aber keinerlei Beachtung oder Sanktion erfahren, kein Entsetzen und kein Aufschreien, keinen Trost und keinen Zuspruch, dann wird  das Übergriffige und eigentlich Unmögliche zur Normalität. Erst im Kontakt mit anderen, etwa nichtsüchtigen Familiensystemen, bemerken die Betroffenen, dass es andere Wertungen und ethische Prinzipien gibt: eine Kernverunsicherung mit großer Lebensunsicherheit ist dann oftmals die Folge. Es gibt einen Weg aus diesem Dilemma, wie sich in der Arbeit mit erwachsenen Betroffenen zeigte: sich mit  Wertvorstellungen und Sinnfragen aktiv zu beschäftigen,  eigene Werte zu definieren, zu ändern oder auch zu stärken, die eigene innere Stimme zu aktivieren, stellt dann eine Kernaufgabe für Betroffene dar. Wenn diese angegangen wird, zeigt sich das Leben oft aus neuer, eigener Perspektive, es wird sinnig-er und stimmig-er.

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

 

Vater, Mutter, Sucht – Wie erwachsene Kinder suchtkranker Eltern trotzdem ihr Glück finden.

Vater, Mutter, Kind: dieses alte Kinderspiel erfährt in Familien mit Suchtkranken eine tragische Abwandlung. Wenn Eltern suchtkrank sind, nehmen ihre Kinder einen anderen Platz ein, als es bei Kindern mit gesunden Eltern der Fall ist. Bei einem Menschen, der an einer Sucht leidet, kommt diese immer an erster Stelle. Die Sucht nimmt den Platz ein, der eigentlich den Kindern zusteht. Das Handeln des Süchtigen ist nicht auf seine Kinder, sondern auf sich und das Suchtmittel konzentriert, letzteres ist bei Suchtkranken der Dreh- und Angelpunkt. Wie und wann ist das Suchtmittel zu bekommen? Wie ist es zu vermeiden. Das sind die Fragen, die den Alltag bestimmen. Die Gedanken eines alkoholkranken Elternteils kreisen letztlich nur darum, wie er an Alkohol kommen kann, der Tablettensüchtige denkt ständig an seine Tabletten, der Drogensüchtige an seinen Stoff, der Workaholic an seine Arbeit usw. Dies bleibt nicht ohne Folgen für das System, für die Umgebung, in der Suchtkranke leben, hier vor allem für die Familien. Der Gebrauch des Suchtmittels greift in das Familienleben ein, bestimmt, wie die Mitglieder zusammen leben können oder eben auch nicht mehr.Featured image
So bekommen Kinder aus Suchtfamilien ungewollt einen Platz zugewiesen, der ihnen wenig gerecht wird. Die mit der elterlichen Sucht einhergehende Belastung wird nie mehr von ihnen weichen, denn wie eine Betroffene es ausdrückte: »Suchtkind bleibt man ein Leben lang!« Selbst wenn sie das Elternhaus schon lange verlassen haben oder der süchtige Elternteil verstorben ist: Sucht gleicht einem Zombie, der die Seelen der Kinder zu zerfressen droht – und das unbemerkt. Die Menschen aus dem Umfeld werden leicht zu Statisten, zu hilflosen Zuschauern, die unbeteiligt wegsehen, weil das Leid und die Ohnmacht zu unfassbar erscheinen, nicht begreifbar, nicht veränderbar. So sehen Erzieher/innen, Lehrer/innen und Nachbarn in der Regel untätig zu, während sich hinter den verschlossenen Türen der Suchtfamilie womöglich tagtäglich Dramatisches abspielt. Die Kinder dürfen nicht über ihr Leid sprechen, die Eltern schweigen aus Scham. Wenn sie doch mit ihrer Sucht an die Öffentlichkeit gehen, finden sie vielleicht einen Platz, an dem ihnen geholfen wird, ihre Kinder dagegen bleiben meistens selbst dann noch auf tragische Weise im Abseits.
Kommt die Sucht, wie so oft, nicht laut, sondern mehr schleichend, leise daher, wird es noch schwieriger, sie zu erkennen. Die Belastung für die Betroffenen nimmt immens zu, denn sie fragen sich, ob es diese Sucht überhaupt gibt oder gab, ob sie sich diese nur einbilden. »Ist das nicht normal, was meine Eltern da gemacht haben!«, lautet dann die Frage der Verunsicherten, oder: »Ist es nicht normal, dass Mama täglich Tabletten nimmt, die sie doch braucht!«, »Ist es nicht normal, ein paar Bier zu trinken?«, »Ist es nicht normal, auf sein Gewicht zu achten?« Oft noch als Erwachsene sind die Kinder suchtkranker Eltern tief verunsichert.

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Übung 4: Bin ich ein „Suchtkind“?

Vielleicht fragen Sie sich, ob sie selbst zum Kreis der betroffenen Erwachsenen gehören, die hier (auch im Buchtitel) angesprochen werden. Das wäre sehr typisch für die Art und Weise, wie erwachsene Kinder aus Suchtfamilien mit ihrer Kindheitsbelastung umgehen. »Suchtkinder«, wie ich erwachsene Kinder suchtkranker Eltern hier im Folgenden nennen möchte, nehmen oft grundsätzlich an, dass dieses Thema aus Kindertagen erledigt sei, und zum anderen, dass sie keine Probleme haben, oder wenn doch, dass diese Probleme (Symptome etwa körperlicher Art) nichts mit der früheren Situation in der Herkunftsfamilie zu tun haben. Dies kann ein tragischer Fehlschluss sein, mit weitreichenden Folgen für Ihre Lebensqualität…

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Zitate aus Befragungen (2008/2009; 2015) im Folgenden unkommentiert: Vielleicht finden Sie sich oder jemanden, der Ihnen wichtig ist, in diesen Aussagen wieder?

Die nachfolgenden Zitate stammen von Erwachsenen, die über mehrere Jahre mit suchtkranken Eltern gelebt haben:

„Es (das Suchtverhalten/ Anm. d.Verf.) war in unserer Familie zu einem stummen Thema geworden!“/Frau L.

„Es ging fortwährend darum, dass wir nach Außen eine perfekte Fassade lieferten – wie es mir ging, spielte keine Rolle!“/Frau I.

„… denn offensichtlich ist dieser familiäre Wahnsinn das Leben!“/Frau H.

„Wenn meine Mutter schreckliche Dinge im Suff getan hatte, taten alle so, als wäre nichts passiert!“/Frau Z.

„… ich bettle schon ein Leben lang um Liebe.“/Frau I.

„Entsetzt bemerkte ich, dass es dieses „Ich“ nicht mehr gab!“ /Frau I.

„… ich verschwinde, während ich sein Verschwinden zu verhindern suche.“/Frau E.

„Wir sind du und du bist wir!“/Frau E. zur Einstellung ihrer Mutter

Ich habe lieber, wenn etwas Schreckliches passiert! – Wenn es mal gut ist, warte ich nur auf das Schreckliche- das WARTEN ist noch furchtbarer“/Frau I.

„Vielleicht hätte ich ihn mehr lieben müssen! Dann hätte mein Vater vielleicht nicht getrunken“ (Frau S.)

„Ich tanze auf einer Hochspannungsleitung im kühlen Korsett!“/Frau P.

„Und ich war ihrer Ansicht nach schuld, dass sie immer mehr trank…“/Herr I.

Drogen waren für meine Eltern „Lifestyle“- sprach ich von Belastung wurde ich ausgelacht und als spießig dargestellt.“/Herr H.

„Bei uns zu Hause gab es gar keine Grenzen.“/Frau O.

„Ich habe oft schon Angst gehabt, bevor meine Mutter nach Hause gekommen ist/Felix

                                          „…alle Männer in unserer Familie waren depressiv…und süchtig.“ (Frau G)

„Ich kann ihm wirklich nicht die Mutter ersetzen!“ (Frau R.)

„Wir waren voll mit Gefühlen, die aus der Suchterkrankung resultierten und doch durften wir nie über unsere Gefühle reden. Gefühle waren das absolute Tabu!“/Herr I.

Wenn einige dieser Aussagen auch von Ihnen stammen könnten und sie sich zugleich schon lange fragen, ob das Verhalten ihrer Eltern mit dem Etikett „süchtig“ zu bezeichnen ist/war, dann könnten das Hinweise auf eine (möglicherweise auch verdeckte) elterliche Suchterkrankung oder andere familiäre Belastungen in der Kindheit sein. Vielfach ist die elterliche Suchterkrankung, wie Suchtkinder oftmals fälschlich annehmen, nicht nur an der konsumierten Menge fest zu machen (und auf die Kontrolle und Beweisführung wird oft viel Energie bei Angehörigen verwendet): Bedeutsamer und wirksamer für den eigenen Weg der Suchtkinder ist das Aufspüren krankmachender Familiendynamiken sowie der spezifischen Familienatmosphäre. Denn diese Dynamik und Atmosphäre kann massive Auswirkungen auf das Erleben der Suchtkinder haben, sogar wenn sie viele Jahrzehnte zurückliegt. Wenn Sie sich oftmals, (scheinbar grundlos) leer, schuldig und „unnütz“, nicht „richtig“, nicht zugehörig oder wertlos fühlen ( obwohl sie z.B. „objektiv“ viel leisten), dann kann die Wurzel dieser Gefühle in elterlicher Suchterkrankung begründet sein.Dann kann es für Sie wichtig sein, sich mit Familienatmosphären näher zu beschäftigen. Häufig stellen Suchtkinder in dieser Beschäftigung fest, dass diese negativen Stimmungen und Gefühle eigentlich gar nicht zu ihnen gehören, sondern zu ihren belasteten Eltern. Diese haben sie über Jahre während ihrer Erkrankung, meist unbewusst, an sie weitergegeben oder abgegeben (delegiert).

Zusatzanregung: Suchen Sie ein Musikstück, das erzählt, wie Sie sich eine gute Familienatmosphäre vorstellen…Lassen Sie sich Zeit: Hören Sie in den nächsten Tagen Stücke im Radio oder zu Hause bewusster aus dieser Perspektive.

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Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich, wie viele professionell Tätige in diesem Bereich, mit erwachsenen Kindern aus Suchtfamilien gearbeitet, ohne wirklich das Ausmaß ihrer Belastung zu kennen. In meiner Praxis, in der Schule, in Ausbildungszusammenhängen gehörte dieses Thema zu meinem Aufgabenfeld, doch ich bemerkte zunächst nicht, wie weitreichend die Folgen der elterlichen Suchtbelastung wirklich waren – ich wusste ebenso wenig darum wie die Betroffenen selbst. Erwachsene Kinder aus Suchtfamilien ahnen oftmals nichts von ihrer Belastung und deren Ausmaß, sie sprechen nicht über ihre Herkunftsfamilie, scheint das alles doch viel zu lange her zu sein. Viele wissen nicht mehr, dass ihnen etwas angetan wurde – aufgrund diffuser körperlicher und seelischer Beschwerden merken sie nur, dass irgendetwas nicht mit ihnen stimmt. Da ihnen das Ausmaß selbst nicht bewusst ist, sie zudem gelernt haben, zu tabuisieren und zu verdrängen, sprechen sie nicht über das in der Kindheit Erlittene. Betroffene lebten und leben mit Eltern, die ihre Sucht verleugnen, und so verleugnen sie selbst, was ihnen angetan wurde.

Es soll nicht etwa »Grässliches«, Schlimmes und Traumatisches, das in Suchtfamilien passiert ist, gewaltsam an die Oberfläche gezerrt oder als Sensation zur Schau gestellt werden, vielmehr wird versucht, mit Hilfe eines gemeinsamen Blicks auf die kindliche Vergangenheit, eine neue Basis für ein zufriedeneres Leben mit sich und anderen zu schaffen.

Frau L. 44 Jahre: „Ich habe eigentlich neu laufen gelernt!“
„Ich fühlte mich vor der Therapie wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir daran die Schuld. Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen. Ich glaube, mir hat geholfen, dass ich in der Therapie Schritt für Schritt Begleitung hatte. Ich musste bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten.

Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.

Nach meinen Erfahrungen können erwachsene Kinder, auch wenn die Erfahrungen mit süchtigen Eltern schon Jahrzehnte zurückliegen, nur dann wirkliches Verständnis für sich selbst, ihr Verhalten, ihre Gefühle und ihre Nöte entwickeln, wenn sie einen Blick auf das, was ihnen angetan wurde, wagen. Oftmals sind sie erst dann in der Lage, ihre Stärken zu würdigen und Rollenmodelle des eigenen Lebens zu verstehen – im Buch Vater, Mutter, Sucht ermöglicht ein Selbsttest darüber näheren Aufschluss. Mittels meiner Forschungen und Praxiserfahrungen habe ich das AWOKADO-Programm zusammengestellt, das Suchtkinder auf dem Weg in ein glücklicheres Leben unterstützen kann; auch professionell Tätige können es bei der Arbeit mit Suchtkindern einsetzen. Wer verdrängt, steckt fest! Wer hinschaut und aktiv wird, kann wachsen – …

Text in Anlehnung an eine Leseprobe zu Vater, Mutter, Sucht beim Klett-Cotta-Verlag.

Würdigen, was niemand sah: sich selbst wertschätzen lernen in einer belasteten Familie

In einer belasteten Familie geht oft viel verloren: Wahrheit, Glaube und Vertrauen beispielsweise bleiben dann auf der Strecke. Kinder aus diesen Familien gehen sich in der Folge, wenn die Belastung über lange Zeit anhält, oft selbst verloren; leben sie doch alltäglich in einem Tabu, das ihnen vermittelt, das eigentlich alles normal sei.  Ihre Nöte, aber auch ihre alltäglichen übergroßen Leistungen werden regelmäßig  übersehen. Ihre Überanstrengung und Überkompensation (Barnowski-Geiser/Geiser.Heinrichs 2017), die sie aufgrund der Erkrankungen oder Beeinträchtigungen der Eltern leisten müssen, verschwinden im familiären Nebel. Oft werden ihnen selbst diese Leistungen nie bewusst, manchmal erst im Rahmen von Therapie im Erwachsenenalter. Und dann sind Betroffene verunsichert, denn im Verlaufe ihrer familiären Zugehörigkeit zum tabuisierenden System ist ihnen auch selbst Wetschätzung und Würdigung für das von ihnen für das Familien- System Geleistete abhanden gekommen: Das Geleistete gibt es in der familiären Wahrnehmung so wenig wie es die Krankheit/Belastung der Eltern gab oder gibt. Geleistetes versinkt unter Scham, die die Kinder anstelle ihrer Eltern meist unbewusst übernehmen. Negative Selbstzuschreibungen sind dann an der Tagesordnung: „Ich bin doch so furchtbar angepasst!“ (wenn  die Überanpassungsleistung ständig nötig war),  oder „Ich hab doch so ein dämliches Helfersyndrom“ ( wenn sich Kümmern in krisenhaften Kindheiten als einzig lebbare Möglichkeit erschien) u. ä. lauten dann die unguten Selbst-Zuschreibungen.

Jetzt im Erwachsenenalter können Sie,insbesondere wenn die elterliche Belastung nun hinter ihnen liegt, neu und anders leben: indem Sie einen anderen Umgang mit sich selbst pflegen. Sie können Ihre Eltern vermutlich nicht ändern, so sehr Sie das auch wünschen, so sehr Sie sich dafür anstrengen, Als Angehörige einer belasteten Familie haben Sie vermutlich Großes geleistet (Oder tun es immer noch), entsprechende Bewältigungsmechanismen entwickelt, aus denen  spezifische, ihnen sehr eigene, Stärken entstanden sind – nur allzu lange wurden diese übersehen, von anderen und womöglich auch von Ihnen selbst. Im Heute, gerade jetzt, können diese durch Sie selbst Beachtung erfahren, neu in Resonanz und die Welt gehen, indem sie, auch wenn es ungewohnt erscheint, die Botschaft dieses Wochenimpulses umsetzen: Würdige, was niemand sah!

(Formulierung in Anlehnung an Buchtitel Barnowski-Geiser 2009: Hören, was niemand sieht) .

Sonniges auf Ihre Wege sendet

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Dr. Waltraut Barnowski-Geiser, Lehrende in Schulen, Hochschulen und therapeutischen Ausbildungsgängen. Leiterin der BEL-Kids-Projekte, Autorin. Publikationen zum Foschungsschwerpunkt familiäre Belastung u.a. Hören, was niemand sieht;  Vater, Mutter, Sucht und Meine schwierige Mutter, gemeinsam mit Maren Geiser-Heinrichs

Wider den Weihnachtswahn: Notfallgedanken für Festtage mit schwierigen Angehörigen

Gerade, wenn der Frieden in der Welt bedroht scheint, wird die Sehnsucht nach einem friedvollen Ort unendlich groß: ihre Familie, so wünschen die meisten Menschen, sollte ein solcher Ort sein. Ein Ort, an dem sie geliebt werden, so wie sie sind, ein Ort, an dem sie sich wohlfühlen können, wo Resonanzen aufrichtig schwingen, ein Ort, an dem Frieden wohnt. Waren und sind jedoch die Beziehungen zu den Eltern schwierig und stark 20160117_132431belastet, sogar mit Leiden angefüllt, dann wird der Besuch dieses Ortes oft als Gegenteil  erlebt: als Kriegsschauplatz etwa oder als ungeselliger rauer Ort,  an dem, so beschreiben es Betroffene, man keine Luft bekomme, die Atmosphäre  wie zum Zerreißen gespannt sei etc. Gerade Festtage, wie das bevorstehende Weihnachtsfest, die gemeinhin für Gemeinsamkeit in Harmonie stehen, können dann zu einer großen Belastung werden. Insbesondere, wenn bereits schwere Wunden entstanden sind, werden die anstehenden Begegnungen nicht als Freude, sondern als schwere Lasten empfunden. Betroffene fühlen sich gefangen in einem Hamsterrad der offenen Rechnungen Mehr lesen

Was Betroffene  bei Feiertagsbegegnungen mit ihrer belasteten Herkunftsfamilie in Therapien als hilfreich beschreiben, habe ich für Sie in 5 Punkten zusammengefasst: (diese Hilfen sind allerdings nur dann erfolgreich, wenn die Situation nicht völlig verfahren ist)

1 Klar sehen und Akzeptieren

Schon zum 1. Schritt gehört viel Mut: Akzeptieren Sie und sehen Sie klar, dass Ihre Herkunfts-Familie genau so ist wie sie ist. Ihre Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Reden Sie sich die Situation nicht besser oder schöner als Sie ist (und dramatisieren auch nicht unnötig, indem Sie in die Hilflosigkeit Ihrer Kindheit zurückfallen), um dann wieder und wieder Ungutes zu erleben, etwa wieder von einem Elternteil „angefallen“ zu werden: eigentlich wissen Sie, worauf Sie sich einlassen und können heute vorbauen. Einen besseren Experten für Ihre Familie gibt es nicht: nutzen Sie Ihre Expertise, werten Sie Ihre Erfahrungen aktiv aus! Durchblick kann Sie schützen.

2 Dosieren

Fragen Sie sich vorher: Wieviel Zeit kann ich in meiner Herkunftsfamilie zubringen, ohne  im Anschluss „völlig auf dem Zahnfleisch zu gehen“?…Dann ist es gut möglich, dass Sie bei ehrlicher Antwort nur zwei Stunden statt zwei Tage verkraften. Sorgen Sie für eine angemessene Dosierung oder mindestens für Auszeiten, in denen Sie „raus“ sind, etwa allein spazieren gehen,o.ä.

Auch vielleicht schon lange anstehende Großkampf-Auseinandersetzungen sind selten ein passendes Feiertagsprogramm…

3 Verbinden

Verbündete suchen, mit denen sie sich austauschen können, vorher und nachher oder auch am Telefon während des Besuches. Schauen Sie, mit wem Sie angenehmen Kontakt erleben, vielleicht mit den Kindern Ihrer Geschwister…Sie können heute bestimmen, wem Sie sich verstärkt zuwenden möchten. Wählen Sie nach Möglichkeit Menschen aus, die im Rahmen des Möglichen gut tun. Sind Sie allein mit einem schwierigen Elternteil, so kann es sinnvoll sein, Telefonverbündete vorher zu informieren und Kontakt im Dazwischen sicherzustellen…

4 Distanzieren

Aktivieren Sie Ihren inneren Beobachter, so wie Sie es in Meditationen und Kontemplationen auf diesen Seiten schon geübt haben.Eine wichtige Brücke dabei ist die Konzentration auf den eigenen Atem. Wenn Sie merken, dass  Sie sich unwohl fühlen, gehen Sie mit Ihrer Achtsamkeit zu sich selbst und verankern sich in Ihrem Atem. Kreative Menschen nutzen solche Situationen teils, um sie später als Geschichten zu schildern…manche Satire konnte so entstehen…auch Humor und ein humorvoller Blick kann eine  Distanzierungshilfe sein.

5 Umgestalten

Aktiv neu gestalten: Neue Feierformen ( etwa mit Freunden und Familie gemeinsam feiern oder an einem anderen Ort, an ungewöhnlicher Location), die ihnen mehr entsprechen.. Dies zeigte sich als ebenso hilfreich wie das Verändern von alten unguten Verhaltensweisen. Wenn Sie sich in ihrer alten Rolle und einem Familien-Muster gefangen fühlen ( „Du hast doch immer gute Laune!“ und dabei immerzu „schlucken, um harmonisch sein“..) kann es ein erster Schritt sein, ein bisschen anders zu agieren, auch mal zu zeigen, wenn Ihnen etwas nicht passt. Hier kann auch helfen, ein inneres Team zu aktivieren. Kleine Dinge können verändernd wirken: legen Sie Musik auf, die sie gern mögen, unterhalten Sie sich mit einem Familienmitglied, mit dem es sonst kaum möglich scheint

Natürlich kann in bestimmten Fällen ( insbesondere wenn die Eltern kooperations-und bindungsfähig sind) Ihre Einstellung, mit der Sie an den Besuch herangehen, einen wichtigen Beitrag leisten, etwa indem Sie Erwartungen von vorneherein reduzieren und Enttäuschungen vermeiden. Herr N., 32 Jahre, erzählt:

Ich weiß jetzt, dass ich nie die emotionalen Eltern haben werde, die ich mir gewünscht habe, aber ich bin dennoch dankbar für die Versorgung und das, was sie mir als kleines Kind, bevor ihre psychischen Probleme und Ehestreitigkeiten überhand nahmen,  gegeben haben. Ich werde versuchen, mit diesen sozialen, versorgenden Eltern in Kontakt zu bleiben – seit ich meine emotionalen Erwartungen an meine Eltern aufgegeben haben, empfinde ich nach einer Phase der Trauer nun endlich inneren Frieden.“

Ein Hinweis zum Schluss für traumatisierte Erwachsene: Wurden Sie durch Ihre Familie  traumatisiert, so muss ein Besuch äußerst gut überlegt, vorbereitet und dosiert sein: körperliche Symptome und psychische Gereiztheit sind dann oftmals Belastungssymptome, die sich unter Kontakt mit den Menschen, die ihnen Schlimmes angetan haben, verständlicher Weise verstärken. Dann gilt es, Ihre Symptome zu verstehen und übersetzen, sich ihrer anzunehmen anstatt sich zu bezichtigen, „unnormal“ zu sein.

Ich wünsche Ihnen gute, sinnerfüllte und friedliche Weihnachtstage.

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

I

Neujahrsgrüße

Ich freue mich, dass diese Seiten, auch wenn die Beiträge in großen Abständen erfolgen, so eine große Leserschaft erreichen. Danke auch für die persönlichen Fragen und Rückmeldungen, die über das Kontaktformular eintrafen: Mögen die wunderbaren Worte der Dichterin Hilde Domin Ihnen Mut machen, gerade wenn es nicht leicht ist für Sie gerade,und Sie und die Ihnen lieben Menschen ins und im Neuen Jahr begleiten – das wünscht von Herzen

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

 

Schweigen – das stumme Leiden in belasteten Familien

Schweigen kann viele Gesichter haben. Während das Miteinanderschweigen in einer guten Atmosphäre des Miteinanders ein Ausdruck tiefer Verbundenheit sein kann, oder eine schweigende Gemeinschaft in einem Retreat Erholung und Getragensein ermöglicht, kennen viele Kinder belasteter Eltern besonders die Schattenseite des Schweigens: Schweigen in eisiger und gespannter Atmosphäre. Ein oftmals unbemerktes und unerkanntes Schreckensgesicht ihrer Kindheitstage, kommt es doch leise daher, ist kaum sichtbar und wird leicht überhört. Diese Kinder erinnern sich mit einem Schaudern an dieses in ihren Ohren dröhnende „eisige Schweigen“, oftmals eines Elternteils, an emotionale Kälte, die die gesamte Atmosphäre bestimmt, ihr zu Hause bewohnt und sich irgendwann in ihnen selbst niederlässt, zur unangenehmen inneren Heimat wird. Wenn die Mutter die Schweigende ist, so wird dies oft besonders schmerzlich erlebt, wenn diese von Beginn des Lebens an die meiste Zeit mit den KIndern verbringt und ihr Schweigen womöglich erpresserisch, machtvoll oder anderweitig nachteilig einsetzt

Wer zuerst spricht, hat verloren – Macht und Kontrolle durch Schweigen

Wenn Eltern beispielsweise selbst als Kinder wiederholt Ohnmachtserfahrungen machen mussten, dann sind sie gefährdet, Schweigen in ihrer elterlichen Rolle als Machtmittel einzusetzen. Schweigen wird dann zum Mittel durch das Kontrolle über andere ausgeübt wird. Die Familienmitglieder werden etwa solange ignoriert, „bekommen“ keine Worte, bis sie wieder so funktionieren, wie es dieser Elternteil erwartet. Der so agierende Elternteil siegt  so über seine eigene als Kind erlebte Ohnmacht, indem er nun Macht über die Kontaktgestaltung seiner Familienmitglieder ausübt. Er oder sie bestimmt, wann gesprochen wird und wann nicht. Schweigen wird manipulativ eingesetzt, kindliche Abhängigkeit sträflich missachtet und ausgenutzt

Wenn Krankheit stumm macht…und Kinder ins Leere laufen
Manchmal ist Schweigen Teil einer Erkrankung: maipulatives Schweigen tritt etwa bei narzistisch und borderlinestrukturierten Menschen als Teil der Störung auf. In der elterlichen Depression begegnen Kinder einer anderen Form des Schweigens: die mit der Erkrankung oft einhergehende Teilnahmslosigkeit prägt dann auch die Interaktionen zwischen Eltern und Kind. Dies  führt dazu, dass Reaktionen auf kindliche Fragen ausbleiben, kaum Einfühlung und Mitgefühl ausgedrückt wird, Kinder wiederholt ins Leere laufen. Dem depressiv Erkrankten ist dies meist nicht bewusst. Wird es ihm doch bewusst, verursacht es ihm weitere Schuldgefühle, die in der Erkrankungszeit schwer aushaltbar sind. Kinder von erkrankten Eltern brauchen dringend Hilfen von anderen Menschen: denn wenn Kinder diese Leere-Erfahrungen über längere Zeit und in den ersten Lebensjahren machen müssen, kann das nachhaltige Auswirkungen für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung haben, die weit in das Erwachsenenalter hineinreichen, hier insbesondere als Selbstwert-und Bindungsprobleme oder auch als quälende Einsamkeitsgefühle

Kollektives Schweigen: wenn das Tabu das Zepter schwingt

Besonders dramatisch ist das kollektive familiäre Schweigen, wenn einem Familienmitglied ein großes Leid zugefügt wird und darüber geschwiegen wird, wenn Missbrauch oder Gewaltanwendung durch Eltern stillschweigend geduldet wird, wenn das Wahren des Tabus stärker zählt als die Würde des betroffenen Kindes. Die Missbrauchs- oder Gewalterfahrung ist das eine, die fehlende Unterstützung durch die anderen Familienmitglieder, so beschreiben es Betroffene, ist eine weitere Quelle des Leidens, die teils traumatisch erlebt wird. Ebenso leiden oftmals Geschwisterkinder, die in ihrer Hilflosigkeit Gewalt mitansehen müssen und dem familiären Tabu stillschweigend verpflichtet werden. Der Nachhall in das erwachsene Leben ist gewaltig. Kinder in  tabuisierenden Familien brauchen achtsame Menschen außerhalb des direkten Familiensystems, die in Loyalität die Wahrnehmung der KInder stärken, eine Zuflucht außerhalb anbieten, und zunächst das Schweigen der Kinder respektieren. Manche finden diese Personen erst als Erwachsene, manche müssen aus ihren Familien genommen werden. Andere leiden insbesondere unter elterlicher Gewalt, wenn Eltern pflegebdürftig und zugleich machtvoll werden. Auch triggern neuerliche Bedrohungsszenarien die erlebte Hilflosigkeit aus Kindheitstagen.

Wenn Leid stumm macht – Leben mit traumatisierten Eltern

Auch Kinder traumatisierter Eltern beschreiben Erfahrungen mit elterlichem Schweigen: so müssen sie etwa erleben, dass die Eltern über erlebten Schrecken verstummt sind und/oder Teile von sich abspalten (in der Fachsprache auch dissoziieren genannt). Sie sprechen partiell nicht oder verstummen, wenn bestimmte Themen oder Gefühle zur Sprache kommen (tragisch eindrücklich etwa bei Kriegsgeschädigten zu beobachten). Ein Beispiel einer solch nachhaltigen Auswirkung und die damit verbundenen Folgen für das Kind beschreibt der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil eindrucksvoll in seinem autobiografischen Buch Die Erfindung des Lebens.

Wenn Vater da war, war jedoch alles viel einfacher, ich war dann erleichtert, weil ich dann nicht mehr allein auf Mutter aufpassen musste. Immerzu befürchteten Vater und ich nämlich, es könnte ihr etwas zustoßen…Ich wusste aber, dass so etwas früher einmal passiert war, und ich wusste auch, dass es etwas ganz besonders Schlimmes gewesen sein musste…gegenwärtig war die Vergangenheit in Mutters Stummsein.“ ( S. 13/14)

„…als wäre ich in meinen ersten Lebensjahren wahrhaftig nur mit zwei Menschen in Berührung gekommen und hätte in einer Art verschwiegenem Geheimbund mit nur den notwendigsten Außenkontakten gelebt.“ (S.43)

„So war die Welt der Kleinfamilie Catt damals, in den frühen fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, auf eine beinahe unheimliche Weise geschlossen, und jeder von uns wachte mit all seinen Sinnen darüber, dass sich daran nichts änderte (S.16)

Wie Worte erlösen können

In der Kindheit erlebtes Schweigen bleibt nicht folgenlos. Wer über Jahre und manchmal gar Jahrzehnte ins Leere gelaufen ist, ist oftmals stark selbstverunsichert. „Ich bin unattraktiv… Ich bin langweilig… Ich bin es einfach nicht wert, dass andere auf mich reagieren…lauten dann  Selbstzuschreibungen im Erwachsenenalter. Das Schweigen aus der Kindheit kann weiteres Leiden in den Partnerschaften der derart Aufgewachsenen verursachen. Oftmals ziehen sich derart Betroffene wie in einem unguten Schlüssel-Schloss-Prínzip an, sie finden exakt diejenigen, mit denen sie dieses schweigende Kindheitsdrama wiederholen. Manche nehmen unbewusst das schweigende Elternteil zum Modell, etwas, was sie partout vermeiden wollten: sie werden selbst zu schweigenden Partnern, schweigenden Vätern oder schweigenden Mütter.

Sie fühlen sich betroffen? Wenn Sie um Ihre eigenen Worte schwer ringen müssen, können kreative Wege für sie ein Mittel der Wahl sein. Dazu finden sie auf deisen Seiten einige Anregungen. Wenn Sie um die Worte eines anderen Menschen bis heute kämpfen müssen, sich gar durch Wohlverhalten Worte „erst verdienen“ müssen, dann sind sie und ihre Seele an diesem Ort nicht gut aufgehoben. Wenn Ich-Botschaften wie „Ich leide, wenn du nicht mit mir sprichst!“, ohne jeden Nachhall ins Leere verklingen, ist Unterstützung von anderen Menschen sicher hilfreich und von Nöten: Sie sind heute kein Kind mehr, Sie sind nicht abhängig wie früher (auch wenn sich das manchmal so anfühlt). Durchbrechen Sie die Kette: sprechen sie Worte, suchen sie „Erlösung“ – bei anderen, die Ihnen gern Ohren und Worte schenken.

(Text in Anlehnung an Geiser-Heinrichs/Barnowski-Geiser (2017): Meine schwierige Mutter)

Produkt-InformationBuchdeckel „978-3-608-86121-1

Mutmacher für Krisenkinder: Wie elterlicher Dauerstress in der Kindheit unser Hirn als Erwachsene beeinflusst und was wir dennoch tun können

Text in Anlehnung an: Meine schwierige Mutter/2017.

Krisenkinder

Die schlechte Nahricht, die Ihnen als Betroffene sicher bereits bekannt ist, vorab: Kinder, die dauerhaft Krisen  ihrer belasteten Familien ausgesetzt sind, können massive Folgen davontragen; diese Folgen sind teils messbar an ihrem Serum-Cortisolspiegel und in Hirnstrukturen,  können sie doch neuronale Strukturen des Hippocampus, der Amygdala sowie des Corpus Callosum zerstören. Verursacht werden zum Teil organisch begründbare Regulationsstörungen, später auch komplexe Störungen von Lernen, Emotionen und Verhalten (Trost 2003). Auch wenn dieser Zusammenhang von neuronaler Schädigung für betroffene Kinder in quantitativen Untersuchungen noch nicht hinreichend untersucht ist, muss vermutet werden, dass Gehirne von Kindern aus belasteten Familien durch das emotionale Klima ihrer Familien stark geprägt sind. Es steht zu befürchten, dass lang andauernde wiederholte Belastungen der familiären Umwelt neuronal entsprechend verankert werden und diese‚ emotionalen Straßen’ auch dann aufgesucht werden, wenn es nicht mehr von Nöten ist. Dies zeigte sich bei denjenigen erwachsenen Personen, die bis ins hohe Alter keine Auflösung des familiären Tabus erfahren hatten, bei denen sich etwa Suchtbelastung durch etliche Jahrzehnte zog und auch im Erwachsenenalter lebensbestimmend blieb. Es scheint in diesem Fall schwer zu sein, eingefahrene Hirnstraßen zu verlassen (etwa die der Angst und Ohnmacht) und neue Straßen (Freude,Hoffnung etc.) zu befahren. Damit kann ein wesentlicher Faktor zur Orientierung in der Welt durch das familiäre Erleben maßgeblich negativ beeinflusst werden. Sogar genetisch scheinen diese Erfahrungen Spuren zu hinterlassen (In jüngerer Zeit wurde an Mäusen nachgewiesen, dass die Gene bei Nachkommen traumatisierter Mütter in Mitleidenschaft gezogen waren; sie zeigten sich als weniger Stressresistent und verzweifelter in eigenen Krisensituationen). Muss ich das wissen, denken Sie nun vielleicht, das ist doch nur traurig. Ich finde, ja, sie sollten sich mit diesen Dingen auseinandersetzen, um sich selbst ein Stück besser zu verstehen. Erst, wenn wir verstehen, warum wir wurden, was wir sind, können wir einen ZUgang zu unserer wahren Identität bekommen: im anderen Falle, wenn wir Altes nur unerkannt abspalten, drohen wir uns selbst fremd zu bleiben.

Hirne sind nutzungsabhängig: warum Kinder mit familiärer Belastung leicht ängstlich werden

Schauen wir weiter aus neurowissenschaftlicher Perspektive. Versuchte Erklärungen müssen im Angesicht der hochkomplizierten  Vorgänge in unseren Hirnen unverschämte Vereinfachungen bleiben…versuchen wir dennoch eine Annäherung: Außenwelt hinterlässt Spuren in der Innenwelt. Neurologisch spricht man hierbei von inneren Repräsentationen der Außenwelt. Auch die Repräsentationen unserer Gefühlswelt (neurowissenschaftlichen Untersuchungen u.a. von Braun, Spitzer) spiegeln  erlebte Erfahrungen. Unsere Gefühlswelt ist erlernt, vor allem in sozialer Erfahrung. Befinden, Stimmungen und Gefühle sind bei Kindern aus belasteten Familien stark in Mitleidenschaft gezogen. Kinder lernen etwa: „Wenn Papa trinkt, gibt es Ärger für mich!“ Wird diese Erfahrung wiederholt gemacht, wird diese Erfahrung auch neuronal verschaltet: sie bildet eine Hirnspur. Je öfter diese Erfahrung gemacht werden, umso tiefer gräbt sich diese Spur im Hirn ein, sprich: Kinder entwickeln Ängste ( eine Hirnautobahn „Angst“) und weitere mit diesem Erleben verbundene Gefühle werden nutzungsabhängig verschaltet. Aus dem Kind, das in einer Szene Angst hat, wird bei dauerhafter Wiederholung, leicht ein überängstliches Kind: insbesondere dann, wenn, wie oft in tabuisierenden Familien, das Gefühl des Kindes nicht benannt und besprochen werden darf, das Kind folglich keine angemessene Unterstützung in Form von Trost oder Halt erfährt. Das Befinden Betroffener wird durch dieses kindliche Krisenerleben geprägt, das Gehirn entsprechend gebaut – auch als Erwachsene, wenn das Elternhaus längst verlassen wurde, sind diese grundlegenden Verschaltungen angelegt. Es ist also nachvollziehbar, dass ein in der Kindheit entsprechend „verschalteter“ Erwachsener, der die Spur Angst zu einer regelrechten Autobahn im Kopf entwickelt hat (Formulierung in Anlehnung an Hüther), auch als Erwachsener schnell auf eben dieser Autobahn landet. Denkweisen, Selbstbild, Körpererfahrung usw. sind neuronal verschaltet: sie bilden ein Erlebens- Panorama im Jetzt, das im familiären System erlernt wurde.

Unterwegs auf der Hirnautobahn Gefühl

Gefühle sind neuronale Repräsentationen „Wir werden oft von den Gefühlen unbemerkt gesteuert.“ , sagt der Hirnforscher Spitzer schon vor einem Jahrzehnt. Emotionen bieten Kindern Orientierungshilfe beim Zurechtfinden in einer komplizierter werdenden Welt. (Spitzer 2003) Werden anstehende Probleme angemessen gelöst, stellt sich ein gutes Gefühl ein, das sich im Gehirn verankert. (Hüther 1999) Je früher diese Verschaltung erfolgt und je häufiger sie bei Belastungen und Herausforderungen aktiviert wird, umso stärker ist der Bahnungsprozess im Gehirn. Welche Verschaltung zu einem Gefühl gebahnt wird, hängt von subjektiven Empfindungen ab. „Mit jeder erfolgreich bewältigten Belastung, jeder bestandenen Herausforderung wird unter dem Einfluß der bei der kontrollierbaren Streßreaktion stattfindenden Aktivierung des noradrenergen Systems das jeweils empfundene Gefühl in Form von bestimmten dieser Empfindung zugrunde liegenden neuronalen Verschaltungen im Gehirn verankert.“ (Hüther 1999, S.69) Aber auch Belastendes und wiederholt nicht Bewältigtes wird im Gehirn als Trampelpfad abgespeichert. „Emotionale Verunsicherung führt zur Aktivierung limbischer und anderer stress-sensitiver neuro-endokriner Regelkreise und zwingt das Kind, nach geeigneten Strategien zur Wiederherstellung seines emotionalen Gleichgewichtes zu suchen. Einseitige, unbalancierte Bahnungsprozesse führen zwangsläufig zu defizitären Entwicklungen in anderen Bereichen (Wahrnehmung, Motorik, Lernverhalten, Motivierbarkeit, Sozialverhalten). (Trost 2003, S.60) Auch wiederholte Traumatisierungen wirkten nachhaltig destabilisierend auf die neuro-endokrinen und vegetativen Regelkreise.

Gefühle zwischen Ich und Du

Gefühle entstehen im sozialen Raum: Kinder und Erwachsene aus belasteten Familien fühlen nicht an sich, ängstigen sich nicht an sich, sind nicht an sich leer, schuldig, sondern ihre Gefühle sind Repräsentanten und zugleich Träger ihrer sozialen Beziehungen, sprich ihren belasteten Eltern oder Geschwister.

Gefühle werden in einer leibtherapeutischen Sicht sowohl in ihrer Leiblichkeit in Bezug aus Körper, Seele und Geist angesehen, als auch in ihrer Räumlichkeit aufgefasst, in letzterer insbesondere in ihrer Rückbeziehung auf das Subjekt. Psychiater und Leibphilosoph Thomas Fuchs: „Wie beim Tasten (‚Fühlen’) Empfinden und Selbstempfinden ineinsfallen, so ist das Gefühl als Gegenstandsbeziehung zugleich ein Selbstverhältnis, also Fühlen und sich-Fühlen in einem (sich fürchten, sich schämen, sich freuen). Die Furcht oder Angst vor (…) bedeutet auch Furcht oder Angst um mich selbst oder mein Leben. Die Scham vor den anderen ist zugleich die Scham über mich. Im Gefühl ist das Selbst sich nicht gegenständlich, als sein eigenes Objekt, sondern zuständlich, erleidend gegeben, als Subjekt affektiven Betroffenseins.“ (Fuchs 2000) Es lässt sich folgern, wie die sogenannte Zwischenleiblichkeit wirken kann: Betroffene aus belasteten Familien können innerlich derart verwoben sein mit erkrankten Angehörigen, auch und gerade in der Entwicklung ihrer eigenen Gefühlswelt, dass kaum noch eine Unterscheidung zwischen Ich und Du erlebt wird, weder leiblich noch räumlich. Die Gefühle der Eltern wabbern als Atmosphären in den Raum, für die Kinder kaum noch unterscheidbar, wo ihre eigenen Gefühle anfangen, wo sie teil einer Atmosphäre sind. „So werden Gefühle auch zu Indikatoren für die Qualität der Beziehung, in der die anderen Menschen und die Sachverhalte unserer Welt zu uns selbst stehen.“ (Fuchs) Es entsteht ein typischer Schwingungsraum zwischen Eltern und Kindern. Die gelungene oder misslungene Affektabstimmung und der Aufbau von Gefühlen ist maßgeblich für den Aufbau von weiteren Beziehungen. „Gefühle werden im Ausdruck, als Ausstrahlungen, Gesten und Handlungen ‚entäußert’, um so ihrerseits Gefühle in anderen zu induzieren. Ohne dass wir und dessen immer bewusst wären, wirken umgekehrt die Gefühle und Haltungen der anderen ständig auf unsere eigenen ein. So bilden Gefühle einen Raum mannigfaltiger Schwingungen, die sich ausbreiten und ein Eigenleben entwickeln, obwohl sie doch zugleich das persönlichste in uns sind.“ (Fuchs 2000) Also vereinfacht: was wir an Beziehungserfahrung gemacht haben, das wohnt in uns und das geben wir auch in irgendweiner Weise an andere weiter.

Tabu, Geheimnis, Gefühl

Wenn das, was Kinder aus belasteten Systemen bewegt, nicht besprochen werden darf,  nicht nach Außen dringen darf, verstärkt das Stress und Belastung. Zudem verfestigt sich eine Spaltung zwischen  innerem Erleben und dem nach Außen Gezeigten. Viele Kinder können folglich irgendwann nicht mehr unterscheiden, was sie im Angesicht der familiären Tabuisierung fühlen sollen und was sie tatsächlich erleben und fühlen. Gefühle werden zu Leerstellen des Erlebens oder mutieren zu diffusen Grundstimmungen. Dies kann zu einem chronifizierten schlechten Befinden führen, das sich die Betroffenen selbst nicht erklären können. Die erzwungene Verleugnung ihrer realen Lebenssituation (etwa die Drogensucht der Mutter) geht in der Regel so weit, dass sie sich sogar vorwerfen, sich grundlos schlecht zu fühlen. Dieses auf den ersten Blick paradox erscheinende Phänomen ist jedoch bei genauerer Sicht auf die belastete Biografie nachvollziehbar.

Stress und Krankheit

Viele kennen es aus eigener Erfahrung: Man wird zur anstehenden Prüfung nicht krank, aber kurz danach. Interessante Erkenntnisse hierzu liefert die Psychoneuroimmunologie: In der Stresssituation selbst ist ein Hochfahren des Systems erforderlich, eine Aktivierung des Immunsystems erfolgt. Ein Schutzsystem wird aufgebaut, da Entzündung  nun gefährlich wäre. Es erfolgt eine Corstisolausschüttung im Körper. Cortisol supprimiert die zelluläre Immunaktivität, die uns vor viralen Infekten schützt. Und so findet man der Harvard University Zusammenhänge: bei Überforderung und Stress fordert das Zwischenhirn an, in den Nebennieren Adrenalin zu produzieren. Es erfolgt also eine Verteidigung auf körperlicher Ebene, Erregung wird gedämpft. Chronischer Stress dämpft in der Folge Immunabwehr und zelluläre Abwehr. Folge waren eine Reihe von Anfälligkeiten: die Versuchspersonen zeigten sich  Grippe-und Herpesanfälliger, anfälliger für Neurodermitis-und Autoimmunerkrankungen sowie Allergien. Dies konnte auch an Kindern stressbelasteter Mütter nachgewiesen werden.Man fand beispielsweise Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen im Kindesalter und Rheumaerkrankungen im Alter. Biochemische Vorgänge sind komplex. Der Zusammenhang zwischen Stress in der Kindheit und späterer Krankheit lässt sich heute erklären: Das überforderte System ist irgendwann erschöpft. Es kommt zu vermehrten Entzündungen, was zu schweren Erkrankungen wie Rheuma, Krebs usw. führen kann (hierzu auch Christian Schubert, Innsbruck, Integrativer Therapeut und Psychoneuroimmunologie/Psychotherapie- Integrierte Medizin).

Denken wir die vorangestellten Forschungen für Erwachsene aus belasteten Familien weiter, so wird deutlich:

  • es besteht ein Zusammenhang zwischen emotionalen Belastungen in Kindheitstagen und emotionaler Befindlichkeit im Erwachsenenalter
  • es besteht ein Zusammenhang von wiederholten stressenden Kindheitserfahrungen und chronischen/schweren Erkrankungen im Erwachsenenalter.

Eine große Belastung der Lebensqualität von Menschen mit belasteter Kindheit erschent  evident.

„Help…I need somebody“

In der Überschrift, hier mit einem Oldie der Beatles, wird kurz auf den Punkt gebracht, was wir Kindheitsbelastungen, Stimmungs-und Befindlichkeitstörungen entgegensetzen können: Hilfe suchen und annehmen, die Verbindung und Zuwendung von anderen, nahestehenden Menschen… also können wir etwas tun!

Fasst man die vorab geschilderten Forschungsergebnisse zusammen, so sind die Belastungen und Folgen bei Kindheitsbelastungen hoch einzustufen. Und dennoch eine gute Nachricht aus der Forschung:  es gibt Stärkendes! Widerstandskräfte, die uns schützen, sogenannte Resilienzen. Resilienzen sind also das, was uns stark macht.  Resilienzen sorgen dafür, dass viele Menschen mit Kindheitsbelastungen eben auch nicht erkranken. Eine bedeutsame stabile Beziehung im Umfeld eines aufwachsenden Kindes ist eine solch hochwirksame Resilienz. Sind Erkrankungen vorhanden, zeigten sich etwa Meditation und soziale Anbindung als hochwirksam. Vernetzen und andere Menschen mit ins Boot Holen zeigt in allen Lebensphasen Wirkung. Nervensystem und Immunsystem können einander verständigen, dies können wir für uns nutzen. Decartes Dualismus hat lange Medizin bestimmt. Aber neuere Forschungen überprüfen, wie Gehirn und Immunsystem zusammenhängen und es wird deutlich: sie sind in ständigem Austausch. Ein gestresstes Gehirn beeinflusst das Immunsystem, somit gilt auch die Umkehrung: ein entspanntes Gehirn entlastet den Körper. Körper und Geist sind eine Einheit, was ganzheitliche, integrative, leiborientierte, kreative und komplementär-Medizin für Betroffene auf den Plan ruft. Basis bildet weiterhin die Schulmedizin. Gute Erfolge ließen sich auch durch kognitive Umstrukturierung erzielen, also problematische, dysfunktionale Gedanken, etwa durch einen anderen Gedanken zu ersetzen ( wie es in einigen Religionen und Philosophien auch seit Jahrtausenden gelehrt wird)…  Selbstheilung können Sie aktiv unterstützen. Sogar ein EEG kann signifikant verändert werden. Sie können durch Ihre Lebens-und Denkweise Einfluss nehmen.

Ein wichtiger Faktor: eine soziale Umgebung, ein Feld der Hoffnung und Zuwendung (teils Liebe genannt ), im Idealfall im eigenen Zuhause. Der Satz: „Ich kann gesund werden!“, oder: „Ich kann meine Kindheitswunden überwinden!“ gehört zur hochwirksamen Einstellung, die Veränderung möglich werden läßt. Hilfe für Betroffene muss individuell erfolgen, spezifisch zugeschnitten sein: sie benötigt mindestens einen wohlwollenden Anderen. Immer sollte sie Anregung zur Selbsttätigkeit beinhalten (hierzu auch das AWOKADO-Selbsthilfe-Programm in Vater, Mutter, Sucht 2015 und Meine schwierige Mutter 2017).
Glauben wir der Psychoneuroimmunologie, so helfen Krisenkindern bei der schwierigen Bewältigung vor allem: Optimismus, stabile Sozialkontakte, ein guter Alltag und körperliche Nähe.

Filmbeitrag Selbstheilungskräfte und Psychoneuroimmunologie

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=41334

Fuchs, T. (2000). Leib-Raum-Person. Entwurf einer Phänomenologischen Anthropologie. Stuttgart: Klett Cotta.

Fuchs, T. (2008): Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. Stuttgart: Kohlhammer.

Hüther, G. (1999): Biologie der Angst. Wie aus Stress Gefühle werden. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Lammel, U. A. (2007). Phänomenologie einer Jugendkultur in den 90er Jahren und Anfragen an Soziale Arbeit in Praxis und Ausbildung. In H. Petzold, P. Schay, P. & W. Ebert (Hg.), Integrative Suchttherapie. Theorie, Methoden, Praxis, Forschung (2. Aufl.) (S. 17-63). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Michaelis, K. & Petzold, H. (2010). Zur Situation von Kindern suchtbelasteter Familien aus Sicht der integrativen Therapie. Integrativ-systemische Überlegungen zur Entwicklung von Risiko und Resilienz bei Kindern mit suchtkranken Eltern. Integrative Therapie, 36 (2/3), 252-280.

Orth, I. ( 2012): Unbewusstes in der therapeutischen Arbeit mit künstlerischen Methoden,kreativen Medien – Überlegungen aus der Sicht „Integrativer Therapie“ in Polyloge, Internetzeitschrift der EAG-FPI.

Spitzer, M. (2002). Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum.

Trost, A. (2003). Interaktion und Regulation bei suchtkranken Müttern und ihren Säuglingen. In Landschaftsverband Rheinland, Dezernate Gesundheit und Jugend/ Landesjugendamt (Hg.), Suchtfalle Familie?!. Forschung und Praxis zu Lebensrealitäten zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Dokumentation der gemeinsamen Fachtagung der KFH NW, Forschungsschwerpunkt Sucht, und des Landschaftsverbandes Rheinland, Dezernate Gesundheit und Jugend/Landesjugendamt. Köln.

 

Beste Herbstgrüße sendet Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

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Wenn „immer Karneval ist“ und aus „falsch“ „richtig“ wird: wie Erfahrungen mit (sucht-)belasteten Eltern Ihre Bewertungen beeinflussen

„Bei uns zu Hause ist immer Karneval!“, lacht der Kleine (von seinen Lehrern in die Beratung geschickt wegen fehlender Impulskontrolle und unangemessenem Verhalten gegenüber seinen Mitschülern) und beschreibt damit treffend, wie seine Sucht-Familie lebt: mit ständig wechselnden Regeln, die, wenn Papa trinkt, komplett außer Kraft gesetzt sind, alles ist erlaubt… um diese Regeln allerdings dann, wenn der Vater mit dem Trinken aufgehört hat, unter Strafandrohungen wieder einzufordern. Wertungen und ethische Prinzipien werden hier immer wieder in Frage gestellt. In seiner Familie, so erzählt Herr S., Sohn eines Alkoholikers, seien alle Werte vom Alkohol bestimmt gewesen: Menschen wurden als „gut“ eingestuft, wenn sie viel Alkohol anboten und tranken, Nichttrinker galten als zu vermeidende schlechte Menschen- sie provozierten den Vater und wurden folglich gemieden. Solche Erzählungen von Betroffenen muten teils absurd an: und genau diese Absurdität stellt die Lebenswelt der Kinder und erwachsenen Kinder aus belasteten Familien dar.

Die dritte Säule der Identität, die die Normen und Werte betrifft, ist somit, wenn derartige Belastungen sich durch die gesamte Kindheit oder mehrere Jahre ziehen,  stark beeinträchtigt. Betroffene wissen in der Folge nicht mehr, was richtig und falsch, was gut oder schlecht ist: ihre eigenen Bewertungen schwappen ähnlich unsicher hin und her, wie sie es vormals bei ihren Eltern erlebt haben. Vielleicht ist falsch ja richtig, fragen sie sich, und irren kernverunsichert durch ihr Leben, jede noch so kleine kleine anstehende Entscheidung erleben sie dann als große Herausforderung.

 Nina, 17 Jahre, erzählt wie sich ihre Kernverunsicherung in den Alltag webt, hier bei ihrem Zahnarztbesuch: wegen einer  Kieferfehlstellung wurde ihr eine Zahnklammer angepasst. Sie sollte fühlen, ob diese Klammer sich nach dem Einsetzen richtig anfühle. Sie habe weinen mögen, erzählt sie, denn darauf hätte sie keine Antwort gehabt…Wie sollte Nina das auch beantworten können: ihr Kiefer hatte noch nie in der richtigen Position gestanden….Falsch ist für Nina zu richtig geworden. So verhalte es sich auch mit ihrer Gefühlswelt, beschreibt sie aufgeregt….

Wie Nina ergeht es vielen Kindern aus belasteten Familien: wenn tatgtäglich zu Hause Dinge passieren, die eigentlich unmöglich, übergriffig und unwürdig sind, diese aber keinerlei Beachtung oder Sanktion erfahren, kein Entsetzen und kein Aufschreien, keinen Trost und keinen Zuspruch, dann wird  das Übergriffige und eigentlich Unmögliche zur Normalität. Erst im Kontakt mit anderen, etwa nichtsüchtigen Familiensystemen, bemerken die Betroffenen, dass es andere Wertungen und ethische Prinzipien gibt: eine Kernverunsicherung mit großer Lebensunsicherheit ist dann oftmals die Folge. Es gibt einen Weg aus diesem Dilemma, wie sich in der Arbeit mit erwachsenen Betroffenen zeigte: sich mit  Wertvorstellungen und Sinnfragen aktiv zu beschäftigen,  eigene Werte zu definieren, zu ändern oder auch zu stärken, die eigene innere Stimme zu aktivieren, stellt dann eine Kernaufgabe für Betroffene dar. Wenn diese angegangen wird, zeigt sich das Leben oft aus neuer, eigener Perspektive, es wird sinnig-er und stimmig-er.

Ich wünsche Ihnen eine gute Karnevalszeit, wie auch immer Sie diese gestalten. Vielleicht mögen Sie die Tage nutzen als einen Freiraum, sich mit ihren Werten zu beschäftigen…oder mit der Frage Ihrer Identität, indem Sie Papierpilgern, wenn Sie diese kreative Selbsterfahrung aus der Vorweihnachtszeit noch nicht probiert haben

In der nächsten Woche erzähle ich Ihnen zur dritten Säule der Identität gern mehr und auch zu meinem neuen Buch, das ich gemeinsam mit meiner Tochter geschrieben habe. Ich freue mich auf Sie!

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

 

Von der belasteten Kindheit zum besseren Leben-„…neu laufen lernen“

Wie besprochen soll es in dieser Woche weiter um Menschen gehen, die von sich sagen, dass es ihnen nach einer schwierigen Kindheit heute besser geht; in Befragungen schildern sie ihren persönlichen Weg. Heute möchte ich  Ihnen Frau L. vorstellen, eine Enddreißigerin, die ihren Beruf als Sozialarbeiterin aufgrund von Erschöpfungszuständen aufgeben musste. Ihre Mutter ist inzwischen trockene Alkoholikerin. Frau L. trifft diese etwa alle zwei Monate.

Vorher „Im Hamsterrad“

„…wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir selbst daran die Schuld.“

Jetzt: „Frieden“

„Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen…Ich musste ja bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten. Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.“

 Für ihre Zukunft wünscht sie sich: „Das Leben genießen“

Wie hat es Frau L. geschafft?

Wie viele Erwachsene aus belasteten Familien ist bei Frau L. im Laufe ihrer KIndheit ihre Bewertungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt worden. In Familien, in denen Werte nicht klar sind, wo „richtig“ und „falsch“ in der Sucht etwa durcheinandergehen, wo „wichtig“ nicht mehr von „unwichtig“ zu unterscheiden ist, beginnen die Kinder oftmals zu schwimmen ( übrigens auch eine nachhaltige Lernbeeinträchtigung bei Kindern, die meist übersehen wird). Die grundlegende Orientierung geht verloren. Aus  „Ich weiß nicht, was wichtig ist“ wird leicht: „Ich weiß nicht , was mir wichtig ist!“ und schließlich „Ich bin nicht wichtig!“Auch als Erwachsene tun sie sich dann mit  Bewertungen schwer: sie können kaum ein Maß für ihre Belastungen finden, wissen nicht mehr, was zu viel ist;jede noch so kleine Entscheidung bringt sie in existenzielle Nöte: „Bloß nichts falsch machen“ und bitte alles so perfekt, dass es keinen Fehler zu bemängeln gibt. Über diesen Prozess ist Frau L. erschöpft. Belastungen mussten reduziert, Entscheidungen unterstützt und begleitet werden ( man könnte diesen Prozess auch als kindliche Nachnährung bezeichnen, im Sinne des AWOKADO-Hilfe-Konzeptes wurde „Orientierung“ angeboten). So fand sie aus ihrer Starre und Erschöpfung in ein selbstbestimmtes Leben zurück.

Geben  Sie die Hoffnung nicht auf, wenn Sie mit einem belasteten Elternteil oder Partner leben oder gelebt haben: nutzen das Jetzt, um Ihren Weg neu und gut zu erträumen/imaginieren und ihn vielleicht auch bald tatsaechlich zu gehen.

Herzliche Grüße

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Corona-Auszeit: Die Begegnung mit unserer inneren Heimat

Vor der Corona-Krise haben sich viele Menschen teils sehnsüchtig gewünscht: endlich einmal Ruhe haben, niemanden hören und sehen müssen. Und nun ist plötzlich von einem Tag auf den anderen alles anders. Die Kontaktvermeidung ist staatlich angeordnet, viele Menschen sind vom Arbeiten auswärts freigestellt, alte Menschen sitzen allein in ihren Häusern. Manche von unseren LeserInnen sitzen, wie mir geschrieben wurden, in Ländern fernab der Heimat in Quarantäne, wissen noch nicht, wann sie diese verlassen dürfen und auch nicht, wann und wie sie zurück in die Heimat gelangen können. Schlimm, besonders für Kindheitsbelastete! Von hier ersteinmal mein herzliches Mitgefühl. Die augenblickliche Sizuation lässt, wie ich schon in den letzten Tagen beschrieben habe, alte Erfahrungen hochkommen: allein, mit existentiell erscheinenden Unsicherheiten konfrontiert, stehen wir plötzlich vor uns selbst: für Menschen mit Kindheitsbelastungen oftmals eine mehr als große Herausforderung. Warum fühlt es sich im inneren Zuhause quälend, leer, verloren an…andere scheinen unter der neuen Situation doch förmlich aufzublühen? Ein erster Schritt ist nach meinen Erfahrungen, uns selbst besser zu verstehen, nicht vor dem Inneren davon zu laufen, sondern erst einmal anzuschauen, was uns dort begegnet. Wird es greifbar, wandelt es sich.

Wie wir unser Elternhaus der Kindheitstage erlebt haben, hat Einfluss darauf, wie wir unser Inneres empfinden. Haben wir diese erste Heimat  als blühende Landschaft erfahren, dann haben wir diese so als guten „Wohnraum“ in uns abgespeichert. Wohlig fühlen wir uns meist von Grund aus, heimelig, gewärmt und geborgen vielleicht. Ebenso kann es, um im Bild zu bleiben, die eiskalte einsame Fjordlandschaft sein, die uns permanent ein Frösteln in die Seele treibt, ein verloren Fühlen, wie heimatlos, auf der Flucht: Stimmungsfarben, Narben und Spuren des Gestern bestimmen Ihre innere Heimat, Ihre innere Erlebenslandschaft, maßgeblich mit. Wie sieht Ihre innere Heimat  aus?…Versuchen Sie es doch einmal mit einer Landschaftsbeschreibung in einigen Sätzen…

Welcher Ton in unserer inneren Heimat vorherrscht, die Weise, wie wir mit uns sprechen, die Weise, wie wir in uns zu Hause sind, wie wir in uns wohnen, hängt nachhaltig mit unseren ersten Beziehungen, meist zu unseren Eltern, zusammen. Wie wir uns im Zusammensein mit unseren ersten wichtigen Bezugspersonen erlebt haben, prägt die Weise, wie wir uns heute erleben. Das hat Einfluss auf unser Selbsterleben und wie wir mit uns selbst umgehen.

Unsere Kindheitserfahrungen  prägen also unsere innere Heimat, nicht unveränderbar in dem Sinne, dass diese nicht mehr zu gestalten und verändern wäre. Aber das Fundament, eine architektonische Grundanlage, Stimmung und Färbung, werden uns im Zusammenleben mit uns wichtigen Bezugspersonen als Grundsteinlegung mit auf den Weg gegeben. Menschliche Gehirne sind nutzungsabhängig („Plastitzität“), auch und gerade bei Kindern: Wie Sie sich als Kind alltäglich gefühlt haben, bildete neuronale Netzwerke, das Hirn speicherte Erlebtes als Gefühlslandschaften: es gestaltete sich Ihre innere Welt. Die Summe der vergangenen Erfahrungen und der aktuellen im Jetzt bilden Ihre innere Welt, die Welt, von der aus Sie losgehen in die äußere Welt hinein. Diese innere Welt ist vorgestaltet und doch nie vollendet: Sie lässt sich immer weiter neu gestalten. Ein erster Schritt der Veränderung ist die Innenschau aus der Sicht des eigenen Beobachters: achtsam den eigenen Stimmungen zu folgen kann eine spannende Reise sein…gerade jetzt in diesen schwierigen Tagen eine lohnenswerte Reiseform. Ich wünsche Ihnen den Mut, sich selbst zu begegnen. Sie sind nicht mehr das kleine, hilflose Kind von damals, auch wenn es sich in diesem Moment, heute zur Coronazeit, vielleicht exakt so anfühlt. Also: 1. Schritt kann sein, die Gewissheit zuzulassen, dass heute etwas anders ist als zu Kindheitszeiten und Sie erwachsen etwas tun können. Sie haben schon so vieles in Ihrem Leben geschafft, auch das werden Sie bewältigen. Ihr heutiges Mantra könnte also lauten: „Ich weiß, dass ich mir selbst helfen kann!“ und „Ich werde heute zuversichtlicher denken!“ Auf diesem Weg können Sie Ihre inneren Bilder, Imaginationen, Ihre innere Weisheit ( ja, ich bin sicher, über diese verfügen Sie) unterstützen:

Stellen Sie sich eine Landschaft vor, in der Sie sich gut fühlen, malen und gestalten  Sie diese…wenn Sie noch an den Strand, in den Garten etc dürfen, sammeln Sie doch für Sie passende Materialien, gleich bei einem Spaziergang…

Wie ist es Ihnen mit der Arbeit mit Musik gestern ergangen? Noch nicht angegangen? Das „Nichts-Tun“ ist evt Teil der alten Überzeugung, dass eh nichts gehen wird, ihr innerer Sabboteur am Werke? Dann kann das für Sie im Augenblick noch nicht der richtige Zeitpunkt sein oder: Machen Sie es doch heute einfach mal für einen Tag anders!

Ich wünsche Ihnen einen Tag, mit kleinen Glücksmomenten – Sie müssen zulassen, diese dennoch wahrzunehmen.

Alles Liebe, besonders auch in die weiten Fernen und in die „strengen“ Quarantänen, wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Vergessenen Kindern eine Stimme geben-Texte zur Coa-Aktionswoche 4

Frau K., 34 Jahre:  „…Wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden“

Wenn ich auf mein Elternhaus zufahre, ist mir bis heute mulmig: ich bekomme Herzrasen, feuchte Hände, mir wird schwindlig. Ich bin seit mehr als zehn Jahren bei meinen Eltern ausgezogen und immer noch holen mich diese alten Gefühle ein. Mein Vater hat seit meiner frühesten Kindheit getrunken, in unterschiedlichem Ausmaß, man nennt das wohl Quartalstrinken. Manchmal hat er Wochen trinkend in seinem Bett verbracht, dann stand er nur auf, um sich etwas zu trinken kaufen zu gehen und dann gab es auch Wochen, in denen er nichts trank- dann wirkte er sehr depressiv, verkatert, übellaunig. Seine Stimmung war überhaupt unberechenbar: sie konnnte abrupt wechseln  zwischen übergriffig-liebevoll und gewalttätig-aggressiv.

Lange Zeit meiner Kindheit hat niemand etwas von der Sucht meines Vaters gewusst. Er ging noch einer Arbeit nach und wenn er zu betrunken war, hat meine Mutter ihn mit erfundenen Ausreden entschuldigt. Auf Familienfesten hatte ich permanent Angst: wenn seine ausgelassenene Stimmung kippte, konnte er vor allen sehr ausfallend werden. Auch erzähte er dann gern Intimes über mich und meine Freunde und gab es zum Amüsement der anderen zum Besten. Wenn ich es je wagte, mich darüber zu beschweren, wertete er mich einfach als zu empfindlich ab und meine Mutter stand ihm bei. Wenn er nicht mehr trank, tat sie so, als wäre nur „schön gefeiert“ worden. Mit meinem heutigen Wissen kann ich sagen, dass sie die klassische Co-Abhängige ist. Ihr gesamtes Leben ist auf ihn ausgerichtet – ein einziges Warten, dass er sich mit ihr beschäftigt. Wenn er nicht zur Verfügung stand, musste ich das früher übernehmen. Hörte er auf mit der Trinkerei, wurde ich wieder auf den Kinderplatz gestellt und war von ihren Unternehmungen ausgeschlossen – meine Freunde wurden misstrauisch beäugt. Schließlich sollte niemand wissen, wie es bei uns zuging. Ich habe auch sehr oft Freunde ausgeladen oder versetzt, weil es zu peinlich war, wenn jemand meinen Vater in seiner Trunkenheit mitbekommen hätte.

Oft denke ich, ich bin verrückt: wenn ich diese Körpersymptome habe und keine Erklärung dafür zu finden ist.Seit neustem habe ich  richtige Panikattacken – Hilfe geholt habe ich mir vorher noch nicht, weil ich nicht über mein Zuhause sprechen will- ich möchte meine Eltern nicht schlecht machen. Irgendwie empfinde ich das als Verrat-ich mag meine Eltern ja auch.Ich habe mir ein paar Bücher gekauft, in denen es um Sucht geht- so habe ich ein bisschen was kapiert wenigstens.

Seit ich nun selbst Kinder habe, sind die Attacken schlimmer geworden. In meinen eigenen Kindern begegnet mir so viel, was mich an schlimme Situationen aus meiner Kindheit erinnert. Dann denke ich, dass ich besser keine Kinder bekommen hätte, weil mir bestimmt ganz viel fehlt, um eine gute Mutter sein zu können. Meine Eltern fanden das nicht gut, dass ich Kinder bekommen habe- sie haben sehr bedeckt reagiert, als ich ihnen erzählte, dass ich schwanger bin. Ich glaube, sie wollten selber weiter mehr Raum in meinem Leben einnehmen und ihren exklusiven Platz nicht mit meinen Kindern teilen. Meine Mutter beansprucht mich immer noch wie ihren Besitz. Wenn mein Vater trinkt, spüre ich das sofort – es ist , als würde ich immer noch auf ungewöhnliche Weise mit ihnen verwoben sein. Das schwappt einfach durch die Luft. Wenn es schwierig ist mit ihm, ruft meine Mutter mich bis heute an und erwartet, dass ich das übernehme: ihn ins Krankenhaus bringen, einen Arzt motivieren oder auf ihn einreden, dass er aufhören möge etc. All das ist eigentlich eh sinnlos, aber ich fühle mich wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden, ich kann nicht nein sagen, wenn ich meine Eltern in ihrer Not sehe.

Vater, Mutter, Sucht – Wie erwachsene Kinder suchtkranker Eltern trotzdem ihr Glück finden.

Vater, Mutter, Kind: dieses alte Kinderspiel erfährt in Familien mit Suchtkranken eine tragische Abwandlung. Wenn Eltern suchtkrank sind, nehmen ihre Kinder einen anderen Platz ein, als es bei Kindern mit gesunden Eltern der Fall ist. Bei einem Menschen, der an einer Sucht leidet, kommt diese immer an erster Stelle. Die Sucht nimmt den Platz ein, der eigentlich den Kindern zusteht. Das Handeln des Süchtigen ist nicht auf seine Kinder, sondern auf sich und das Suchtmittel konzentriert, letzteres ist bei Suchtkranken der Dreh- und Angelpunkt. Wie und wann ist das Suchtmittel zu bekommen? Wie ist es zu vermeiden. Das sind die Fragen, die den Alltag bestimmen. Die Gedanken eines alkoholkranken Elternteils kreisen letztlich nur darum, wie er an Alkohol kommen kann, der Tablettensüchtige denkt ständig an seine Tabletten, der Drogensüchtige an seinen Stoff, der Workaholic an seine Arbeit usw. Dies bleibt nicht ohne Folgen für das System, für die Umgebung, in der Suchtkranke leben, hier vor allem für die Familien. Der Gebrauch des Suchtmittels greift in das Familienleben ein, bestimmt, wie die Mitglieder zusammen leben können oder eben auch nicht mehr.Featured image
So bekommen Kinder aus Suchtfamilien ungewollt einen Platz zugewiesen, der ihnen wenig gerecht wird. Die mit der elterlichen Sucht einhergehende Belastung wird nie mehr von ihnen weichen, denn wie eine Betroffene es ausdrückte: »Suchtkind bleibt man ein Leben lang!« Selbst wenn sie das Elternhaus schon lange verlassen haben oder der süchtige Elternteil verstorben ist: Sucht gleicht einem Zombie, der die Seelen der Kinder zu zerfressen droht – und das unbemerkt. Die Menschen aus dem Umfeld werden leicht zu Statisten, zu hilflosen Zuschauern, die unbeteiligt wegsehen, weil das Leid und die Ohnmacht zu unfassbar erscheinen, nicht begreifbar, nicht veränderbar. So sehen Erzieher/innen, Lehrer/innen und Nachbarn in der Regel untätig zu, während sich hinter den verschlossenen Türen der Suchtfamilie womöglich tagtäglich Dramatisches abspielt. Die Kinder dürfen nicht über ihr Leid sprechen, die Eltern schweigen aus Scham. Wenn sie doch mit ihrer Sucht an die Öffentlichkeit gehen, finden sie vielleicht einen Platz, an dem ihnen geholfen wird, ihre Kinder dagegen bleiben meistens selbst dann noch auf tragische Weise im Abseits.
Kommt die Sucht, wie so oft, nicht laut, sondern mehr schleichend, leise daher, wird es noch schwieriger, sie zu erkennen. Die Belastung für die Betroffenen nimmt immens zu, denn sie fragen sich, ob es diese Sucht überhaupt gibt oder gab, ob sie sich diese nur einbilden. »Ist das nicht normal, was meine Eltern da gemacht haben!«, lautet dann die Frage der Verunsicherten, oder: »Ist es nicht normal, dass Mama täglich Tabletten nimmt, die sie doch braucht!«, »Ist es nicht normal, ein paar Bier zu trinken?«, »Ist es nicht normal, auf sein Gewicht zu achten?« Oft noch als Erwachsene sind die Kinder suchtkranker Eltern tief verunsichert.

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Übung 4: Bin ich ein „Suchtkind“?

Vielleicht fragen Sie sich, ob sie selbst zum Kreis der betroffenen Erwachsenen gehören, die hier (auch im Buchtitel) angesprochen werden. Das wäre sehr typisch für die Art und Weise, wie erwachsene Kinder aus Suchtfamilien mit ihrer Kindheitsbelastung umgehen. »Suchtkinder«, wie ich erwachsene Kinder suchtkranker Eltern hier im Folgenden nennen möchte, nehmen oft grundsätzlich an, dass dieses Thema aus Kindertagen erledigt sei, und zum anderen, dass sie keine Probleme haben, oder wenn doch, dass diese Probleme (Symptome etwa körperlicher Art) nichts mit der früheren Situation in der Herkunftsfamilie zu tun haben. Dies kann ein tragischer Fehlschluss sein, mit weitreichenden Folgen für Ihre Lebensqualität…

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Zitate aus Befragungen (2008/2009; 2015) im Folgenden unkommentiert: Vielleicht finden Sie sich oder jemanden, der Ihnen wichtig ist, in diesen Aussagen wieder?

Die nachfolgenden Zitate stammen von Erwachsenen, die über mehrere Jahre mit suchtkranken Eltern gelebt haben:

„Es (das Suchtverhalten/ Anm. d.Verf.) war in unserer Familie zu einem stummen Thema geworden!“/Frau L.

„Es ging fortwährend darum, dass wir nach Außen eine perfekte Fassade lieferten – wie es mir ging, spielte keine Rolle!“/Frau I.

„… denn offensichtlich ist dieser familiäre Wahnsinn das Leben!“/Frau H.

„Wenn meine Mutter schreckliche Dinge im Suff getan hatte, taten alle so, als wäre nichts passiert!“/Frau Z.

„… ich bettle schon ein Leben lang um Liebe.“/Frau I.

„Entsetzt bemerkte ich, dass es dieses „Ich“ nicht mehr gab!“ /Frau I.

„… ich verschwinde, während ich sein Verschwinden zu verhindern suche.“/Frau E.

„Wir sind du und du bist wir!“/Frau E. zur Einstellung ihrer Mutter

Ich habe lieber, wenn etwas Schreckliches passiert! – Wenn es mal gut ist, warte ich nur auf das Schreckliche- das WARTEN ist noch furchtbarer“/Frau I.

„Vielleicht hätte ich ihn mehr lieben müssen! Dann hätte mein Vater vielleicht nicht getrunken“ (Frau S.)

„Ich tanze auf einer Hochspannungsleitung im kühlen Korsett!“/Frau P.

„Und ich war ihrer Ansicht nach schuld, dass sie immer mehr trank…“/Herr I.

Drogen waren für meine Eltern „Lifestyle“- sprach ich von Belastung wurde ich ausgelacht und als spießig dargestellt.“/Herr H.

„Bei uns zu Hause gab es gar keine Grenzen.“/Frau O.

„Ich habe oft schon Angst gehabt, bevor meine Mutter nach Hause gekommen ist/Felix

                                          „…alle Männer in unserer Familie waren depressiv…und süchtig.“ (Frau G)

„Ich kann ihm wirklich nicht die Mutter ersetzen!“ (Frau R.)

„Wir waren voll mit Gefühlen, die aus der Suchterkrankung resultierten und doch durften wir nie über unsere Gefühle reden. Gefühle waren das absolute Tabu!“/Herr I.

Wenn einige dieser Aussagen auch von Ihnen stammen könnten und sie sich zugleich schon lange fragen, ob das Verhalten ihrer Eltern mit dem Etikett „süchtig“ zu bezeichnen ist/war, dann könnten das Hinweise auf eine (möglicherweise auch verdeckte) elterliche Suchterkrankung oder andere familiäre Belastungen in der Kindheit sein. Vielfach ist die elterliche Suchterkrankung, wie Suchtkinder oftmals fälschlich annehmen, nicht nur an der konsumierten Menge fest zu machen (und auf die Kontrolle und Beweisführung wird oft viel Energie bei Angehörigen verwendet): Bedeutsamer und wirksamer für den eigenen Weg der Suchtkinder ist das Aufspüren krankmachender Familiendynamiken sowie der spezifischen Familienatmosphäre. Denn diese Dynamik und Atmosphäre kann massive Auswirkungen auf das Erleben der Suchtkinder haben, sogar wenn sie viele Jahrzehnte zurückliegt. Wenn Sie sich oftmals, (scheinbar grundlos) leer, schuldig und „unnütz“, nicht „richtig“, nicht zugehörig oder wertlos fühlen ( obwohl sie z.B. „objektiv“ viel leisten), dann kann die Wurzel dieser Gefühle in elterlicher Suchterkrankung begründet sein.Dann kann es für Sie wichtig sein, sich mit Familienatmosphären näher zu beschäftigen. Häufig stellen Suchtkinder in dieser Beschäftigung fest, dass diese negativen Stimmungen und Gefühle eigentlich gar nicht zu ihnen gehören, sondern zu ihren belasteten Eltern. Diese haben sie über Jahre während ihrer Erkrankung, meist unbewusst, an sie weitergegeben oder abgegeben (delegiert).

Zusatzanregung: Suchen Sie ein Musikstück, das erzählt, wie Sie sich eine gute Familienatmosphäre vorstellen…Lassen Sie sich Zeit: Hören Sie in den nächsten Tagen Stücke im Radio oder zu Hause bewusster aus dieser Perspektive.

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Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich, wie viele professionell Tätige in diesem Bereich, mit erwachsenen Kindern aus Suchtfamilien gearbeitet, ohne wirklich das Ausmaß ihrer Belastung zu kennen. In meiner Praxis, in der Schule, in Ausbildungszusammenhängen gehörte dieses Thema zu meinem Aufgabenfeld, doch ich bemerkte zunächst nicht, wie weitreichend die Folgen der elterlichen Suchtbelastung wirklich waren – ich wusste ebenso wenig darum wie die Betroffenen selbst. Erwachsene Kinder aus Suchtfamilien ahnen oftmals nichts von ihrer Belastung und deren Ausmaß, sie sprechen nicht über ihre Herkunftsfamilie, scheint das alles doch viel zu lange her zu sein. Viele wissen nicht mehr, dass ihnen etwas angetan wurde – aufgrund diffuser körperlicher und seelischer Beschwerden merken sie nur, dass irgendetwas nicht mit ihnen stimmt. Da ihnen das Ausmaß selbst nicht bewusst ist, sie zudem gelernt haben, zu tabuisieren und zu verdrängen, sprechen sie nicht über das in der Kindheit Erlittene. Betroffene lebten und leben mit Eltern, die ihre Sucht verleugnen, und so verleugnen sie selbst, was ihnen angetan wurde.

Es soll nicht etwa »Grässliches«, Schlimmes und Traumatisches, das in Suchtfamilien passiert ist, gewaltsam an die Oberfläche gezerrt oder als Sensation zur Schau gestellt werden, vielmehr wird versucht, mit Hilfe eines gemeinsamen Blicks auf die kindliche Vergangenheit, eine neue Basis für ein zufriedeneres Leben mit sich und anderen zu schaffen.

Frau L. 44 Jahre: „Ich habe eigentlich neu laufen gelernt!“
„Ich fühlte mich vor der Therapie wie in einem Hamsterrad gefangen. Alles war schwarz und grau. Ich sah und spürte nichts mehr, ich wusste weder, wo ich hinwollte, noch warum sich alles so furchtbar anfühlte – ich gab mir daran die Schuld. Jetzt fühle ich mich gut, was mir auch sehr fremd ist, da es das in meinem Leben so wenig gab. Da brauche ich immer wieder Mut, dem Neuen zu vertrauen. Ich glaube, mir hat geholfen, dass ich in der Therapie Schritt für Schritt Begleitung hatte. Ich musste bei jedem noch so kleinen Schritt Hilfe haben, ob er gerade wieder wirklich für mich stimmig ist, ob es richtig ist für mich – oder ob ich nur reagiere auf das, was andere erwarten.

Das war mühsam, aber ich empfinde nun oftmals Frieden und Freude. Ich musste von Stunde zu Stunde Wegweiser haben, um jeweils zu wissen, wie es genau weitergeht. Ich habe eigentlich neu laufen gelernt. Es haben sich neue Ziele und Blickwinkel in dieser Zeit entwickelt. Ich habe meine Belastungen erkannt und abgeworfen.

Nach meinen Erfahrungen können erwachsene Kinder, auch wenn die Erfahrungen mit süchtigen Eltern schon Jahrzehnte zurückliegen, nur dann wirkliches Verständnis für sich selbst, ihr Verhalten, ihre Gefühle und ihre Nöte entwickeln, wenn sie einen Blick auf das, was ihnen angetan wurde, wagen. Oftmals sind sie erst dann in der Lage, ihre Stärken zu würdigen und Rollenmodelle des eigenen Lebens zu verstehen – im Buch Vater, Mutter, Sucht ermöglicht ein Selbsttest darüber näheren Aufschluss. Mittels meiner Forschungen und Praxiserfahrungen habe ich das AWOKADO-Programm zusammengestellt, das Suchtkinder auf dem Weg in ein glücklicheres Leben unterstützen kann; auch professionell Tätige können es bei der Arbeit mit Suchtkindern einsetzen. Wer verdrängt, steckt fest! Wer hinschaut und aktiv wird, kann wachsen – …

Text in Anlehnung an eine Leseprobe zu Vater, Mutter, Sucht beim Klett-Cotta-Verlag.

Hilfe für die „Vergessensten der Vergessenen“ – Das AWOKADO-Hilfe-Konzept für erwachsene Kinder sucht-und psychisch erkrankter Eltern

Erwachsene aus Suchtfamilien müssen leider zu den „Vergessensten der Vergessenen“ gezählt werden. Zwei Denkfehler begünstigen dieses Vergessen:

1. Der Fehlschluss, dass die Kindheitsbelastung doch lang vorbei sei und damit im „Jetzt“, da Betroffene nicht mehr in der Herkunftsfamilie leben, ohne Folgen wäre (und nicht einmal das trifft bei vielen Erwachsenen zu, die oft ein Leben lang mit den Sucht- und psychisch Erkrankten konfrontiert sind).

2. Der Fehlschluss, dass,wenn die Betroffenen nicht von Kindheitsbelastung sprechen, auch keine Belastung vorhanden sei. Da die Kinder über Jahrzehnte in ihren Familien lernen, erkrankte Eltern zu schützen, nicht über ihr eigenes Leid zu sprechen ( es oft nicht einmal wahrnehmen zu dürfen), fehlen ihnen Worte. In Familien, die die elterliche Erkrankung tabuisieren, werden die Kinder frühzeitig zu „Burgbewohnern mit Haut und Haar“ (Barnowski-Geiser 2015). Oft erzählt allein ihr Körper oder ihre sie überfordernde Gefühlswelt, das sie bis heute schwer belastet sind: zu wirksam ist das kindliche Tabu, auch wenn Erwachsene das Elternhaus längst verlassen haben.

Zu diesen Denkfehlern gesellt sich ein großes Manko: Therapeuten, Ärzte und Pädagogen sind zu wenig bis gar nicht auf diese Klientel hin ausgebildet worden. UNd: reine INformation über diese Familien reicht als Hilfestellung nicht aus: Das AWOKADO-Konzept schließt hier eine Lücke der erlebensorientierten  Arbeit mit Erwachsenen aus belasteten Familien.

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Quelle: Klett-Cotta

http://klett-cotta.de/buch/Fachratgeber/Vater_Mutter_Sucht/55896#buch_leseprobe

Das AWOKADO-Konzept

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Mehr als zehn Jahre lang arbeitete Dr. Waltraut Barnowski-Geiser mit Kindern und Erwachsenen aus Suchtfamilien und führte zugleich im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes Befragungen und Interviews durch. Ihre Fragestellung: Was hilft „Suchtkindern“, ihr Leben zum Positiven zu verändern? Die Ergebnisse ihrer Studie und Befragungen mündeten im AWOKADO-Konzept. Dieses Konzept geht über psychoedukative Arbeit hinaus: Im AWOKADO-Konzept wird, resilienzfördernd und ressourcenorientiert, das Erleben Langzeit-Betroffener fokussiert, unter Einbeziehung der Systemperspektive. Ziel ist eine nachhaltige Verbesserung der Art und Weise „In der Welt zu Sein“.

Die Anfangsbuchstaben der ermittelten Hilfefaktoren stehen dabei für:

A Achtsamkeit
Vom Kreisen um die Suchterkrankten zur Selbstachtsamkeit im „Jetzt“
W Würdigung der Belastung und Würdigung der Stärken
Hinwendung zu den eigenen Wunden und zu den gewachsenen Kräften
O Orientierung
Finden einer eigenen Weltsicht, abseits des Familientabus
K Kreativität
Schöpferische Potenziale als Quell von Lebensfreude im „Für mich sein“
A Aus-Druck
    Eine Bewegung vom Innen ins Außen; Abbau von Spannungen und Druck
D Deckung und De-Parenting
Das Erleben von Sicherheit und sicheren Zonen (Schutzräume)
O  Offenheit und Öffnung
Positive Resonanz-und Beziehungserfahrungen in Netzwerken und Hilfegruppen

Die Namensverwandtschaft mit der Frucht Avocado schien sinnfällig: gilt die Avocado doch als äußerst heilsame und wirksame Frucht, die dosiert und maßvoll einzusetzen ist.Featured image

Auf der Basis des AWOKADO-Konzeptes, das sie seit vielen Jahren in therapeutischer Praxis anwendet, entwickelte Frau Barnowski-Geiser das AWOKADO-7-Schritte-Programm zur aktiven Selbsthilfe, das AWOKADO-Stärkungsritual sowie das schulische Präventionsprojekt BEL-Kids, das sie als modularisierte Fortbildung an Pädagogen, Therapeuten und Studierende multipliziert.

Das AWOKADO-7-Schritte-Programm konnte auch erfolgreich angewendet werden bei erwachsenen Kindern chronisch und existenziell erkrankter Eltern (z. B. bei elterlicher Krebserkrankung) sowie bei Erwachsenen von psychisch erkrankten Eltern.

Besser leben? Warum ein Atemzug, der Mount Everest und ein ungewöhnliches Früchtchen Ihre Helfer sein können.

Von Waltraut Barnowski-Geiser

Jetzt besser leben – das wollen die meisten Menschen! Vor allem natürlich wünschen das all jene, die in ihrer Kindheit Schweres erlebt haben. Oftmals haben aber gerade diese Menschen ihre Hoffnung auf ein besseres Leben aufgegeben. Soviel Enttäuschung, so viele leere Versprechungen haben sie bereits erlebt! Jetzt besser leben: „Wie könnte das gehen?“ fragen sie sich, und vor allem: „Wie sieht mein Weg zu einem besseren Leben aus?“ Denn: jede und jeder hat eine andere Vorstellung davon, was ein Leben zu einem besseren macht

…Vielleicht wollen Sie auf kreativem Weg  etwas über Ihre persönliche Vorstellung erfahren.Dann könnte die folgende Übung hilfreich sein. Wenn Sie gerade Zeit nehmen wollen, dann starten Sie jetzt in die Übung. Sie können diese auch jetzt überspringen und später nach dem Lesen machen!

Übung MEINE Besser-Leben-Landschaft

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit: schließen Sie, wenn Sie mögen, die Augen…nehmen Sie Ihren Atem wahr…wenigstens drei Atemzüge wahrnehmen: wie Sie ein und wieder ausatmen…

Nun lassen  Sie vor Ihrem inneren Auge langsam eine Landschaft entstehen, in der Sie sich gut und glücklich fühlen. Wie duftet es hier, wie schmeckt es, welche Farben sehen Sie. Wie klingt es, welche Geräusche hören Sie? Lassen Sie sich ein wenig Zeit…vielleicht wollen Sie diese Landschaft später malen.

 Kommentar zur Übung: Bilder können helfen, etwas zur Sprache zu bringen, für das wir noch keine Worte haben.  Indem wir unsere Sinne aktivieren, aktivieren wir auch Potenziale, Sehnsüchte und Wünsche,die vielleicht längst vergessen schienen.

Flucht aus dem Jetzt
Viele Menschen mit Kindheitsbelastungen pendeln sich mehr schlecht als recht auf einem sie wenig befriedigenden Level ein: zwischen Vergessen und Verdrängen, zwischen Trauer und Zorn. Sie beschreiben, nichts mehr zu fühlen, oftmals allenfalls Leere. Das Fühlen des Unangenehmen wurde unbewusst aufgehoben, unglücklicher Weise aber auch das Fühlen von Schönem. Andere leben ständig im Gestern, wälzen schlimme Ereignisse von damals. Sie werden bis zum heutigen Tag von der Vorstellung gequält, an den Ereignissen der Kindheit Schuld zu tragen:

Ein trinkender Vater? Das erwachsene Suchtkind denkt, es hätte damals ein besseres Kind sein müssen, dann wäre der Vater nicht unglücklich gewesen und hätte folglich auch nicht trinken müssen.

Die Mutter, die in Depressionen aus dem Leben schied? Bestimmt hätte der Sohn vielmehr für sie Dasein müssen, ihr mehr Freude bereiten sollen, mehr und Besseres leisten sollen.

In diesen und anderen Gedankenketten sitzen Menschen fest.

Andere nehmen die Flucht nach vorn: sie leben in der Zukunft. Sie träumen, nicht nur ein bisschen und manchmal, sondern eigentlich immer und überall. Träumen hat sie als Kind gerettet, um dem Schlimmen zu entfliehen. Diesem Mechanismus können sie nun bis heute schwer entfliehen (manche haben bereits die Diagnose ADS/Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität erhalten): So träumen sie auch heute… von einem Traumprinzen, der so ganz anders ist als der enttäuschende Mann  jetzt an ihrer Seite, anders als der Vater früher. Sie träumen von einer Zeit, in der sie endlich glücklich sind, weil sie zum Beispiel materiell unabhängig sein werden. Morgen, irgendwann in ferner Zukunft. wird alles besser sein. Und so warten sie und warten und warten, während das Leben an ihnen ungelebt vorbeizieht.

Mit einem Atenzug ins Jetzt
Bei all diesen Arten der Lebensbewältigung verpassen die Menschen etwas sehr Wesentliches: nämlich das Jetzt. Auch Glück findet immer gerade jetzt statt. Wenn keine Achtsamkeit für das Jetzt vorhanden ist, dann gehen kostbare Momente einfach verloren, dann rauscht das Glück vorbei, da es nicht einmal wahrgenommen wird.

Das Zurückerobern des Lebensglückes bedeutet, sich in das Jetzt zurückzutrauen.
Ein wichtiger Helfer in das Jetzt ist unser Atem: wahrnehmen, ohne jede Absicht und ohne jede Bewertung, wie der Atem einfließt und wie er wieder den Körper verlässt: Das ist die Brücke in die Gegenwart. Das klingt so einfach: und ist doch gerade für Menschen aus schwierigen Elternhäusern so schwer. Da damals das Jetzt so unangenehm war, haben sie, um ihre Seele zu retten, begonnen aus dem Jetzt zu fliehen. Und damals viel Lebensqualität verloren. Diese gilt es heute wieder zurückzugewinnen: und diesen Schritt können nur Sie selbst für sich tun. Vielleicht sagen Sie jetzt: „Ich habe viel zu tun, wann das noch?“ oder „Das fühlt sich so unangenehm an, wenn alles ruhig ist und ich mich spüre!“

Meditation ohne Geheimnnis

Es gibt viele Wege zur Achtsamkeit und Meditation. Als eine weise Lehrerin giltie buddhistische Nonne Ayya Khema (leider ist sie inzwischen längst verstorben, aber ihre Ausführungen sind  auf youtube abrufbar) Ayya Khema vermittelt Meditation ohne Geheimnis, aus der ich hier nur sehr vereinfachend Wichtiges zusammengefasst und sehr gekürzt darstelle. Eine Einsicht lautet, dass alle Empfindungen vergehen, wenn man sie einfach nur beobachtet: so wie alles vergeht! Auch Gedanken lassen sich demnach beobachten, sie werden in dieser Praxis etikettiert – die vorbeiziehenden Gedanken erhalten gleichsam einen Karton, in den man sie steckt. So merkt der Meditierende, welche Kartons er meistens benutzt, sprich, womit er sich meist beschäftigt und lernst sich dabei selbst bestens  (er)-kennen. Erwachsene Kinder aus Suchtfamilien beschreiben, mit ihren Gedanken ständig um einen ihnen wichtigen Menschen zu kreisen. Ihr Wohl hängt dann, so erleben sie es, von diesem einen Menschen ab – Abhängigkeit entsteht. Im Sinne der Lehre des Buddhas lässt sich hier als Methode anwenden: Etikettieren und Ersetzen. Eine spannende Idee! Probieren sie es aus: Wenn Sie an einen bestimmten Menschen denken, förmlich um ihn kreisen, sagen Sie innerlich „Stop!“ Ersetzen Sie diese Gedanken an den anderen, indem Sie zu sich selbst zurückkehren: Achten Sie auf Ihren Atem, nehmen Sie wahr, was Sie gerade spüren. Und in einem weiteren Schritt erspüren Sie, was sie selbst jetzt gerade brauchen.
Es gibt viele unterschiedliche Verfahren und Wege, um Achtsamkeit zu erlernen. Neben alten Lehren wie dem Buddhismus (hier auch Thich Nhat Hanh), unterschiedlichen Formen im Yoga usw. gibt es diese Ansätze auch in modernen Therapieverfahren, wie etwa dem MBSR nach Kabat-Zinn, der Hypnotherapie nach Milton Ericson oder auch im Integrativen und Hypnosystemischen Therapieverfahren. Suchen Sie im Vertrauen auf sich selbst den für Sie passenden Weg. Es gibt viele Cds und Bücher. zu diesem Feld, die Ihnen Hilfe anbieten können.

AWAOKADO…was für ein Früchtchen!
In meinen Befragungen von Erwachsenen und Kindern aus Suchtfamilien (Barnowski-Geiser 2009) beschrieben Menschen neben der Achtsamkeit sechs weitere Faktoren, die Ihnen auf dem Weg zu einem besseren Leben geholfen haben:
A chtsamkeit
W ürdigung der Kindheitsbelastungen, aber auch der eigenen Stärken
O rientierung finden, einen eigenen Standpunkt
K reativität und Ausdruck
A nklang und Beziehung
D eckung und De-Parenting ( Sicherer Raum und Kind sein dürfen)
O ffenheit und Öffnung
Sie haben es wahrscheinlich schon gesehen: die Anfangsbuchstaben ergeben in der Vertikalen das Wort AWOKADO und erinnern somit an eine kleine sehr heilsame Frucht. Ihre große Wirkung entfaltet diese Frucht, so wird es von Betroffenen beschrieben, indem man sie dosiert einsetzt. Das gilt auch für Sie und den Beginn Ihrer Veränderung hin zu einem besseren Leben. Dosiert sollten Sie, vertrauen wir den Erfahrungen, beginnen: der erste Baustein ist Achtsamkeit (vgl. Das AWOKADO-Hilfe-Konzept in Barnowski-Geiser/2015:Vater,Mutter,Sucht. Wie erwachsene Kinder suchtkranker Kinder trotzdem ihr Glück finden). Achtsam ist gleichsam die Mutter der Heilung!

Jetzt starten…schließlich haben Sie schon den Mount Everst bestiegen!
Alle große Veränderung, auch in Ihrem Leben, beginnt mit einem kleinen Schritt. Diesen können Sie gerade heute tun. Atmen Sie sich für Augenblicke ins Jetzt und steigern Sie diese Zeit innerhalb der nächsten Tage, wenn wir uns hier wieder treffen. Ich bin sicher: Wenn Sie den Weg auf diese Seite gefunden haben, dann haben Sie in ihrer Kindheit viel zu früh Großes geleistet. Sie haben wahrscheinlich schon ganz früh, um einen Vergleich zu wählen, den Mount Everest bestiegen. Nur: Das hat Ihnen niemand gesagt, man hat Ihnen erst recht nicht gedankt, weil vielleicht die Probleme ihrer Eltern, um die sie sich viel zu früh kümmern mussten, angeblich gar nicht vorhanden waren. Tabuisieren war dann der Weg ihrer Eltern; Ihre Eltern haben es nicht anders geschafft. Es ist wichtig, aus dieser familiären Negativkette auszusteigen, damit Sie Neues an ihre Kinder und Partner weitergegeben können. Mit nur einem Atemzug kann Neues in ihr Leben und das Leben Ihrer Familie treten.

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Interessante Blogs im Themenfeld:

http://www.projekt-gesund-leben.de/achtsamkeit-mbsr/

http://burnout.blog.de/

https://meditationfuerskeptiker.wordpress.com/

Video

Einführung in die Meditation, Teil 1/4 – Ayya Khema

Vielen Betroffenen hilft zu Beginn das mit der Wahrnehmung verbundene Loslassen, wie es

Thich Nhat Hanh hier vorführt

Kabat-Zinn/MBSR