Leere-ueber einen heimlichen Beziehungskiller und wie Sie ihm auf die Spur kommen

Verzweifelte Paare, die in die Therapie kommen, haben manchmal Schwierigkeiten zu beschreiben, was ihr eigentliches Problem ist: der Kern der Probleme ist dann oftmals wenig mit Worten auszumachen. Irgendwie ungreifbar erscheinen ihre Beziehungsprobleme: Man streite sich wenig, es gäbe aber auch wenig Höhen, wenig Tiefen… aber irgendwie sei die Luft raus, heißt es dann. Stumm und verzweifelt, meist resigniert, wirken die derart Betroffenen. Arbeitet man als Therapeutin mit der eigenen Resonanz zum Geschehen, so wird ein ungeliebtes Gefühl spürbar, von dem die Paarthematik dominiert wird: Leere. Leere kann ein Beziehungskiller sein, der unerkannt, im Verborgenen sein Unwesen treibt.

Gar nicht schlimm?

Leere – wenn dieses Gefühl vorherrschend ist, klingt das für Menschen, die mit diesem Gefühl wenig anfangen können (da sie noch kaum Berührung damit hatten oder auch wenig darum wissen und es somit auch nicht wahrnehmen), wenig schlimm. „Leer“, das ist für sie nah an „Es ist doch nichts“, oder auch nah an einem Zustand, den es doch laut Meditations-und Kontemplationsformen gerade zu erreichen gilt. Der erstrebte Geisteszustand der Versenkung ist hier jedoch nicht am Werk, sondern etwas quälend Anderes, das offenbar schwer zu beschreiben ist -. Leere als „Nichts-Ist“. Wenn „nichts ist“, wie kann man dann darunter leiden? Leere kann, wie wir noch sehen werden, tatsächlich sehr unterschiedliche Qualitäten haben. Leere ist alles andere als „nichts“: wie wird quälend erlebt, versetzt in Starre, stumm machend, verbunden mit tiefen Einsamkeitsgefühlen, gepaart mit Antriebs- und Hoffnungslosigkeit, nah an dem, was man landläufig mit „depressiv“ verbindet. So und ähnlich beschrieben Betroffene nach allmählicher Annäherung ihr Tal der Leere. Oft überdeckt Leere andere starke Gefühle, betäubt, anästhetisiert, wie es in der Fachsprache heißt.

Das Drama der Leere im Dopelpack: Beziehungsleere

Die hier beschriebene Form der Leere möchte ich als biografisch verwurzelte Beziehungsleere bezeichen. Betroffene kennen Beziehungsleere dann seit Kindheitstagen: sie sind als Kinder bei ihren Eltern  ständig ins Leere gelaufen, wurden in der Leere stehen gelassen (zum Beispiel nach Trennungen der Eltern oder mit schweren Erkrankungen, hier oftmals nur für Stunden des Tages, aber auch hier mit nachhaltigen Verlust- und Ohnmachtserfahrungen gekoppelt), oder/und erfuhren kaum Resonanz auf ihnen wichtige Gefühle und Ereignisse. Diese Grunderfahrung der Leere, insbesondere in ersten wichtigen Beziehungen, kann dazu führen, dass diese Kinder als Erwachsene weiter suchen, um endlich einen Menschen zu finden, bei dem es eine Auflösung gibt für die in der Kindheit so schmerzlich erfahrene Leereerfahrung. Besonders schwierig wird es, wenn beide Partner als Kinder Leereerfahrungen gemacht haben – und zugleich keine angemessenen Auflösungen gefunden haben. Im ungünstigen Falle verstummen und erstarren dann beide Partner, beide „Kinder der Leere“. Trotz bester Absichten, trotz eigentlich vorhandener Liebe, steckt dann die Liebe im Leere – Drama fest. Oft endet dies mit Trennung und wiederholt sich tragischer Weise, wird der Prozess nicht erkannt, mit neuen Partnern, nur in anderer Besetzung.

Gefangen in der Leere- wenn ungute Beziehungen kein Ende finden

Menschen mit existenziellen Beziehungsleereerfahrungen treffen aud wundersam anmutende Weise immer wieder  auf andere Menschen, die ähnliche Kindheitserfahrungen gemacht haben und bei näherem Betrachten in Bindungsmustern starke Ähnlichkeit mit ihren Eltern zeigen. Die neuronalen Prägungen ziehen in Resonanz magnetisch Vertrautes an: nur unter jeweils anderen Gewändern. Wenn die Partner-Wahl auf jemanden gefallen ist, an dem ungute Erfahrungen wiederholt werden (etwa mit Suchtkranken oder bindungsunfähhigen Partnern), dann ist der Beziehungsalltag meist massiv belastet,  dann mutet es für Außenstehende wundersam an, dass Betroffene ihre Partner, trotz fortwährend beschriebener negativer Erfahrungen, nicht verlassen oder wie sie es selber erleben, nicht verlassen können. Für die Betroffenen selbst ergibt ihr Verhalten auf einer tieferen Ebene durchaus Sinn: sie hoffen, dass die Geschichte diesmal doch endlich einmal gut ausgehen möge. Es ist in ihnen etwas offen geblieben, in der Gestalttherapie spricht man von der offenen Gestalt, die geschlossen werden muss. Bei Trennungshemmung trotz unzumutbarem Beziehungsgeschehen sind oft kindliche Leereerfahrungen wirkmächtig: da auch die mit Trennungen einhergehende befürchtete Leere  unaushaltbar erscheint, wirkt Trennen letztlich schlimmer als Bleiben, ebenso wie die Hoffnung, dass es doch noch gut ausgeht und die offene Gestalt sich schließen kann, ebenso. Oftmals kehren diese Betroffenen auch nach ersten Trennungsschritten wieder um, da die sich ihnen auftuende Leere als unüberwindbarer Abgrund erscheint: Allein-Sein löst  beängstigende Leeregefühle aus, fällt auf traumatisch besetzten Boden. Betroffene haben noch keinen Weg gefunden, wie ihr Leben, abseits einer Beziehungsfixierung, erfüllt sein könnte: eine Wüste der Leere muss durchschritten werden, mit vielen Tälern von Einsamkeits- und Sinnlosigkeitsgefühlen, die neben anderen massiven Gefühlen unter der Leere verborgen sind. Kann dieses Leere – Erleben verwandelt werden, ist manchmal auch eine Partnerschaft wieder möglich – und erfüllt. Damit dies möglich wird, müssen beide Partner aktiv werden.

Kreativ-Coaching: Wege aus der Leere

Selten ist es Betroffenen bewusst, unter „Leere“ zu leiden…Betroffene beschreiben mehrheitlich Diffuses und nicht Greifbares, Leere tritt erst allmählich zutage. Wenn Sie sich mit Ihren Leeregefühlen stärker auseinandersetzen möchten, können das kreative Tun im Kreativ-Coaching der Woche ein erster Anstoß für Ihren Prozess sein. Wenn Ihr Partner dazu bereit ist, kann es bereichernd sein, zusammen zu gestalten und anschließend darüber zu sprechen. Auf kreativem Weg können Sie auf ungewöhnliche Weise etwas über sich erfahren, indem Sie vertraute Wege verlassen und neue Gehen…die Veränderung passiert unmerklich, spielerisch, je mehr Sie sich einfach von Ihrer Aufgabe mitreißen lassen.

Für die heutige Übung brauchen Sie mindestens 30 Minuten Zeit, ein großes Blatt und ein paar alte Zeitschriften, die Sie nicht mehr benötigen, mit Bildern, die sie ausschneiden können sowie ein paar Stifte.

Beginnen Sie nun mit dem Gestalten einer Collage: Knicken Sie zunächst ein größeres Blatt in drei gleich große Teile, sodass drei senkrechte Spalten entstehen. Gestalten Sie auf die linke Seite ein Bild, das die Überschrift „Leere“ trägt…

….auf die äußerst rechte Seite nun ein Bild, das für Sie das Gegenteil darstellt.

Betrachten Sie beides und gestalten nun in die Mitte Verbindungen zwischen beiden Seiten. Finden Sie auch für diese beiden Seiten eine Überschrift.

Wenn Sie gern weiterarbeiten möchten, gehen Sie nun noch einen Schritt weiter: stellen Sie sich vor, dass Ihre Collage Schauplatz eines Märchens ist. Lassen Sie diese Geschichte auf der linken Seite beginnen. Starten Sie mit dem Satz „Das hatte sie nicht erwartet“… Was ist davor passiert? Schreiben Sie einfach los und lassen Sie die Geschichte sich weiterentwickeln bis sie gedanklich auf der rechten Seite Ihrer Collage angekommen sind.

Welche hilfreichen Aspekte können  Sie aus Ihrer Collage gewinnen,  und  welche aus Ihrer Geschichte?

Sprechen Sie mit Ihrem Partner, wenn möglich…

Wenn Ihnen die kreative Arbeit Freude macht, liefert das Buch von Nick Bantock weitere Anregungen. Wenn Sie sich näher mit abhängigen Beziehungen beschäftigen möchten, ist sicher  Ich will mein Leben zurück von Jens Flassbeck interessant.

Du bist ein Künstler - Nick BantockBuchdeckel „978-3-608-86045-0

Gute Ostertage und Raum für Neues wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser

Corona-Auszeit: Die Begegnung mit unserer inneren Heimat

Vor der Corona-Krise haben sich viele Menschen teils sehnsüchtig gewünscht: endlich einmal Ruhe haben, niemanden hören und sehen müssen. Und nun ist plötzlich von einem Tag auf den anderen alles anders. Die Kontaktvermeidung ist staatlich angeordnet, viele Menschen sind vom Arbeiten auswärts freigestellt, alte Menschen sitzen allein in ihren Häusern. Manche von unseren LeserInnen sitzen, wie mir geschrieben wurden, in Ländern fernab der Heimat in Quarantäne, wissen noch nicht, wann sie diese verlassen dürfen und auch nicht, wann und wie sie zurück in die Heimat gelangen können. Schlimm, besonders für Kindheitsbelastete! Von hier ersteinmal mein herzliches Mitgefühl. Die augenblickliche Situation lässt, wie ich schon in den letzten Tagen beschrieben habe, alte Erfahrungen hochkommen: allein, mit existentiell erscheinenden Unsicherheiten konfrontiert, stehen wir plötzlich vor uns selbst: für Menschen mit Kindheitsbelastungen oftmals eine mehr als große Herausforderung. Warum fühlt es sich im inneren Zuhause quälend, leer, verloren an…andere scheinen unter der neuen Situation doch förmlich aufzublühen? Ein erster Schritt ist nach meinen Erfahrungen, uns selbst besser zu verstehen, nicht vor dem Inneren davon zu laufen, sondern erst einmal anzuschauen, was uns dort begegnet. Wird es greifbar, wandelt es sich.

Wie wir unser Elternhaus der Kindheitstage erlebt haben, hat Einfluss darauf, wie wir unser Inneres empfinden. Haben wir diese erste Heimat  als blühende Landschaft erfahren, dann haben wir diese so als guten „Wohnraum“ in uns abgespeichert. Wohlig fühlen wir uns meist von Grund aus, heimelig, gewärmt und geborgen vielleicht. Ebenso kann es, um im Bild zu bleiben, die eiskalte einsame Fjordlandschaft sein, die uns permanent ein Frösteln in die Seele treibt, ein verloren Fühlen, wie heimatlos, auf der Flucht: Stimmungsfarben, Narben und Spuren des Gestern bestimmen Ihre innere Heimat, Ihre innere Erlebenslandschaft, maßgeblich mit. Wie sieht Ihre innere Heimat  aus?…Versuchen Sie es doch einmal mit einer Landschaftsbeschreibung in einigen Sätzen…ist Ihnen diese Vorstellung zu unangenehm, starten Sie erst mit der Wohlfühl-Landschaftsimagination am Ende dieses Beitrags.

Welcher Ton in unserer inneren Heimat vorherrscht, die Weise, wie wir mit uns sprechen, das „Klima“, das hier herrscht, die Weise, wie wir in uns zu Hause sind, wie wir in uns wohnen, hängt nachhaltig mit unseren ersten Beziehungen, meist zu unseren Eltern, zusammen. Wie wir uns im Zusammensein mit unseren ersten wichtigen Bezugspersonen erlebt haben, prägt die Weise, wie wir heute in uns leben und erleben. Das hat Einfluss auf unser Selbstbild, unsere Identität und wie wir mit uns selbst umgehen.

Unsere Kindheitserfahrungen  prägen also unsere innere Heimat,aber: nicht unveränderbar in dem Sinne, dass diese nicht mehr zu gestalten und verändern wäre! Das Fundament, eine architektonische Grundanlage, Stimmung und Färbung, werden uns im Zusammenleben mit uns wichtigen Bezugspersonen als Grundsteinlegung mit auf den Weg gegeben. Denn: Menschliche Gehirne sind nutzungsabhängig („Plastitzität“), auch und gerade bei Kindern: Wie Sie sich als Kind alltäglich gefühlt haben, bildete neuronale Netzwerke, das Hirn speicherte Erlebtes als Gefühlslandschaften: es gestaltete sich Ihre innere Welt. Die Summe der vergangenen Erfahrungen und der aktuellen im Jetzt bilden Ihre innere Welt, die Welt, von der aus Sie losgehen in die äußere Welt hinein. Diese innere Welt ist vorgestaltet und doch nie vollendet: Sie lässt sich immer weiter neu gestalten, auch und gerade „Jetzt“!. Ein Schritt der Veränderung ist die Innenschau aus der Sicht des inneren Beobachters: achtsam den eigenen Stimmungen zu folgen kann eine spannende Reise sein…gerade jetzt in diesen schwierigen Tagen eine lohnenswerte Reiseform. Ich wünsche Ihnen den Mut, sich selbst zu begegnen. Sie sind nicht mehr das kleine, hilflose Kind von damals, auch wenn es sich in diesem Moment, heute zur Coronazeit, vielleicht exakt so anfühlt. Also: ein 1. Schritt kann sein, die Gewissheit zuzulassen, dass heute etwas anders ist als zu Kindheitszeiten und Sie erwachsen etwas tun können- vor allem entscheiden Sie, wie Sie die aktuelle Situation bewerten und einordnen. Sie haben vermutlich schon so Vieles in Ihrem Leben geschafft, auch das werden Sie bewältigen. Ihr heutiges Mantra könnte also lauten: „Ich weiß, dass ich mir selbst helfen kann!“ und „Ich werde heute zuversichtlicher denken!“ Auf diesem Weg können Sie Ihre inneren Bilder, Imaginationen, Ihre innere Weisheit ( ja, ich bin sicher, über diese verfügen Sie) unterstützen:

Corona-Auszeit-KreativChallenge: Stellen Sie sich eine Landschaft vor, in der Sie sich gut fühlen, malen und gestalten  Sie diese…wenn Sie noch an den Strand, in den Garten etc dürfen, sammeln Sie doch für Sie passende Materialien, gleich bei einem Spaziergang…

Wie ist es Ihnen mit der Arbeit mit Musik gestern ergangen? Noch nicht angegangen? Das „Nichts-Tun“ ist evt Teil der alten Überzeugung, dass sich eh nichts ändern wird, ihr innerer Sabboteur am Werke? Dann kann das für Sie im Augenblick noch nicht der richtige Zeitpunkt sein oder: Probieren Sie es doch heute einfach mal für einen Tag anders!

Ich wünsche Ihnen einen Tag, mit kleinen Glücksmomenten – Sie müssen zulassen, diese dennoch wahrzunehmen.

Alles Liebe, besonders auch in die weiten Fernen und in die „strengen“ Quarantänen, wünscht

Ihre

Waltraut Barnowski-Geiser