Sucht, Krankheit, Wahnsinn-…und wo bleibe ich?
Immerhin eine gute Nachricht inzwischen bezüglich der Corona-Krise. Hier in NRW ist die Zahl 10 erreicht: also die Tage innerhalb derer sich die Infektionszahlen verdoppelt. Das waren schon 5, 2 und nun schließlich 10. Viele Erkrankte gelten nun bereits als geheilt- welch ein Glück!
Vielleicht hat das Corona-Thema Sie sehr beschäftigt, vielleicht sind Sie aber auch mehr bei sich selbst angekommen. Und heißt „bei mir“, für Sie immer noch bei anderen- Erkrankten, Süchtigen? Im höheren Erwachsenenalter, oftmals nach vielen Jahren des Zusammenlebens mit erkrankten Eltern, in stillen Momenten, in Momenten des Alleinseins, wird manchmal eine innere Stimme laut. Dann kommt plötzlich Fragen auf: Wo bleibe ich? Wer bin ich? Und vor allem: Wer bin ich, wenn ich nicht um den Kranken kreise? Diese Frage, oftmals gerade dann gestellt, wenn sich schon eine Loslösung anbahnt, kann eine tiefergehende Identitäts-Krise auslösen. Jens Flassbeck hat diesen Prozess mit dem Buchtitel „Ich will mein Leben zurück“ eindrücklich auf den Punkt gebracht. Denn: Wenn Menschen mit Angehörigen aufwachsen, die beispielsweise sucht- oder/und psychisch erkrankt sind, dann ist ihr Leben oftmals vom Kreisen um diesen Menschen bestimmt. Die Tage und das Leben scheinen damit ausgefüllt: Kinder aus belasteten Familien müssen ständig aufpassen, dass nichts Schlimmes passiert, ob die nächste Krise bevorsteht usw. Viele Kinder scheinen sich, gerade wenn diese Belastung bis in das Erwachsenenalter anhält, in diesem Aufpassen und Kreisen um erkrankte Eltern zu verlieren, sie gehen sich, wie sie beschreiben, irgendwann selbst verloren. Sich nicht mehr um einen Erkrankten zu drehen (und oft geht die kindliche Sorge um erkrankte Eltern im Erwachsenenalter auf einen erkrankten Partner über), stellt eine große Herausforderung dar. Gefühle brechen auf: Trauer über ungelebtes Leben, Zorn über „verschwendete“ Energie…Ohnmacht über Sinnlosigkeit und Leere.Aus dieser entstandenen Leere muss ein „eigenes“ Leben neu gebaut werden. Das zeigte sich bei vielen Betroffenen als schwieriger, jedoch lohnenswerter Prozess. Aber wie funktioniert das, fragen Betroffene, wie weiß ich überhaupt, was ich eigentlich will, wo doch solange nur zählte, was die anderen wollen? In diesem Prozess braucht es oft Hilfestellungen. Bücher können hierbei Hilfe sein ( s. unten) wie auch Phasen der Ruhe und Stille, der Rückbesinnung auf sich selbst. Oft macht gerade dieses „Zu sich Kommen“ Betroffenen zunächst Angst: zu ungewohnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, zu fremd und unvertraut. Und dann die Krisenverstärkung durch das Außen: die Corona-Krise bringt Dinge auf den Punkt, Negativ Erlebtes findet eine extreme Zuspitzung. Vielleicht mögen Sie, wenn gerade etwas mehr Zeit und Raum ist, der Frage Ihrer Identität nachgehen
Literaturempfehlung Selbsthilfe:
… theoretisch-therapeutische Aspekte zur Identität
Herzliche Grüße
Ihre
Waltraut Barnowski-Geiser